Tobias Armbrüster: Sie war ein schwieriger Punkt in den Koalitionsverhandlungen und galt als Stolperstein: die Frauenquote. In der vergangenen Nacht haben sich Union und SPD nun geeinigt.
Am Telefon ist Michael Fuchs, Fraktionsvize der Union, außerdem ein Politiker, der sich immer wieder für den Mittelstand in Deutschland einsetzt. Schönen guten Morgen, Herr Fuchs.
Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Fuchs, die Union hat in der vergangenen Nacht beim Thema Frauenquote nachgegeben. Ist das ein erstes Signal an die SPD, dass die Union jetzt liefert?
Fuchs: Ich denke, dass wir miteinander Kompromisse schließen müssen. Das ist das Typische für Koalitionsverhandlungen und das zeigt sich auch in diesem Fall wieder. Bei der Frauenquote gibt es gewisse Chancen, dass wir eine gemeinsame Lösung finden, allerdings erst ab 2016 und 30 Prozent.
Armbrüster: Und ist diese 30-Prozent-Quote jetzt möglicherweise der Startschuss für weitere Quoten, nicht nur in Aufsichtsräten, sondern etwa auch in Unternehmensvorständen?
Fuchs: Ich halte nichts von Quoten, weil ich der Meinung bin, dass wir genügend qualifizierte Frauen haben und die werden dann auch entsprechend in den Unternehmen eingestellt. Davon kann man ausgehen. Denn ein Unternehmer wäre ja dumm, wenn er eine gut qualifizierte Frau nicht einstellen würde beziehungsweise nicht in Vorstände oder Aufsichtsräte hineinnehmen würde.
Armbrüster: Das heißt, auch diese jetzt beschlossene 30-Prozent-Quote ist für Sie nur eine Kröte, die Sie schlucken müssen.
!!Fuchs:!! Es ist eine Kröte, die wir schlucken müssen, weil wir eigentlich der Meinung sind, dass man so was nicht quotieren sollte. Es gibt ja auch Unternehmen, wo das dann ziemlich schwierig wird. Wenn zum Beispiel im Maschinenbau wenig Frauen in Vorständen sind, ist es natürlich auch nicht so ganz einfach, welche zu finden, die man in Aufsichtsräte berufen kann. Es gibt andere Bereiche, beispielsweise im Handel, wo das überhaupt kein Problem darstellt. Aber das wird ziemlich mühselig werden, jedenfalls in manchen Bereichen der deutschen Wirtschaft.
Armbrüster: Können wir dann jetzt schon sagen, dass die Unionslinie in Sachen Quote ist: bis hierher und nicht weiter?
Fuchs: Ich denke, viel mehr sollten wir nicht tun, denn das ist auch nicht notwendig. Die deutsche Wirtschaft weiß sehr genau, dass sie gerade aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr darauf achten muss, möglichst viele Frauen in hervorragende oder in herausragende Positionen zu bekommen. Daran wird gearbeitet.
Armbrüster: Bleiben wir noch ein bisschen bei der deutschen Wirtschaft. Auch die 8,50 Euro Mindestlohn scheinen ja beschlossene Sache. Wie gefällt Ihnen das?
Mindestlohn darf nicht Tarifautonomie gefährden
Fuchs: Ich halte eigentlich wenig vom Mindestlohn, weil ich der Meinung bin, dass das eine Entscheidung ist, die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zu treffen haben. Die wissen viel besser, was in den Unternehmen geht, als die Politik. Das heißt, die Politik sollte sich aus der Lohnfindung heraushalten.
Wir haben 60 Jahre Tarifautonomie und die Tarifautonomie hat in Deutschland dazu geführt, dass wir die niedrigste Arbeitslosigkeit in ganz Europa haben. Das dürfen wir in keinem Fall gefährden. Das heißt, wenn Mindestlohn, dann muss darauf geachtet werden, dass das keine Arbeitsplätze kostet. Das gilt vor allen Dingen für 8,50 Euro in den ostdeutschen Ländern. Da ist die Situation deutlich schwieriger, immer noch deutlich schwieriger als im Westen.
Armbrüster: Aber das ist ja nun ein weiterer Punkt, bei dem Sie nachgeben. Lässt sich die Union hier bei den Koalitionsgesprächen über den Tisch ziehen?
Fuchs: Wir wissen, dass wir bei Koalitionsverhandlungen Kompromisse machen müssen, und manche davon sind bitter. Der 8,50 Euro Mindestlohn - wenn er so gestaltet wird, dass in Zukunft darüber die Tarifpartner entscheiden, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände und von mir aus noch einige Wissenschaftler, wie sich das jetzt abzeichnet, dann kann das gehen, dann funktioniert das. Ich möchte in jedem Falle die Tarifautonomie wahren, die darf nicht kaputtgemacht werden.
Armbrüster: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat ja nun in der vergangenen Woche seinen Parteimitgliedern versprochen, eine härtere Gangart einzulegen bei den Verhandlungen in Berlin. Man könnte sagen, eine noch härtere. Was heißt das denn jetzt für die Union?
Fuchs: Man sollte bitte die Backen nicht zu dick aufblasen. Die Union hat mit weitem Abstand die Wahl gewonnen. Wir haben fast 42 Prozent, die SPD gerade mal ein bisschen mehr als 25. Das sind Unterschiede und das muss sich natürlich auch im Koalitionsergebnis widerspiegeln. Es kann nicht sein, dass nachher die Union der Wahlverlierer in der Koalition ist. Das geht nicht und das werden wir auch nicht zulassen.
Armbrüster: Aber trotzdem haben viele Leute an diesem Montagmorgen den Eindruck, irgendwie bestimmt die SPD die Tagesordnung und die SPD bestimmt, wo es langgeht in der Koalition.
Fuchs: Ich darf daran erinnern, dass wir einen wesentlichen Eckpunkt gesetzt haben, und der heißt keine Steuererhöhungen. Die SPD wollte in mannigfacher Weise Steuern erhöhen, das kommt nicht infrage, das ist schon Konsens. Es wird keine Steuererhöhungen geben.
Zweitens haben wir festgelegt: Es gibt keine höhere Neuverschuldung. Auch da ist der Ausweg, über Schulden Dinge zu finanzieren, zugemacht – beides wesentliche Punkte unseres Wahlprogramms. Die haben wir umgesetzt.
Armbrüster: Die Delegierten beim SPD-Parteitag haben der SPD möglicherweise auch deshalb ein Warnsignal gegeben, dass diese Große Koalition zumindest aus ihrer Sicht noch längst nicht beschlossene Sache ist. Ist das dann auch ein Warnsignal an die Union?
Fuchs: Das ist nicht unser Problem. Die SPD-Spitze, die SPD-Führung muss mit ihren Mitgliedern diskutieren. Die haben sich entschlossen, eine Befragung der Mitglieder zu machen. Ich bin eigentlich dagegen, denn ich muss eins sagen: Wir sind in einer repräsentativen Demokratie. Das heißt, ich persönlich bin von meinen Wählern autorisiert, Koalitionsverhandlungen zu führen beziehungsweise auch zuzustimmen. Ich weiß nicht, warum die SPD diesen Weg gegangen ist. Ob sie damit klug ist, weiß ich nicht.
Armbrüster: Was wollen Sie denn machen, wenn die SPD ihre Mitglieder nicht hinter sich scharen kann?
Wenn SPD ausschert, Gespräche mit den Grünen suchen
Fuchs: Dann müssen wir noch mal überlegen, ob es weitere Verhandlungen mit den Grünen gibt. Ich gehe allerdings davon aus, dass das sehr schwierig sein würde. Dann wird es wahrscheinlich zu Neuwahlen kommen, das muss die SPD wissen.
Armbrüster: Das heißt, Sie können sich jetzt schon vorstellen, diese Gespräche auch platzen zu lassen?
Fuchs: Wenn die SPD-Mitglieder beschließen, dass kein Koalitionsvertrag zustande kommt, dann sind es ja nicht wir, der platzen lässt, sondern dann ist es die SPD. Die muss das verantworten, die muss verantworten, dass dann Neuwahlen kommen und Deutschland über eine längere Zeit nicht regiert werden kann. Das ist nicht unsere Schuld.
Armbrüster: Bei der SPD scheint man sich aber inzwischen auch Hoffnungen zu machen auf ein Linksbündnis. Die Partei hat sich ja vergangene Woche geöffnet auch für Koalitionen mit der Linkspartei. Ist das für Sie auch ein Warnsignal?
Fuchs: Nein, das ist kein Warnsignal. Aber es ist ein Zeichen, dass die SPD in mancher Hinsicht kein Interesse an dieser Koalition hat, an einer schwarz-roten Koalition. Ich halte das für falsch, denn wenn man sich in Verhandlungen befindet, dann schon nach einer anderen Braut zu schielen, ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg.
Armbrüster: Das heißt, Sie schreiben dieser Koalition, die da kommen soll, keine besonders rosige Zukunft zu?
Fuchs: Wir müssen abwarten, wie sich das entwickelt. Wir wollen Deutschland vernünftig und sicher und stabil regieren. Wir haben genügend Aufgaben in Europa zu vollziehen und deswegen halte ich jede Maßnahme, die das verhindert, für falsch.
Armbrüster: Geht das denn aus Ihrer Sicht mit einer SPD, die sich nach links öffnet?
Fuchs: Es muss gehen, denn wir müssen eine vernünftige und stabile Regierung bilden. Deswegen werden wir alle Kompromisse machen auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite muss sich aus dem Wahlprogramm der CDU Etliches in den Koalitionsverträgen finden. Sonst macht das keinen Sinn für uns.
Armbrüster: Was machen Sie denn, wenn sich die CDU-Parteimitglieder unzufrieden zeigen, wenn die auch mal sagen, Leute, so geht es eigentlich nicht, so wollen wir nicht, dass ihr in Berlin Koalitionsverhandlungen führt?
Fuchs: Wir werden unseren Parteimitgliedern sehr deutlich machen, dass es notwendig ist, dass Angela Merkel weiter Bundeskanzlerin ist, um eine stabile Regierung zu führen. Dass wir dann auch Kompromisse machen müssen, das weiß jeder von uns. Aber auf der anderen Seite muss auch klar sein, dass Ziele, die wir uns gestellt haben, wie beispielsweise keine Neuverschuldung ab 2015, keine Steuererhöhungen und ein stabiler Euro in einem stabilen Europa, dass diese Ziele mit uns umsetzbar sind, und das werden wir auch tun.
Armbrüster: Das heißt, Ihre Mitglieder befragen wollen Sie nicht?
Fuchs: Ich halte nichts davon, weil ich der Meinung bin, dass ich autorisiert bin als Politiker, als jemand, der mit 48 Prozent in seinem Wahlkreis gewählt wurde, und das gilt für die anderen Kollegen genauso. Wir leben nun mal nicht in einer Demokratie, wo Volksbefragungen üblich sind, und dementsprechend müssen wir uns dann auch einstellen. Wir haben eine repräsentative Demokratie. Das heißt, die Politiker, die gewählt sind, sind diejenigen, die das dann auch zu bestimmen haben.
Armbrüster: Die Koalitionsverhandlungen in Berlin gehen in eine schwierige, möglicherweise in die entscheidende Woche – wir sprachen darüber mit dem Unions-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag, mit Michael Fuchs. Besten Dank für das Gespräch, Herr Fuchs.
Fuchs: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.