Archiv

Frauenquote in Unternehmen
"Selbstverpflichtung der Wirtschaft hat zu wenig Änderungen geführt"

Die Frauenquote in börsennotierten Unternehmen soll kommen. Janina Kugel war im Vorstand bei Siemens und hat sich in einer Kampagne mit anderen Frauen für die Vorstandsquote eingesetzt. Viele Personalentscheidungen beruhten immer noch nicht auf objektiven Kriterien, sagte sie im Dlf.

Janina Kugel im Gespräch mit Sina Fröhndrich |
Janina Kugel saß im Vorstand bei Siemens – und ist nun Beraterin für die Boston Consulting Group
Janina Kugel saß im Vorstand bei Siemens – und ist nun Beraterin für die Boston Consulting Group (dpa/Jörg Carstensen)
Bei paritätisch mitbestimmten und börsennotierten Unternehmen soll in Zukunft eine verpflichtende Frauenquote gelten. Darauf haben sich die Koalitionspartner verständigt. Bei mehr als drei Vorständen muss ein Vorstand demnach weiblich sein. Auch für Krankenkassen, bei der Bundesagentur für Arbeit und bei den Renten- und Unfallversicherungsträgern solle es eine Mindestbeteiligung von Frauen geben. Der Wirtschaftsflügel der Union ist dagegen und spricht von Bevormundung der Unternehmen.
Vorstoß reicht nicht aus
Janina Kugel saß im Vorstand bei Siemens und ist nun Beraterin für die Boston Consulting Group. Sie begrüßte im Dlf den Vorstoß, dieser reiche aber noch nicht aus. Man benötige immer 30 Prozent einer unterrepräsentierten Gruppe, damit sich die Kultur ändere.
Aktuell, 18.11.2020, Berlin, Jana Schimke im Portrait bei ihrer Rede Rentenueberleitung (DDR-Altuebersiedelnde) bei der 191. Sitzung des Deutschen Bundestag in Berlin | Verwendung weltweit
Frauenquote - "Wir können betriebliche Personalpolitik nicht vorgeben"
Die Regierungskoalition hat sich auf eine verbindliche Frauenquote in Vorständen geeinigt. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke hält das für den falschen Weg.


Das Interview im Wortlaut:
Sina Fröhndrich: Frage an Sie, überrascht es Sie, dass es jetzt so schnell geht mit der Quote für Vorstände?
Janina Kugel: Ich glaube, es gibt immer mal wieder Menschen, die haben ein gutes politisches Geschick und Gespür auch dafür, wann gesellschaftlicher Wandel wirklich nottut und wann sie auch in Erklärungsnöte kämen, um zu erklären: Nach all dem, was jetzt insbesondere überproportional viele Frauen betroffen hat in diesem Corona-Jahr, dann noch mal zu sagen, das interessiert uns nicht. Es gibt zwar immer noch welche, die das tun, aber man muss auch klar sagen: Es gibt Befürworter und Befürworterinnen der Quote auf beiden Seiten, in den konservativen Parteien wie aber auch in der SPD und den Grünen. Insofern hatten wir sehr dafür gehofft und waren gar nicht so überrascht.
Fröhndrich: Sie waren ja selbst im Vorstand bei Siemens auch ohne Quote. Warum brauchen denn andere Frauen die Quote, um in einen Vorstand aufzurücken?
Janina Kugel: Darum geht es eigentlich und diejenigen von uns, die auf der Pressekonferenz saßen, hatten das ja auch klar und deutlich gesagt. Wir machen das nicht für uns, weil unsere Karrieren sind, so würde ich doch mal sagen, recht weit gekommen oder am Ziel angekommen, sondern wir machen das für die nächste Generation, die kommt, weil wir wissen, dass die Entscheidungen nicht auf objektiv qualifizierbaren Kriterien liegen, weil wir wissen, dass Entscheidungen so getroffen werden, dass bestimmte Leute, nämlich diejenigen – und dazu gehören Frauen, aber natürlich auch viele andere -, nicht den Entscheidern entsprechen. Und dadurch, dass die Psychologie von einem Ähnlichkeitsmerkmal spricht – wir Menschen mögen immer gerne Menschen, die uns ähnlich sind – und weil wir den allermeisten weißen heterosexuellen Männern nicht entsprechen, werden wir auch weniger häufig gewählt. Und wie gesagt: Das gilt für Frauen als auch für andere.
"Nur Mut!"
Fröhndrich: Oder gibt es vielleicht auch zu wenig Frauen?
Kugel: Nein! Die Partline ist voll. Es gibt unterschiedlichste Studien, die ganz klar belegen, dass wir in den ersten und zweiten Ebenen unter Geschäftsführung oder Vorstand doppelt so viele Frauen haben, so rund um die 20 Prozent, als sie momentan in Vorständen repräsentiert sind.
Fröhndrich: Was sagen Sie denn aber dann den Frauen, die in Zukunft wahrscheinlich doch mit der Bezeichnung Quotenfrau klarkommen müssen? Wie sollen die damit umgehen?
Kugel: Sie können ja mal schauen in Wikipedia, was die Definition von Quote ist, und Quote ist nichts anderes als ein Teil am Ganzen. Wir sind alle auch heute schon eine Quote, ein Teil von einem Ganzen und es liegt an uns, aus dieser sprachlichen Konnotation, die negativ gefärbt ist, eine positive zu machen. Zum anderen würde ich Ihnen ganz einfach sagen: Es gibt viele Gründe, warum Sie einen Job bekommen, warum Sie in einer Position sind. Zum Schluss entscheiden da, wie schon gesagt, viele Kriterien, auch dieses "passt mir die Person", "mag ich diese Person" und dergleichen. Und wenn Sie in dem Job sind, auch selbst wenn jemand behauptet, Sie sind reingekommen wegen einer Quote – in dem Moment, in dem Sie brillieren, in dem Moment, in dem Sie Ihren Job gut machen, fragt keiner mehr, wie Sie reingekommen sind. – Also nur Mut!
Zwei Männer in Anzügen und zwei Frauen in Kostümen stehen auf einer Treppe.
Gleichberechtigung im Beruf - Was Frauenquoten für Männer bedeuten
In der Bundesregierung bahnt sich ein Streit um Frauenquoten an. Die Debatte wird dabei oft hitzig geführt. Was bedeuten Frauenquoten eigentlich für Männer? Und sind sie überhaupt das beste Mittel, um Gleichberechtigung zu fördern?
Fröhndrich: Jetzt soll es ja nur die Vorgabe geben, dass es nur eine Frau am Ende ist. Das heißt, wir könnten uns auch einen Vorstand vorstellen, der besteht aus zehn Vorständen, und dann ist eine Frau die Maßgabe, die Vorgabe. Was kann denn eine Frau in so einem Vorstand überhaupt ausrichten?
Kugel: Da ist die Aussage von mir und von uns relativ platt: Wenig! – Die Forschung zeigt ganz klar, dass sie immer 30 Prozent einer sogenannten Minderheit benötigen, um tatsächlich auch die Kultur in einer Gruppe zu verändern. Der Gesetzesvorschlag, der jetzt vorgelegt wurde und den wir natürlich auch begrüßen, sieht natürlich vor, dass diese eine Frau ab Vorständen von vier zutage tritt, und dann würden wir bei vier Vorständen und einer Frau bei einer Neubesetzung immerhin von 25 Prozent sprechen. Dann sind Einflussmöglichkeiten da. Aber unser Wunsch und unsere Forderung geht weiter.
"Es ist sicherlich ein Anfang"
Fröhndrich: Das heißt, eine tatsächlich kulturelle Veränderung sollten wir vielleicht mit dieser Vorgabe noch nicht erwarten?
Kugel: Es ist sicherlich ein Anfang. Es ist ein ganz wichtiges Zeichen. Es ist ein Signal. Aber wenn Sie die Studien befragen, dann brauchen Sie 30 Prozent, um wirklich kulturelle Veränderungen zu haben.
Fröhndrich: Jetzt ist es so, dass meist mit der Frauenquote ja auch eine gewisse Erwartungshaltung mitschwingt. Man erhofft sich ja, dass sich Führungsetagen verändern, vielleicht auch familiärer werden, sozialer. Das schwingt da manchmal ein bisschen mit. Wird da nicht auch ein bisschen viel in Frauen hineinprojiziert?
Kugel: Na ja. Frauen sind ja nicht per Definition die besseren Menschen als Männer und das muss man auch ganz fair so sagen. Es gibt aus jeder Gruppe Gute und es gibt aus jeder Gruppe Schlechte. Aber es ist richtig, dass diversere Teams natürlich auch andere Entscheidungen treffen und auch Entscheidungen treffen, die für breitere Menschen in der Bevölkerung gelten, und das erhoffe ich mir auch. Aber auf der anderen Seite ist es ja nicht so, dass Männer solche Entscheidungen nicht auch treffen könnten. Nur bislang haben wir sie zu wenig gesehen.
Fröhndrich: Sie haben das jetzt auch schon angedeutet: Sie sehen das jetzt als einen Anfang. Was sehen Sie denn darüber hinaus noch an Regelungsbedarf? Wie können wir vielfältigere Führungsetagen erreichen? Gehören da noch andere Quoten dazu? Es gab mal die Diskussion über eine Ossi-Quote, Quereinstieg könnte eine Rolle spielen. Was schwebt Ihnen da vor?
Kugel: Wenn gemischtere Teams Führungsentscheidungen treffen oder Entscheidungen treffen, die für Organisationen, für große Teams unterschiedliche Wirkungen haben, dann wird sich natürlich auch Vielfalt in anderen Ausprägungen dort wiederspiegeln, und das ist die große Hoffnung und das sind übrigens aber auch die Erkenntnisse, auf die wir setzen. Wenn es aber um die Gender-Thematik geht und um die Frage, warum sind Frauen nicht überall so repräsentiert, dann müssen wir natürlich breiter schauen in strukturelle Themen in Deutschland, die das letztendlich auch verhindern. Dann sind wir beim Thema Ehegattensplitting, wir sind bei der Frage, wie viele Vätermonate sind verpflichtend in der Elternzeit, um den maximalen Betrag auch zu bekommen, beitragsfreie Krankenversicherung – sprich welche Hürden bestehen, damit Frauen voll erwerbstätig sind. Denn gut ausgebildet sind die Frauen in Deutschland.
"Gesellschaft muss sich ändern"
Fröhndrich: Das heißt, die Quotierung ist da am Ende ein Mosaikstein, wenn ich Sie richtig verstehe, von einem Gesamtpaket?
Kugel: Ein Stein, ein wichtiger Anstoß und hoffentlich auch ein klares Verständnis von vielen, dass sich Gesellschaft ändern muss und dass in der Gesellschaft, sprich in der Bevölkerung auch tatsächlich der klare Appell besteht, dass wir Dinge angehen müssen und nicht mehr weiter so machen können.
Fröhndrich: Jetzt ließe sich ja auch einwenden, von einer Quote profitieren nur ganz bestimmte Frauen: die, die gut vernetzt sind, die schon einen bestimmten Background haben, die vielleicht einfach auch schon privilegiert sind. Was bringt denn einer jungen Frau, die vielleicht Bildungsgerechtigkeit bisher im Leben nur als hohles Schlagwort erlebt hat, was bringt der eine Quote, was hat die davon?
Kugel: Sie haben vollkommen recht. Das betrifft natürlich nur eine ganz kleine Gruppe von Menschen. Aber das ist die Gruppe, die in jedem Land und auch bei uns die Entscheidungen treffen für eine ganz große Gruppe, sprich auch für die Bevölkerung. Und die Hoffnung, die wir reinsetzen, und das, was wir aber auch gesehen haben, ist, dass dann Ungerechtigkeiten verkleinert werden, dass Chancengerechtigkeit für die junge Dame, die Sie fiktiv angesprochen haben, dann auch darin besteht, dass der Horizont erweitert wird. Aber wir sind wieder bei dem, was Sie selber gesagt haben: Es ist ein Mosaik von vielen und ich glaube, es gibt auch ganz viele Hebel, die jetzt weit über das hinausgehen, was Organisationen, öffentliche oder Privatwirtschaft, bewirken können.
Fröhndrich: Wenn wir noch mal auf einen vielleicht fiktiven jungen Mann schauen? Was sagen Sie dem, wenn der jetzt befürchtet, dass er in Zukunft ja durchs Raster fällt wegen seines Geschlechts?
Kugel: Da sind wir wieder bei der Mathematik. Wenn das ganze 100 Prozent sind und wenn die maximale Forderung, die bislang für irgendwelche Quoten im Raum stand, oder für den Aufsichtsrat bei 30 Prozent gilt, dann würde ich dem jungen Mann sagen, mit 70 Prozent ist immer noch deutlich mehr als die Hälfte drin. Ich glaube, die Sorge ist ziemlich unbegründet.
"Ich glaube, es sollte ganz klar auch Sanktionen geben"
Fröhndrich: Jetzt stehen die Details auch noch nicht fest. Welche Eckdaten wären aus Ihrer Sicht wichtig? Ab wann sollte diese Quotierung gelten? Sollte es Strafen geben? Wie sollten die ausfallen?
Kugel: Ja, die Definitionen – und seien es nur Details – werden jetzt in den Regierungsgruppen diskutiert. Das Gesetz soll dann auch mit der nächsten Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden. Das ist zumindest jetzt mal mein Kenntnisstand.
Ja, ich glaube, es sollte ganz klar auch Sanktionen geben, weil wir haben in den letzten 20 Jahren gesehen, dass die sogenannte Selbstverpflichtung der Wirtschaft zu wenig Änderungen geführt hat, und dass es bislang auch überhaupt keinen Aufschrei gibt, wenn zum Beispiel die Zielgröße null kommuniziert wird, und das muss man sich einfach auch mal, sage ich jetzt mal, in den Ohren zergehen lassen. Zielgröße null bedeutet, wir haben keine Frau und wir beabsichtigen auch überhaupt gar nicht, eine Frau in unseren Reihen zu haben. Das ist ein Signal, von dem ich sage, da muss es eine klare Begründung geben. Das hören wir aus Unternehmen, aber das hören wir, wie Sie ja auch gesehen haben, von einigen Politikern.
Fröhndrich: Ich denke jetzt an ein Unternehmen wie Zalando, das ja eindeutig Endkunden, Endkundinnen erreichen will. Wundert Sie das, dass es da auch keine Sanktionierung von der Seite her gibt für eine Zielgröße null im Vorstand?
Kugel: Zalando hat ja seine Zielgröße immerhin verändert und ich kenne natürlich nicht die Interna dessen, wie sie zu dieser Entscheidung gekommen sind. Aber natürlich haben wir als Konsumentinnen auch die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, und das ist das, was ich immer wieder sage, zu allen Menschen in allen unterschiedlichen Bereichen. Wenn Du etwas möchtest und wenn Du etwas erreichen möchtest, dann musst Du auch Deinen Teil dazutragen. Wenn einen das stört, dann muss man sich überlegen, wo man kauft und wo man nicht kauft, und da gibt es viele Unternehmen – Zalando ist da nur ein Beispiel. Und wie gesagt: Zalando ist auf einen Weg gegangen. Jetzt muss man schauen, ob sie die Zielgröße, die sie sich vorgenommen haben, auch erreichen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.