Jahrelang hat die Bundesregierung darüber debattiert, Ende November letzten Jahres kam dann endlich der Gesetzentwurf, den das Bundeskabinett am Mittwoch (6.1.2021) gebilligt hat: Bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen muss ab 2022 mindestens eine Frau im Vorstand sein – vorausgesetzt dieser Vorstand hat mehr als zwei Mitglieder. Ist der Bund mehrheitlich an dem Unternehmen beteiligt, ist die Regel etwas strenger, da gilt sie schon bei zwei Vorstandsmitgliedern.
Insgesamt gibt es in Deutschland allerdings nur rund 70 Unternehmen, auf die das überhaupt zutrifft. Und knapp 30 von denen haben bisher keine Frau im Vorstand. Mit 30 Vorstandsfrauen mehr werde auch noch längst keine Parität erreicht, betont Nicole Voigt, Managing Director und Partnerin im Düsseldorfer Büro der Boston Consulting Group und Leiterin der Women‘s Initiative in Düsseldorf. Dafür brauche es etwa 175 Frauen mehr. Doch das Gesetz sei ein erster Schritt.
Sabrina Loi: Da wurde also ein Gesetz verabschiedet, das Stand jetzt nur für rund 30 Unternehmen Konsequenzen haben wird. Wie schätzen Sie da die Wirkung ein?
Nicole Voigt: Erst mal muss man sagen, es ist natürlich gut, dass das Gesetz gebilligt wurde. Man kann ja auch historisch sagen, wo das Gesetz schon länger in Kraft ist, beim Aufsichtsrat, hat es ja eine Wirkung gezeigt. Jetzt muss man natürlich sagen: Was ist dann auch die Wirkung für die Vorstände? Und wie Sie richtig gesagt haben, es trifft da auf 29, 30 Unternehmen zu. Wir haben ja momentan einen Prozentsatz von 10 Prozent Frauen im Vorstand. Wenn dann in der Tat 29 Frauen berufen werden, kämen wir auf 15 bis 16 Prozent. Das ist natürlich noch weit weg von der Parität, aber ich glaube, es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. In Summe bräuchten wir, um die Parität zu erreichen, ungefähr 175 Frauen mehr in den Vorständen in Deutschlands Unternehmen, aber da werden wir hoffentlich auch noch hinkommen.
Loi: Was muss denn dafür passieren? Sie haben ja für die Boston Consulting Group verschiedene Untersuchungen zu der Thematik gemacht. Was kam dabei raus? Was wäre tatsächlich nötig, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen, auch in mehr als diesen wenigen Unternehmen, die jetzt von diesem neuen Gesetz betroffen sind?
Voigt: Ich glaube, es fängt immer damit an, Transparenz zu schaffen, also in den einzelnen Unternehmen zu sehen, wie viele Frauen oder auch Menschen mit diversen Hintergründen stelle ich auf meinen Einstellungsniveaus ein und wie ist das dann auf den einzelnen Ebenen. Dann geht das weiter: Anreize schaffen. Einerseits bei den Unternehmen: Wie mache ich Jobsharing beispielsweise möglich auf Führungsebenen? Natürlich kann die Politik auch Anreize setzen, da ist immer wieder das Thema Ehegattensplitting. Aber dann geht es weiter: Wie sorge ich auch für Verbindlichkeit in den Unternehmen? Wenn Sie sich mal anschauen, was erfolgreiche Firmen, auch in anderen Ländern, machen: Die verknüpfen teilweise die Vorstandsvergütung mit Diversitätszielen. Und das zeigt dann Wirkung. Und da komme ich zu meinem letzten Punkt, das ist, konkrete Zielvorgaben dem Management im Unternehmen zu geben. Ich glaube, wenn wir das machen, kommen wir einen Schritt voran.
Loi: Wenn wir die Zielvorgaben hätten, gäbe es denn überhaupt genug Frauen auf den unteren Ebenen, die aufgrund ihrer bisherigen Karriere überhaupt dafür infrage kämen für den Job?
Voigt: Das ist eine sehr gute Frage, die wird uns auch oft gestellt. Glücklicherweise konnten wir das Ende letzten Jahres untersuchen, weil viele Unternehmen jetzt auch ihren Frauenanteil auf der ersten Ebene unter dem Vorstand und auf der zweiten Ebene unter dem Vorstand publizieren. Wenn man sich diese Zahlen anschaut, muss man ganz klar die Antwort geben: Ja, es gibt diese Frauen, und zwar gibt es auf den Ebenen darunter ungefähr doppelt so viele Frauen prozentual wie im Vorstand. Im Vorstand haben wir im Durchschnitt zehn Prozent, auf den unteren Ebenen 20 Prozent. Damit konnten wir beweisen, dass eigentlich die Frauen da sind, das ist natürlich auch ein gutes Statement.
Loi: Müssten diese Frauen denn irgendwas tun, müssen die deutlicher machen, dass sie auch wirklich führen können und wollen, um dann auch wirklich aufsteigen zu können?
Voigt: Ja, ich glaube ganz klar, wir können uns nicht nur auf Politik und Quote und Zielvorgaben zurücklehnen. Ich glaube, da braucht es auch einen Schritt von uns als Frauen nach vorne. Das fängt sicher damit an, dass ich mich persönlich nach vorne stelle, dass ich sage, ja, da möchte ich mitmachen, die Bühne suchen, Vorträge halten. Natürlich geht es dann weiter, wie komme ich in Netzwerke rein, wie mache ich das auch in den Unternehmen, was sind wichtige Verbände, wo ich reinschauen kann. Und natürlich kommt immer wieder die Frage nach dem Mentor, wenn ich am Anfang meiner Karriere stehe, wie kann ich meinen Mentor nutzen, um da voranzukommen. Und dann hat man vielleicht später selber Mentees wie ich zum Beispiel in meiner Firma. Wie kann ich auch Frauen fördern und denen eine Bühne geben. Alles in allem, sage ich mal, wir Frauen müssen uns auch etwas zutrauen und da nach vorne springen und sagen. Ja, ich kann, ich will.
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