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Frauenrudertour auf der Mosel
In zwei Dutzend Flussschleifen nach Koblenz

Zwölf Frauen fahren vier Tage lang mit drei Ruderbooten die Mosel abwärts - insgesamt 120 Kilometer. Ziel ist Koblenz. Unterwegs passieren sie steile Weinberge und kleine Ortschaften, aber auch etliche Schleusen. Und entdecken das Besondere daran, Fluss und Land aus der Wasserperspektive wahrzunehmen.

Von Gaby Reucher |
    Reil an der Mosel.
    Eine Etappe ging bis Reil an der Mosel. (imago/mm)
    "Schön, dass ihr alle mitfahrt Mädels. Heue haben wir eine Tour von 25 Kilometern. Wir rudern bis Reil. Unten kommen wir an und brauchen nur über die Straße zu gehen und schon sind wir in unserem Hotel. Und nun zur Bootseinteilung: Die Giesela Gruhn bekommt den Friedrich Förster, mit der Monika und …"
    Wir sind zwölf Frauen und haben uns vorgenommen vier Tage lang mit drei Ruderbooten die Mosel abwärts zu rudern. Insgesamt 120 Kilometer bis Koblenz. Es ist die erste reine Frauentour, die ich mitmache, denn lange Zeit gab es gar keine Frauentouren mehr in unserem Club. Los geht es in Zeltingen bei Kilometer 123. Die Boote sind vom Hänger geladen und liegen im Wasser. Gerda Kothe, die alles organisiert hat, gibt noch letzte Anweisungen.
    "Nicht auspowern heute. Also keinen falschen Ehrgeiz, wir rudern gemäßigt, dann sind wir heute Abend nicht schon tot."
    Fünfmal die Woche bietet der Club für Wassersport in Köln Porz Rudertraining an. Dabei geht es nicht darum sportliche Wettkämpfe zu bestreiten, sondern ausdauerndes Wanderrudern zu trainieren, um fit zu sein für Touren auf Seen und Flüssen.
    Der Schlag ist gleichmäßig. Wohin das Auge schaut: steile Weinhänge auf der einen, kleine Ortschaften und Felder auf der anderen Seite. Wir rudern vorbei an dem bekannten Weinort Ürzig. Einige Kilometer weiter ragt die Ruine Wolfer Kloster hinter einem Berg hervor. Nicht weit davon liegt der Ort Kröv mit seinen alten Fachwerkhäusern, wo wir erst einmal Rast machen.
    Der erste Geschicklichkeitstest kommt bei der Schleuse
    Rückwärtsfahrer werden die Ruderer oft von Kanuten und Kajakfahrern spöttelnd genannt, weil sie – bis auf Steuermann oder Steuerfrau – mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen. Was bei den Kanuten die Paddel sind, nennt man bei den Ruderern Skulls. Die Füße gegen das Stemmbrett gedrückt: und der Körper rollt beim Zug nach hinten. Dabei soll die Kraft aus den Beinen kommen. Je gleichmäßiger und einheitlicher der Schlag, desto weniger Kraft wird vergeudet.
    In der Moselschleife ziehen unsere drei Ruderboote vorbei an dem belebten Touristenort Traben-Trarbach mit der Ruine Grevenburg. Der erste Geschicklichkeitstest kommt gleich danach bei der Schleuse in Engkirch.
    Die kleinen Bootsschleusen muss man selbst mit einem Hebel in Gang setzen, gar nicht so einfach. Die Schleuseneinfahrt ist jedes Mal aufregend. Auf engem Raum müssen möglichst viele Boote ihren Platz finden und dürfen sich dabei nicht verkeilen. Man will ja nicht gleich kentern.
    Giesela: "Das Tor geht auf". "Voraus, aber Steuerbord achten, halbe Kraft…" Gerda: "Wir machen das wirklich nicht schlecht, ich glaube die Männer haben das teilweise schlechter gemacht."
    Gerda ist stolz, denn alles alleine schaffen, ohne die Männer, das war mit ein Grund, warum sie die Frauentour überhaupt wieder ins Leben gerufen hat. Am Abend im Reiler Hotel frage ich, was all diese Frauen daran reizt, nur mit Frauen unterwegs zu sein. Bei Gerda ist es ein gewisser Ehrgeiz.
    "Es war so, dass unsere Männer ja immer auf Herrentour gehen. Die Herrentour besteht schon seit 50 Jahren und da wird ein ziemlicher Kult drum gemacht: Da gibt es ein Sommerfest zur Herrentour, es gibt ein Heringsessen zur Herrentour und die Krönung war, dass auch noch ein Boot Herrentour hieß und das hat mich dann doch ein bisschen provoziert, dass ich dachte, jetzt müssen wir Frauen dagegen halten."
    In den Archiven des Clubs für Wassersport Porz gibt es das Protokoll einer Vorstandssitzung von 1929. Damals wurde lange darüber diskutiert, ob es möglich sein sollte, gemischte Boote mit Männern und Frauen zu fahren. Der Entschluss:
    "Im Prinzip bleibt das bisherige Verbot gemischt zu fahren bestehen. Tritt jedoch der Notfall ein, dass im Augenblick nicht anders gefahren werden kann, so wird dieses Verbot, jedoch immer nur jeweils für diesen einzelnen Fall, aufgehoben."
    Was Steuerneulinge am meisten verwirrt
    Auch in den 50er-Jahren wurde noch getrennt gefahren. Doch die jungen Mitglieder haben nicht viel auf dieses Verbot gegeben, weiß Giesela Schumacher vom Hörensagen. Sie selbst rudert schon seit 50 Jahren.
    "Man tauschte dann, wenn man außerhalb des Clubs war, die Bootsplätze und dann wurde gemischt gerudert und dann anderthalb Kilometer vor dem Ruderclub ging man wieder an Land und es wurde Männlein und Weiblein getrennt und das muss ja wohl lächerlich gewesen sein."
    Heute rudern Frauen und Männer beim Club für Wassersport Porz selbstverständlich gemeinsam. Warum also jetzt wieder eine reine Frauentour?
    Monika: "Spaß an der Freud. Ich find's auch gerade mal gut nur mit Frauen" Gerda: "Also für mich ist das auch mal eine große Herausforderung, das als Frau alleine zu bewältigen. Wir haben Männer, die das gut können, Boote anlegen, festmachen und das ganze Drumherum. Das muss man jetzt selber machen." Karin: "Ich stelle fest, dass ich vieles unterbewusst schon kann und bin auch sehr stolz auf mich, dass ich vieles richtig mache." Christine: "Frauen sehen, was und wo eine Hand fehlt. Die Männer sehen das nicht, das war schon immer so" Karin: "Die Männer können nur eine Sache machen." (Lachen)
    Nicht, dass der Eindruck entsteht, es werde über Männer gelästert. Eigentlich geht es den meisten vielmehr um das Gemeinschaftsgefühl.
    Gradjina: "Beim Rudern habe ich erst verstanden, was dieser Spruch bedeutet, wir sitzen alle in einem Boot. Da habe ich den Sinn des Wortes verstanden." Sonja: "Die Truppe, ich finde das so nett vom Alter her, wir sind alle gemischt und jeder findet so seinen Platz."
    Giesela Schumacher: "Es will sich niemand hervortun, sondern jeder versucht mit den andere zusammen etwas zu machen und das im gleichen Rhythmus" Sonja: "Bei den Männern, die sind ja auch immer kritischer. Man setzt sich ja selber schon unter Druck und möchte nicht 'abloosen'. Man ist befreiter, wenn man ohne die ist. Ich werde morgen auch versuchen zu steuern. Man muss ja auch mal alles lernen."
    Wie heißt es da so schön in einem alten Sprichwort aus dem sechsten Jahrhundert vor Christi von dem chinesischen Philosophen Laotse:
    "Lernen ist wie Rudern gegen den Strom - sobald man aufhört, treibt man zurück"
    Zum Glück fahren wir mit dem Strom, aber auch dabei kann man viel lernen. Und tatsächlich ist es auf der Wandertour mit den Frauen entspannter als bei den wöchentlichen Fahrten auf dem Rhein. Gerade die älteren – einige sind schon über 70 - kennen die Moseltour bereits und sie wissen, wie man so ein Ruderboot richtig steuert. Denn auch ich nutze die Gelegenheit Steuern zu lernen. Giesela Gruhn erzählt, was Steuerneulinge am meisten verwirrt.
    "Die größte Sache ist, dass man Steuerbord und Backbord richtig benennt, weil man nämlich als Ruderin rückwärts rudert und dann ist die Steuerbordseite nicht auf der rechten Seite, wo sie hingehört, sondern links. Und wenn man dann am Steuer sitzt, dann möchte man das so sagen, wie man das als Ruderin gewöhnt ist also da muss eine Veränderung im Kopf vorgehen."
    Wer sich umdreht bringt gleich das ganze Boot in Schieflage
    Am Steuer merke ich erst, wie sich die eigenen Fehler beim Rudern auf das Boot auswirken. Wer sich umdreht, um die Landschaft zu bewundern, bringt gleich das ganze Boot in Schieflage. Ich gebe zu, auch ich bin ein Landschaftsgucker, erst recht, wenn es durch die herrliche Landschaft der Mittelmosel geht. Links und rechts am Ufer die Weinhänge mit lustigen Namen wie Kröver Nacktarsch, Zeller schwarze Katz oder Neefer "Frauenberg" - wie passend für uns.
    So mancher Winzer hat es geschafft, selbst in steiler Schieflage noch einen Unterstand zu bauen. Da gibt es kleine Steinhäuschen, Holzhütten oder auch nur ein Sonnensegel, das die Weinbauern vor der Hitze schützen soll. Einer hat sogar ein großes ausgedientes Weinfass zur Hütte umgebaut.
    Vor der nächsten Schleuse in St. Aldegund überholt uns ein Frachter und wir stellen uns bereits auf eine Wartezeit ein. Wir haben Glück und werden vor dem großen Frachter eingelassen. Bei der Ausfahrt schmettert Giesela den Dank an den Schleusenwärter, den ich bis dahin noch nicht kannte:
    "Wir singen mal eben: Wir danken dem lieben Schleusenwärter mit einem dreifachen kräftigen Hip Hip Hurra, Cha cha cha uh". Wenn die Sonne scheint, glitzert der braune Schiefer, jeder Fleck wird für den Weinanbau genutzt. Erstaunlich, dass auch die steilsten Hänge noch bepflanzt sind. Ich stelle es mir sehr schwer vor, in diesen steilen Lagen noch die Ernte einzufahren, werde aber am zweiten Abend in Reil von Winzerin Leane Barzen, die auch eine Straußwirtschaft betreibt, eines besseren belehrt. Sie arbeitet lieber in den Steilhängen.
    "Wenn man im Flachland arbeitet: Die Trauben und die Arbeit sind ja nicht immer in Augenhöhe und der Rücken, der tut den ganzen Tag weh. Stehen sie am Steilhang, man steht ja auf dem Schiefer, und da tritt man sich selber eine Treppe hinein und man steht den ganzen Tag gerade vor dem Rebstock, und deshalb arbeiten wir alle lieber in der Steillage als im Flachland."
    Seit über 500 Jahren betreibt ihre Familie schon auf 3,2 Hektar Rebfläche den Weinanbau in der Reiler Gegend. Mittlerweile haben ihre Tochter und ihr Schwiegersohn den Betrieb übernommen.
    "Das besondere an Reil ist, das Tal ist sehr eng und daher war hier der Riesling immer vorherrschend und wird auch meist fast im Steilhang nur angebaut. Es gibt wenig Flachland wo wir den Rivaner und den Dornfelder anbauen."
    Leane Barzen zeigt mir die großen Fässer im Weinkeller. Hier sind es im Sommer wie Winter erfrischende acht Grad. Die Fässer sind mit Ketten gesichert, damit sie sich nicht im Wasser drehen können, denn die Mosel tritt oft über die Ufer.
    "In der Zeit, in der ich hier wohne, habe ich meine Wohnung schon 17 Mal beim Hochwasser ausgeräumt. Der Wein liegt im Keller und der Keller ist jedes Jahr mehrmals unter Wasser und wo viele Winzer sehr viel Geld ausgeben müssen, um ihre Weine zu kühlen, macht das bei uns die Mosel auf ganz natürliche Weise."
    Technisch gute Ruderer kriegen eine gute Rückenmuskulatur
    Am dritten Rudertag verlassen wir den Weinort Reil. Unsere Tour geht weiter von Poltersdorf nach Burgen. Wir passieren viele nette kleine Orte im Vorbeirudern. So etwa das Städtchen Beilstein, das auch "Dornröschen an der Mosel" genannt wird. Die schöne Kirche und die Burg sehen wir nur von untern, aber auch das hat seinen Reiz. Die Burgen der Mosel wirken aus dieser Perspektive besonders erhaben. Für eine Ortsbesichtigung ist leider keine Zeit. Auch die Kreisstadt Cochem mit dem Kapuzinerkloster und der Reichsburg lassen wir später im wahrsten Sinne des Wortes links liegen.
    Frauen tragen ein Boot, im Hintergrund die Mosel. 
    Frauenpower auf der Mosel. (Deutschlandradio/G. Reucher)
    Es hat schon etwas besonderes, einen Fluss und die anliegenden Orte aus einem Boot so dicht über der Wasseroberfläche wahrzunehmen: Die Enten, die mit ihren Kleinen Schutz an der Uferböschung hinter überhängenden Zweigen suchen oder Fischreiher, die starr auf ihre Beute lauern. Mal müssen wir uns durch Wellen von Ausflugsdampfern und Motorbooten kämpfen, mal rudern wir gegen den Wind und dann wieder treiben wir in seichtem Wasser dahin. Gerade die Abwechslung auf einem Fluss macht den Rudersport reizvoll. Aber natürlich ist es auch die sportliche Herausforderung, wie die Frauenrunde am Abend im Hotel bestätigt.
    Iris "Ich finde am rudern immer sehr schön, dass man den Sport in der Natur betreibt." Gerda:"Gerade beim Rudern kommt es ja auf den gemeinsamen Schlag an. Es ist nicht einfach, sich immer nach einem Schlagmann zu richten. Christine: "Das ist kein Unterordnen, sondern ein Einordnen in eine Mannschaft." Giesela :"Und es ist körperliche Herausforderung. Wenn man technisch gut rudert, gibt es eine ganz gute Rückenmuskulatur."
    Gerda: "Man merkt, wie alles straff wird und man baut Muskeln und Kondition beim Rudern auf."
    Zu dieser Einstellung passt auch das Ruderlied, das im Club für Wassersport einst als Parodie auf das Werberlied aus der Operette "Der Zigeunerbaron" von Johann Strauss gedichtet wurde: Die Älteren sind textsicher und stimmen das Lied zu später Stunde an:
    "Leute treibet Wassersport, dann lebt ihr gesünder ..."
    Wenn die Plätten im Takt durch das Wasser gleiten, hat das Rudern für viele von uns etwas Meditatives. Bei einem gleichmäßigen Schlag könne man sich so schön entspannen, meint Karin Schloesser. Der Gleichklang, die Harmonie im Boot, das sei Musik in den Ohren. Sie schaut auch gerne beim Rudern zu: Wenn der Deutschland-Achter fährt und gleichmäßig die Skulls durchs Wasser zieht, dann ist das für sie wie Ballett. Sonja Müller kann das bestätigen:
    "Man lernt dann auch, was ich faszinierend finde, das Wasser: Wie die Wellen gehen, darauf zu achten. Du hörst nur das Wasser, das Gleiten der Skulls und bist manchmal völlig weg."
    Am letzten Tag stimmt Gerda die Frauen auf den nächsten Streckenabschnitt ein.
    "Ich hoffe, ihr habt alle gut geschlafen und seid fit für die letzten 28 Kilometer. Heute rudern wir von Burgen bis Koblenz. Ich hoffe, ihr seid auch alle traurig, dass es heute der letzte Tag ist? Jetzt geht’s noch an die Bootseinteilung."
    Nach der Mittagspause im Inselrestaurant auf der Winninger Insel mit einem herrlichen Blick auf die Mosel rückt das Ziel Koblenz in greifbare Nähe. Nur noch zehn Kilometer, das beflügelt den Schlag, wenn auch nicht immer gleichmäßig. Zum Glück ist an diesem Tag wenig Schiffsverkehr und so legen wir ohne besondere Vorkommnisse am Nachmittag in Koblenz bei Kilometer 3,6 an. Fast 120 Kilometer liegen hinter uns, alle sind froh, haben sich besser kennengelernt und einiges dazu gelernt. Giesela bringt es zum Abschluss auf den Punkt:
    "Seltsamerweise vergisst man hinterher, dass es doch mal geregnet hat oder dass da ein starker Gegenwind war, wo man sich eine Stunde abgequält hat. Man ist einfach froh und zufrieden mit sich selbst. Eigentlich kann ich sagen, es ist immer schön nach einer solchen Tour."