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Frauenwahlrecht in den USA
Künstlerinnen zu 100 Jahren Kampf um Gleichberechtigung

100 Jahre ist es her, dass der US-Kongress das Wahlrecht für Frauen beschlossen hat. Allerdings nicht für alle: Afroamerikanische Frauen zum Beispiel blieben zunächst weiter ausgeschlossen. Den Kampf um Gleichberechtigung haben nun in New York 100 Künstlerinnen beschrieben - und bilanziert.

Von Andreas Robertz |
Suffragetten Protest in den USA (04.02.1916). Eine Frau sammelt Geld für die Frauenwahlrechtsbewegung. Sie steht vor eine Kiste mit der Aufschrift: "Women of America! If you want to put a vote in in 1920 put a (.10, 1.00, 10.00) in Now, National Ballot Bo
Spendensammlung für die Gleichberechtigung: Weiblicher Protest in den USA 1916 (imago images / ZUMA Press)
Das historische Offizierscasino der Park Avenue Armory: in üppiger Holzvertäfelung eingelassene große Ölgemälde mit posierenden Generälen und Offizieren, altes Holzparkett und schwere schmiedeeiserne Lüster. An diesem Ort singt die afroamerikanische Performerin Jillian Walker vom Recht der Frauen, sich selbst zu definieren. Der Gegensatz ist voll herrlicher Ironie.
Mehr als 300 Gäste sind gekommen, fast alle Frauen. Ein besonderer Moment für Programmleiterin und Kuratorin Avery Willis Hoffman. In ihrer Initiative "100 Years – 100 Women" hat sie zehn wichtige New Yorker Institutionen zusammengebracht:
"In unseren Geschichtsbüchern feiern wir diesen Tag als großen Fortschritt. Dabei war die Situation sehr viel komplexer."
Staatsbürgerschaft verweigert
Afroamerikanische Frauen wurden weiter davon abgehalten, wählen zu gehen, einige mit Gewalt. Andere sollten Wahlsteuern zahlen und mussten Lesetests bestehen. Wahllokale wurden in Gegenden gelegt, die für Schwarze unerreichbar waren. Frauen "indianischer" Herkunft durften ohnehin nicht wählen, weil ihnen die amerikanische Staatsbürgerschaft verweigert wurde.
Heute ist der Fortschritt mit Händen zu greifen, das zeigen die beteiligten Institutionen wie das Metropolitan Museum of Art, das berühmte Apollo Theatre in Harlem, die New Yorker Universität oder das National Black Theatre. Für den künstlerischen Leiter des National Black Theatre, Jonathan McCrory, gehören auch Transgender-Frauen selbstverständlich dazu:
"Wer ist am verletzlichsten in unserer Gesellschaft? Es sind schwarze Trans-Frauen. Das bedeutet: Wir müssen diese Frauen ehren. Und zwar nicht mit 'Inspirationsporno', sondern mit einem Ort, an dem sie wirklich sein dürfen, wie sie sind."
Perspektiven durch Kunst
Auf zwei Etagen debattieren Historikerinnen, Filmemacherinnen, Regisseurinnen und Journalistinnen über den langen Weg von Gleichberechtigung und Inklusion: Wie lange es dauert von der Gesetzesinitiative bis dahin, dass sich politische Kultur tatsächlich verändert? Gleichzeitig hallt das ätherische Cello der Komponistin Amanda Gookin durch die Gänge. Oder der warme Gesang der schwarzen Performerin Abbie Dobson ist zu hören. Avery Willis Hoffman:
"Wir sind völlig überzeugt davon, dass Künstler eine andere Sicht auf diese Debatte haben. Im heutigen politischen Klima - und ehrlich gesagt im Klima der letzten 100 Jahre - waren es oft Künstler, die uns geholfen haben, neue Wege zu sehen. Das können weder Politiker noch Aktivisten."
"Womanofesto"
Höhepunkt des Tages ist der Vortrag des sogenannten "Womanofesto", einer Sammlung berühmter Reden von Frauen. Bekannte Schauspielerinnen wie Kathleen Turner, Laila Robbins und Lady Dane lesen sie. Hier ein Text der Transgender-Stonewall-Aktivistin Sylvia Rivera:
"I have had my nose broken. I have been thrown in jail. I have lost my job. I have lost my apartment - for gay liberation and all I wanted to say to you, people... Let’s do something for all of us, and not just men and women that belong to your white middle class club."
Kuratorin Avery Willis Hoffman hat nach diesem gelungen Beginn eigentlich nur noch eine Sorge: Wie sollen am 16. Mai die Arbeiten der hundert Künstlerinnen in die große Exerzierhalle passen? Dann nämlich wird der Geburtstag erst so richtig gefeiert.