Buenos Aires vor drei Tagen. Der Ehrenpräsident des Weltvolleyballverbandes Jizhong Wei schlägt auf dem Verbandskongress den Delegierten vor, den amtierenden Präsidenten, den Brasilianer Ary Graca per Akklamation für die nächsten acht Jahre wieder zu wählen.
Die Delegierten klatschen, die Wiederwahl von Graca ist damit beschlossen. Der 73-Jährige spricht von einer goldenen Ära des Volleyballs.
Von den Frauen im Iran, die im Februar vergeblich versuchten, beim Beachvolleyballturnier der World Tour zuzuschauen und die zum Teil Repressalien erdulden mussten, ist keine Rede.
Kein Druck vom Weltverband
Für Minky Worden von der Menschrechtsorganisation Human Rights Watch passt das nicht zusammen: "Es ist kein goldener Moment für den Sport, wenn Frauen und Mädchen per Gesetz davon ausgeschlossen sind in der Öffentlichkeit Volleyballspiele zu schauen. Es ist eine Menschenrechtsangelegenheit, eine Frage des internationalen Rechts. Die FIVB trägt die Verantwortung dafür, dass ihre eigenen Wettbewerbe nicht von solch hässlicher Diskriminierung geprägt sind."
Der Weltverband hätte unbedingt Druck auf die iranischen Organisatoren ausüben müssen, betont Worden - entweder die Frauen erhielten Zutritt oder es gebe keine weiteren Turniere mehr.
Dass dieses Thema beim Kongress in Buenos Aires nicht auf der Agenda stand, bedauert auch Kaweh Niroomand, Manager des deutschen Serienmeisters Berlin Volleys. "Ich finde diese Art der Führung dieser Verbände - ob es jetzt der Volleyballverband ist oder der Fußballverband ist - grundsätzlich nicht gut. Ich glaube auch, dass es genau diese Punkte sind, die es bei den Menschen gerade in den offenen Gesellschaften einfach eine große Kritik und Skepsis der breiten Bevölkerung hervorrufen gegenüber diesen Verbänden."
Eine Chance wurde verpasst
Die für mehr Transparenz sorgen müssten, damit die Akzeptanz nicht weiter schwindet: "Ich glaube diese Haltung, dass man nicht transparent ist, dass man nicht ehrlich mit den Vorgängen umgeht, dass man nicht Sachen öffnet und möglicherweise auch noch große individuelle materielle Interessen im Hintergrund stehen, genau das sind die Probleme, die leider dazu führen, dass viele Menschen gegenüber diese großen Sportereignissen eine sehr kritische Position inzwischen eingenommen haben."
Kaweh Niroomand stammt aus dem Iran. Gerade weil die innenpolitische Lage mit den vielen unterschiedlichen Strömungen so diffus ist, hätte er sich eine klare Haltung des Weltverbandes gewünscht. Das hätte die liberalen Kräfte im Land gestärkt. Diese Chance wurde verpasst.
Bei einem anderen Sportereignis, das im kommenden Februar stattfindet - die Schachweltmeisterschaft der Frauen - findet er Boykottgedanken von Spielerinnen wiederum nicht geeignet, wenn es um die Unterstützung der Frauen geht. Die Vergabe des Weltverbandes FIDE vor gut zwei Wochen wird von einigen der 64 Teilnehmerinnen scharf kritisiert. Denn sie können nur mit dem Hidschāb, der im Iran vorgeschriebenen Verhüllung teilnehmen. Wer kein Kopftuch trägt, dem drohen Geld- oder Haftstrafen.
"Der Wettbewerb muss woanders stattfinden"
Für Minky Worden von Human Rights Watch ist das inakzeptabel: "Es sollte eine einfache Entscheidung sein: Es gelten überall die gleichen Standards. Das heißt nicht man zwingt Frauen, die sich mit den Kleidungsvorschriften nicht wohlfühlen, dazu den Hidschāb zu tragen. Sondern d.h. der Wettbewerb muss woanders stattfinden."
Deutschland beste Schachspielerin Elisabeth Pähtz sieht das anders. Ideal sei der Iran als Austragungsland zwar nicht, aber: "Der iranische Schachverband rettet das Turnier, in dem er es ausrichtet, weil wir hatten keinen Ausrichter, wir hatten keine Sponsoren und keine anderen Bewerber gehabt. "
Die 31-Jährige Thüringerin, Tochter des früheren DDR-Meisters Thomas Pähtz will zum Turnier reisen, rechnet sich auch eine kleine Chance aus zu gewinnen. Die vorgeschriebene Verhüllung akzeptiert sie. Ihr ist noch etwas anderes wichtig: die Unterstützung der iranischen Kolleginnen. Diese baten im britischen Guardian ausländische Sportlerinnen trotz der strengen Sittenregeln zu kommen. Sie betonten: Gerade dadurch würden Frauen im Iran nicht geschwächt, sondern gestärkt.
"Das kann ich auch verstehen, weil wenn man so ein hochkarätiges Turnier in ein Land wie den Iran bringt, ist es vielleicht auch ein Schritt Richtung Modernisierung, weil es dann eben auch gezeigt wird, es geht um die Frauen, die im Vordergrund stehen."
Keine Männer und Frauen gemeinsam auf einem Zimmer
Allerdings sieht Elisabeth Pähtz ein ganz anderes Problem: "In Bezug auf die Betreuung vor Ort, weil wir sind es gewohnt, mit männlichen Trainern vor Ort anzureisen und so wie ich gehört habe, dürfen Männer und Frauen nicht zusammen auf den Zimmern sein und da könnte es natürlich sein, dass es da Probleme geben wird, weil wir uns alle auf unsere Gegnerin vorbereiten wollen und das nicht in der Öffentlichkeit tun möchten."
Da hofft Deutschlands beste Schachspielerin, dass der Weltverband FIDE noch eine Lösung findet. Und vielleicht doch noch Politik macht. Bisher fühlen sich einige im Stich gelassen bei der für sie heiklen Entscheidung Teilnahme mit Verhüllung oder nicht. So oder so wird von ihnen damit ein politisches Statement zum Thema Frauenrechte abverlangt. Die meisten würden sich lieber ganz auf ihre sportlichen Ambitionen konzentrieren.