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Freiburg
Chaos in der Dopingkommission

In der Dopingkommission gab es zuletzt zwei Rücktritte. Das Gremium soll die Verfehlungen der Universitätsmedizin beim Sportdoping aufklären.

Von Michael Brandt |
    Es ist ein bemerkenswertes Schriftstück: Der offene Brief, den vier verbliebene Mitglieder der Doping-Evaluierungskommission gestern an die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer geschickt haben. Zu lesen ist da unter anderem, dass Letizia Paoli, die Leiterin der Kommission - Zitat - ein Glücksfall für die Dopingaufklärung in Deutschland ist. Und dass die vier Kommissionsmitglieder die Kritik der beiden zurückgetretenen Mitglieder als unzutreffend zurückweisen.
    Eine Kritik, die es freilich in sich hat. Der Münchner Strafrechtler Heinz Schöch, der ein Gutachten über die rechtlichen und finanzielle Aspekte des Dopings in Freiburg geschrieben hat, kritisiert zum einen Letizia Paoli im Gespräch mit dem Deutschlandfunk direkt:
    "Ich kann nur sagen, dass ich in meiner über 40-jährigen Tätigkeit in Universitätsgremien und Verbandsgremien noch niemals eine so konzeptionslose und chaotische Sitzungsleitung erlebt habe. Deshalb glaube ich, dass sie in dieser Position überfordert ist."
    Darüber hinaus kritisiert er den Ablauf der Kommissionssitzung in der vergangenen Woche, zu der Vertreter von zwei Fußballvereinen und des deutschen Radsportbundes geladen waren. Zum einen habe das Treffen stattgefunden, ohne dass die Kommission zuvor das Gutachten dazu bewertet habe:
    "Und so mussten die drei Präsidenten und Verbandsvertreter dann von uns erfahren, dass sie eigentlich gar nichts erfahren können."
    Zum anderen habe das mehrstündige Treffen dazu geführt, dass die eigentliche Agenda, die für den Termin verabredet war, nämlich das Verabschieden mehrerer Gutachten, vertagt wurde.
    "Ich hatte schon im Vorfeld gesagt, dass das an erster stehen muss, tatsächlich stand es dann an letzter Stelle, sodass wir zur Bearbeitung gar nicht mehr gekommen ist. Und das ist ein wirklicher Skandal, das ist eine bewusste Manipulation."
    Wie der Mainzer Sportwissenschaftler Andreas Singler hat auch der Jurist Schöch sein Gutachten an die Uni Freiburg übergeben.
    In einer Pressemitteilung schreiben die Kommissionsmitglieder dann, dass sie einen Abschluss der Kommissionsarbeit bis Ende 2015 anstreben. Allerdings stellen sich hier durchaus Fragen, denn mit Singler und Schöch sind zwei Verfasser von wichtigen Gutachten nicht mehr dabei. Und Schöch berichtet, dass weder Kommissionschefin Paoli noch ihr Stellvertreter Hellmut Mahler bislang auch nur eine Zeile für den Abschlussbericht der Kommission produziert hätten.
    Jochen Schiewer Rektor der Uni Freiburg und damit Auftraggeber der Kommission hält den Ball nach den erneuten Zerwürfnissen flach. Seine Priorität heißt: Die Kommission soll ihre Arbeit beenden.
    "Ich kann nur sagen, dass Frau Paoli mit ihrem Engagement dafür gesorgt hat, dass viele Quellen verfügbar geworden sind für die Doping-Geschichte, dass diese Quellen verwertet geworden sind von Kommissionsmitgliedern, und mein Wunsch ist es, dass diese Arbeitsergebnisse dann zügig auch verfügbar gemacht werden auf der Grundlage, die wir vereinbart haben."
    Und zwar hat sich die Kommission bei einem Treffen in Stuttgart im Februar gemeinsam mit dem Rektor und Wissenschaftsministerin Bauer darauf verständigt, dass die Arbeit Ende September dieses Jahres abgeschlossen sein soll. Das sei auch mit den drei neu berufenen Kommissionsmitgliedern ausdrücklich so vereinbart.
    Hier zieht Schiewer also eine Deadline. Keine weiteren Verzögerungen. Und was passieren könnte, wenn die Kommission unter Letizia Paoli bis dahin keinen Abschlussbericht vorlegt, hat Ministerin Bauer bereits einige Tage nach dem Treffen im Ministerium angedeutet. Ende September muss ein Ergebnis vorliegen.
    "Ich wünsche mir sehr und unterstütze alles, was ich tun kann, um das gemeinsam mit der Kommission zu bewerkstelligen. Und wenn das eben nicht mit der Kommission erfolgen sollte, dann wird es ohne Kommission in Teilergebnissen oder in anderer Form erfolgen."