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Freie Wähler zur Bayern-Wahl
Aiwanger: Söder würde sich an SPD und Grünen "die Finger verbrennen"

In die anstehenden Koalitionsgespräche mit der CSU gehe er gelassen, sagte der Chef der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwinger, im Dlf. Es gebe eine große Schnittmenge mit der CSU. Außerdem würden die Christsozialen "mit Grünen und Roten auf keinen grünen Zweig kommen."

Hubert Aiwanger im Gespräch mit Silvia Engels |
    14.10.2018, Bayern, München: Anhänger der Freien Wähler freuen sich auf der Wahlparty der Freien Wähler zur Landtagswahl über das Wahlergebnis und feiern Hubert Aiwanger, Spitzenkandidat und Partei-Chef der Freien Wähler in Bayern.
    Hubert Aiwanger will sich von der CSU nicht über den Tisch ziehen lassen (picture-aliance / dpa / Lino Mirgeler)
    Silvia Engels: Schon seit zehn Jahren sind die Freien Wähler im bayerischen Landtag. Sie konnten sich bei der gestrigen Abstimmung auf 11,5 Prozent verbessern. Sie gelten als wertkonservativ und pragmatisch, und sie sind nun der wahrscheinlichste Koalitionspartner für die CSU. Chef und Spitzenkandidat ist Hubert Aiwanger. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Aiwanger!
    Hubert Aiwanger: Guten Morgen.
    Engels: Wir haben Markus Söder gehört, der in Richtung Freie Wähler blinkt, und auch Sie haben gestern Abend mehrfach Ihre Koalitionsbereitschaft mit der CSU unterstrichen. Machen Sie es der CSU da nicht etwas einfach, wenn Sie sich jetzt schon so intensiv als Koalitionspartner andienen?
    "Ich bin auch sehr gelassen in dieser Frage"
    Aiwanger: Nein. Es geht jetzt nicht darum, parteipolitische taktische Spielchen zu machen, sondern möglichst schnell eine stabile Regierung in Bayern hinzubekommen. Wir haben ja schon vor Monaten gesagt, dass genau diese Konstellation unser Ziel ist. Wir wollen in Bayern mitregieren. Wir stehen in der bürgerlichen Mitte und da ist die Schnittmenge mit der CSU am größten. Deshalb ist es ganz normal, dass wir jetzt hier auf Koalitionskurs gehen.
    Engels: Koalitionsverhandlungen sind aber immer auch Machtpolitik und die CSU hat im Gegensatz zu Ihnen noch andere Möglichkeiten. Wenn der CSU irgendetwas nicht in ihrem Forderungskatalog passt, könnte sie theoretisch auch noch mal auf die Grünen zugehen, oder gar auch der SPD Koalitionsgespräche anbieten. Verkaufen Sie sich dann zu billig?
    Aiwanger: Nein. Ich bin auch sehr gelassen in dieser Frage. Wenn er Lust hat, der Herr Söder, sich die Finger zu verbrennen, dann soll er mit Grünen und Roten verhandeln. Da wird er auf keinen grünen Zweig kommen. Ich glaube durchaus, dass die bürgerliche Mitte hier die richtige Schnittmenge ist, und wir brauchen hier auch nicht die Latte sehr hochzulegen und uns besonders wie eine Prinzessin zu gebären.
    Wir haben ganz klare Vorstellungen, wie Bayern weiterregiert werden soll. Wir wollen alle Parteien besser einbinden. Wir wollen die kostenfreie Kita durchsetzen. Wir wollen den Bestand der Krankenhäuser und Geburtskliniken sichern, den ländlichen Raum stärken und dergleichen mehr. Diese Themen, die predigen wir seit Jahren, die wollen wir jetzt umgesetzt sehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    "Wir wollen die Alltagsprobleme der Bürger lösen"
    Engels: Das sind alles Forderungen, wo viele Beobachter sagen, dass die angesichts der auch in Bayern sprudelnden Steuereinnahmen relativ schnell abzuräumen sind. Haben Sie auch weitergehende strukturelle Forderungen an die CSU?
    Aiwanger: Wie gesagt, dass wir natürlich alle Parteien besser einbinden, dass wir auf alle Fälle den Mittelstand stärken, auch den ländlichen Bereich draußen stärken. Wir wollen die Energiewende wieder auf die Beine bekommen, also Themen, die in den letzten Jahren liegen geblieben sind. Und es ist ja besser, wenn wir machbare Vorschläge angehen, als wenn wir Söders Weltraumprogramm "Bavaria One" hier in den Mittelpunkt stellen. Für solche Späße sind wir nicht zu haben. Wir wollen mit dem Steuergeld der Bürger sorgsam umgehen und wollen die Alltagsprobleme der Bürger lösen. Darum geht es zunächst mal, um Menschen, die frustriert sind, die sauer sind. Denen geht es ja häufig darum, dass das Telefon bei ihnen zuhause nicht richtig funktioniert oder das Handy nicht funktioniert, und dergleichen mehr. Das sind Dinge, die wir lösen können und lösen müssen.
    Engels: Sie stehen natürlich mit Ihrer ganzen Partei und auch dem Katalog, den Sie jetzt aufmachen, für regionale Forderungen. Wenn Sie aber nun mit der CSU regieren, dann können Sie ja auch über das bayerische Abstimmungsverhalten im Bundesrat indirekt auf Bundesebene mitbestimmen. Machen Sie sich nun auch Gedanken über bundespolitische Forderungen Ihrer Partei?
    Aiwanger: Ja, natürlich. Es gab ja zuletzt auch dieses Thema der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten und privaten Renten, wo die Bürger im Nachgang hier massiv noch mal abkassiert wurden. Wir sehen das Krankenhaussterben, das durch eine Unterfinanzierung seitens des Bundes zu verantworten ist. Wir wollen die Zuständigkeit für die Autobahnen eigentlich nicht so gerne abgeben. Wir wollen den Mobilfunkausbau mit National Roaming aufstellen. Das wird auch über den Bund gesteuert, ob hier der Herr Scheuer im Bund als zuständiger Mobilfunkminister oder der Herr Altmaier den Weg mitgeht. Wir wollen eine andere Energiepolitik ohne diese großen Stromtrassen Südlink und Südostpassage aus Nordostdeutschland.
    Das sind alles auch bundespolitische Themen. Natürlich sind wir beim Thema der inneren Sicherheit und der Migration durchaus auch vernünftig wertkonservativ und wollen hier nicht alle Türen öffnen und sagen durchaus, wir sind Kritiker von Merkels Asylpolitik, und wollen auch hier, dass die Dinge geordnet werden.
    Engels: In der Asylpolitik, wo Sie es gerade ansprechen, hatten Sie sich aber auch im Sommer ein wenig von der CSU abgegrenzt und sich für Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge unabhängig von der Bleibeperspektive eingesetzt, ein etwas liberalerer Ansatz als die CSU. Ist das weiterhin ein zentrales Thema?
    Aiwanger: Natürlich, ein pragmatischer Ansatz. So will ich es formulieren. Es nützt uns nichts, wenn wir wirklich qualifizierte Zuwanderer haben und die bekommen jahrelang Arbeitsverbot. Auf der anderen Seite sagen wir auch: Leute, die nicht integrierbar sind, die nicht in die Berufsschule gehen, die keine Abschlüsse hinbekommen und nicht verfolgt sind, die müssen wir auch schneller wieder nachhause bekommen. Hier nicht die Ideologie, sondern wirklich: Wir müssen uns den einzelnen Menschen ansehen.
    Nur so, glaube ich, können wir auch Ruhe in dieses hysterische Thema reinbekommen. Nicht schönreden, wie es linke Parteien tun, oder Hetzen, wie rechte Parteien, sondern sich wirklich den Einzelfall ansehen, eine individuelle Lösung, um das Thema endlich mal zu befrieden, damit wir uns wieder den anderen Themen zuwenden können, die die Menschen eigentlich noch mehr betreffen als das Thema Asyl.
    "Aber trotzdem wird man versuchen, an Seehofer weiter zu sägen"
    Engels: Ein Hardliner gerade in dieser Frage war ja im Sommer bislang Innenminister Seehofer, der CSU-Parteichef. Rechnen Sie nun damit, dass nun erst mal ein Führungsstreit in der CSU um Parteichef Seehofer ausbricht?
    Aiwanger: Ja. Ich glaube, dass nach dieser Wahl nicht zur Tagesordnung übergegangen wird. Den Herrn Seehofer haben ja viele auf der, man muss ja fast sagen, Abschussliste. Ich mische mich da nicht ein. Ich habe hier nichts zu sagen innerhalb der CSU. Die sollen tun was sie wollen. Aber trotzdem wird man versuchen, an Seehofer weiter zu sägen, und es ist schon spannend, wie die dann weitermachen damit.
    Engels: Könnte das denn den Zeitplan für Koalitionsgespräche überlagern, denn der ist ja von der bayerischen Verfassung recht eng gesteckt?
    Aiwanger: Nein. Diese Koalitionsgespräche, die werden parallel laufen, egal wie es mit Herrn Seehofer oder mit Herrn Söder weitergeht. Es schaut ja jetzt so aus, als wäre Söder soweit stabilisiert. Es wurde auch hier ja gesagt, überlebt er das denn? Jetzt hat er doch mit 37 Prozent mehr als die befürchteten 33. Aber die Koalitionsgespräche werden von Landespolitikern hier geführt, egal was Seehofer in Berlin macht oder nicht macht.
    Engels: Wir haben um 6:50 Uhr den Grünen-Bundesvorsitzenden Robert Habeck gehört. Der hat letztlich ein Signal für Veränderung in Bayern angemahnt. Von Ihnen ist jetzt eher zu hören, die CSU und Ihre Linie liegt eng beieinander. Das heißt, es bewegt sich nichts?
    Aiwanger: Es bewegt sich mehr als mit grünen Ideologen an der Stelle. Wir werden in der Energiewende ganz konkrete realistische Punkte voranbringen. Und sehen Sie: Beispielsweise die Grünen sind ja sogar auf CSU-Kurs, wenn es pro große Stromtrasse Südlink, Südostpassage geht. Das bringt nur Kohlestrom nach Bayern. Ich verstehe nicht, dass hier die Grünen mitspielen. Wir werden in der Energiewende mehr bewegen als die Grünen. Wir werden im Bereich Naturschutz mehr bewegen als die Grünen, weil wir hier Konzepte haben für dezentrale Naturschutzgeschichten draußen mit dezentralen Rückhaltebecken, die auch als Biotope ausgebaut werden können.
    Wir sind die Pragmatiker, die im Moment aber auch Ergebnisse hinbekommen, und die Grünen haben auf hoher Ebene dann ideologische Debatten geführt, auch um einen dritten oder vierten Nationalpark, und rausgekommen ist unterm Strich als lauter verärgerte Leute vor Ort. Verlassen Sie sich darauf, dass wir Bayern mehr ändern werden als so manchem lieb ist, aber zum Positiven hin und nicht die Menschen vor den Kopf stoßen.
    "Rote Linien gibt es, wenn die meinen, uns über den Tisch ziehen zu können"
    Engels: Wenn Sie in Sachen Naturschutz oder Kita-Ausbau oder Stromtrassen-Ausbau nicht in allem die CSU auf Ihre Linie kriegen, wann ziehen Sie die rote Linie und sagen, dann keine Koalition?
    Aiwanger: Es kommt auf den Einzelfall an. Wir sagen beispielsweise ganz klar, wir wollen keine dritte Startbahn am Münchener Flughafen. Wir sind hier mit der Energiepolitik auf einem anderen Kurs. Und ich glaube, dass wir hier sehr viel durchsetzen können. Rote Linien gibt es natürlich, wenn die meinen, uns über den Tisch ziehen zu können, wenn die meinen, weitermachen zu können nach dem Motto, Bayern ist Privatbesitz und wir bedienen uns hier auch aus dem Steuertopf nach Herzenskräften und bedienen zunächst mal unsere Parteigenossen und dergleichen. Da spielen wir nicht mit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.