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Freiburger Synagogen-Streit
Neuer Zoff um alte Mauerreste

Rund 80 Jahre alte Mauerreste weichen einer neuen Wasserfläche - was wie ein harmloser Bauvorgang wirkt, ist in Freiburg Anlass für Streit: Denn die abgetragenen Steine gehörten zur alten Synagoge, die von den Nazis zerstört wurde. Für die jüdische Gemeinde sind die Fundament-Reste daher ein wichtiges Zeitdokument.

Von Thomas Wagner |
    Inzwischen geschleifte Fundamentmauer der 1938 zerstörten Freiburger Synagoge, dahinter das Stadttheater, Oktober 2016.
    Inzwischen geschleifte Fundamentmauer der 1938 zerstörten Freiburger Synagoge, dahinter das Stadttheater, Oktober 2016. (Carsten Böhnke / Wikipedia CC-BY-SA 4.0)
    "Die Synagoge war wunderschön. Sie hatte auch eine schöne Frauenempore. Vom Gebäude her hatte sie auch zwei Türmchen. Und auf diesen Türmchen gab es auch zwei Kuppeln." -"Die alte Synagoge, die ist in einem byzantinischem Stil gebaut worden. Es ist im Grunde genommen ein kubischer Bau, welcher mit Vorhallen, mit hohen Portalen gebaut wurde."
    Irina Katz, Vorsitzende der freien jüdischen Gemeinde Freiburg, im Gespräch mit dem Filmemacher Carsten Böhnke. Es geht um die so genannte "Alte Synagoge" in Freiburg.
    "Und so stand sie bis zum Jahre 1938, als sie von den Nazis in der Reichspogromnacht - in der Nacht vom 9. auf den 10. November - zuerst verbrannt und dann gesprengt wurde. Anfang 1939 wurde sie abgetragen", sagt Katz.
    Der baumbestandene Synagogenplatz mit Synagoge und jüdischem Gemeindehaus (linker Bildrand) neben der Universität. Zeitgenössische Ansichtskarte, 1913
    Der baumbestandene Synagogenplatz mit Synagoge und jüdischem Gemeindehaus (linker Bildrand) neben der Universität. Zeitgenössische Ansichtskarte, 1913 (Wikipedia / gemeinfrei)
    Dem Abriss der Synagoge folgte die Deportation und schließlich die Ermordung der meisten jüdischen Gemeindemitglieder. Dort, wo bislang die Alte Synagoge stand, erstreckte sich über Jahrzehnte hinweg eine Grünfläche am Rande der Altstadt.
    Stadt bebaut den Platz der "Alten Synagoge"
    Gleichwohl gab sich die Stadt geschichtsbewusst: Eine Bronzetafel erinnerte an die wechselvolle Geschichte des Platzes, den die Stadt in "Alte Synagoge" umbenannt hatte.
    Bis Anfang November 2016: Bagger fahren auf dem Platz auf, beginnen im Erdreich zu graben – der Auftakt zum Bau eines etwa 300 Meter großen Wasserspiegels, eine Art riesiger Brunnen, auf dem Platz der Alten Synagoge.
    "Kaum hatten sie eine halbe Stunde gearbeitet, sind sie auch schon auf die Fundamente der alten Synagoge gestoßen. Die lagen wirklich 30 Zentimeter unter der Oberfläche. Man hat die Reste der alten Synagoge teilweise, zugeschüttet, zum Teil betoniert."
    Mauerreste haben für Gemeindemitglieder Symbolcharakter
    Für Irina Katz ist dieser Vorgang unfassbar: Die einzigen Überbleibsel der alten Synagoge ganz einfach plattgemacht und auf den Müllhaufen befördert – auch auf den Müllhaufen der Geschichte.
    "Können Sie sich das vorstellen?", fragt sie. "Die Nazis haben die Synagoge erst verbrannt. Dann wurde sie gesprengt. Dann wurde sie abgetragen. Und trotz allem sind diese Steine in dem Boden geblieben: Sie haben alles überstanden. Leider haben sie nicht die Sachzwänge der heutigen Tage überstanden."
    Für Irina Katz und viele andere Mitglieder der Jüdischen Gemeinde haben die Mauerreste Symbolcharakter für die Schrecken des Holocausts – und dem Willen, zu überleben. Im Freiburger Rathaus kann man solche Überlegungen allerdings nicht nachvollziehen. Dieter Salomon ist dort grüner Oberbürgermeister:
    "Es handelte sich nicht um aufstehende Mauern, sondern es handelte sich um Reste von Fundamenten, die im Prinzip schon beim näheren Hinsehen zerbröselt sind. Das kann man auch erklären, weil diese Fundamente damals schon aus Bauschutt bestanden haben und nie dafür gemacht waren, am Tageslicht zu sein. Weil die waren einfach unter der Erde da, dass das Haus richtig steht, aber nicht, um oberirdisch irgendwelche Schönheit darzustellen."
    Neues Bauwerk als eine Art Denkmal?
    Selbst nach Ansicht des Denkmalschutzes hätten die Mauerreste keinerlei kulturhistorischen Wert. Und den Vorwurf, es an der notwendigen Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem jüdischen Gedenken in Freiburg umzugehen, weißt Salomon energisch zurück. Das Gegenteil sei richtig.
    "Wir haben einen 15-jährigen Prozess hinter uns, weil wir ja wussten, dass auf diesem Platz die alte Synagoge zwischen 1870 und 1938 gestanden ist, und haben uns wirklich von Anfang an Gedanken gemacht, wie man würdevoll dieser alten Synagoge gedenkt."
    …zum Beispiel mit jener rund 300 Quadratmeter großen Wasserfläche, die auf dem ehemaligen Synagogen-Gelände stand,
    "…weil Wasser im Judentum ein ganz wichtiges Element ist, das an die alte Synagoge erinnert."
    Jüdische Gemeinde wollte Fundament erhalten
    Wasserfläche schön und gut – aber: Original-Exponate wie beispielsweise die alten Fundament-Reste seien, betont Irina Katz, allemal besser dazu geeignet, das Gedenken an das Schicksal der Juden wachzuhalten. Das sieht auch der Freiburger Filmemacher Carsten Bohnke so, der die Jüdische Gemeinde in ihrem Anliegen nach Erhalt der Fundament-Teile unterstützt:
    "Sichtbarer Mauerreste sind sichtbare Mauerreste. Ich bin dort gewesen, habe die Brandspuren gesehen. Man fühlt Geschichte. Man fühlt Geschichte ganz nah. Man kann eine Vorstellung entwickeln, was dort stand, was da auch passiert ist."
    Mittlerweile allerdings sind die Fundament-Reste abgetragen. Ein Baustopp sei erstens kaum praktikabel gewesen und wäre zudem mit geschätzten Mehrkosten von 1,4 Millionen Euro verbunden gewesen, heißt es bei der Stadt.
    Ein Teil der Mauerreste soll ausgestellt werden
    Oberbürgermeister Dieter Salomon weiß in dieser Entscheidung eine breite Mehrheit des Freiburger Gemeinderates hinter sich – und übrigens auch die Zustimmung des Oberrates der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, mit dem er sich ins Benehmen gesetzt hat. Ein kleiner Teil der Fundament-Reste soll nun immerhin konserviert und irgendwann einmal öffentlich ausgestellt werden. Für Irina Katz von der Freien Jüdischen Gemeinde Freiburg ist das dennoch kein Kompromiss, den sie mittragen möchte..
    "Das hat tiefe Wunden aufgerissen bei uns allen. Und das bleibt auch bis zum heutigen Tag. Die Zeit wird das wahrscheinlich heilen. Aber ganz vergessen wird man die Art und Weise, wie man hier in Freiburg mit den authentischen Funden umgegangen ist, nicht."