Moskauer Journalisten sprechen von einem "schwarzen Freitag" für die russische Presse. Am 13. Mai gaben die drei Chefredakteure der RBK-Mediengruppe, der Informationsagentur RBK und der gleichnamigen Tageszeitung ihren Rücktritt bekannt. Dutzende weitere Mitarbeiter haben angekündigt, gleichfalls zu gehen, sollte sich die Redaktionslinie ändern.
Für Jewgenija Albaz, Chefredakteurin der kremlkritischen Wochenzeitschrift "The New Times" ist klar: Dahinter steht politischer Druck. Dem Internetsender TV-Doschd sagte sie:
"Die Kombination von großem Geld und journalistischen Talenten stellt eine sehr große Gefahr für die Machthaber in Russland dar. Bei uns sind Leute an der Macht, die glauben, dass überall Verschwörungen gegen sie ausgeheckt werden."
Artikel über den Mord an Boris Nemzow oder russische Soldaten im Donbass
RBK, die Printausgabe und das Onlineportal, zählten bisher noch zu den letzten größeren tagesaktuellen Publikationen in Russland, die ihre Leserschaft kontinuierlich über ein breites Themenspektrum informierten, investigativ recherchierten und ihre Ergebnisse in gut lesbarer Form veröffentlichten. Viele hochqualifizierte russische Reporter hatten dort eine Heimat gefunden, nachdem ihre vorigen Redaktionen den Besitzer gewechselt hatten und auf Regierungslinie eingeschwenkt waren.
RBK machte, trotz repressiver Mediengesetze, mit brisanten Artikeln von sich reden: Zum Mord an dem Oppositionspolitiker Boris Nemzow; zu russischen Soldaten im Donbass; zu Offshore-Geschäften hoher russischer Beamter; zum Vermögen der mutmaßlichen Tochter von Präsident Putin. Auch für Jelena Panfilova von Transparency International ist offensichtlich, dass RBK mit derlei Veröffentlichungen für die Regierenden zu unbequem wurde:
"Es war nicht ein einzelner Artikel ausschlaggebend. Die Gesamtheit hat es ausgemacht. Die Artikel über Korruption waren einfach sehr gut. Eigentlich war es unausweichlich, dass RBK gebremst wird."
Die zurückgetretenen Chefredakteure haben sich bisher nicht öffentlich geäußert. Auch der Eigentümer nicht. Der Oligarch Michail Prochorow war 2012 aussichtsloser Gegenkandidat Wladimir Putins bei der Präsidentenwahl. Gerüchten zufolge beabsichtigt er, RBK zu verkaufen. Es heißt, auf Druck des Kreml. Im April durchsuchte der Geheimdienst die Büros von Prochorows Investmentfirma Onexim. Möglicherweise, um den Geschäftsmann unter Druck zu setzen.
Kreml erklärt Redakteursrücktritte mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten
Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow hat dementiert, dass der Kreml irgendetwas mit den Durchsuchungen oder mit den Rücktritten bei RBK zu tun habe. Der Kreml mische sich nicht in Redaktionspolitik ein. Ein Regierungsvertreter sagte, die Entwicklungen hätten mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei RBK zu tun.
In Russland bleiben nun nur noch wenige tageaktuelle Informationsquellen. Der Internetsender Doschd, die Nowaja Gaseta, Vedomosti, in gewissem Maße die Online-Seiten des Radiosenders Echo Moskwy. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet am Freitag dem 13., als die Rücktritte der Chefredakteure bei RBK bekannt wurden, feierte der russische Staatssender WGTRK sein 25-jähriges Bestehen. Präsident Putin hielt eine Ansprache und sagte:
"Ein Monopol schadet immer, zumal im Informationsbereich. Selbst wenn wir mal Fehler machen, müssen die Hörer und Zuschauer einen alternativen Standpunkt erfahren."
Das war allerdings kein Bekenntnis zur Meinungsvielfalt in Russland. Putin sprach vielmehr über das angebliche Informationsmonopol der Weltpresse, über das einige "Gegner" Russlands verfügten, und dem das russische Staatsfernsehen erfolgreich etwas entgegensetze.