Es geht um schwere Kost - rund 1500 Seiten umfasst das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, der Vertragstext ist aber zumindest bislang noch geheim. Erst am Nachmittag soll er veröffentlicht werden. Mangelnde Transparenz - so lautet deshalb ein Kritikpunkt in Richtung EU-Kommission, die stellvertretend für die 28 Mitgliedstaaten das Abkommen verhandelt hat. Ein Vorwurf, den jedoch der Handelsexperte der CDU im Europäischen Parlament, Daniel Caspary, nicht nachvollziehen kann:
"Jetzt werden die Verhandlungen abgeschlossen sein. Dann muss der Text auch schnellst möglich veröffentlicht werden. Und ganz wichtig ist: der Text tritt ja noch nicht in Kraft. Sondern jetzt beginnt das Ratifizierungsverfahren. Das heißt, jetzt, wenn der Text da ist, der Text wird relevant für die Bürger sein. Da haben wir ausreichend Zeit, mit den Bürgern, mit Verbraucherschutzorganisationen, mit der Industrie, mit Gewerkschaften, mit allen Interessierten darüber zu diskutieren".
Tatsächlich soll der Ratifizierungsprozess erst Mitte des kommenden Jahres abgeschlossen sein. Doch die Bundesregierung hat bereits Nachbesserungsbedarf angemeldet. Die umstrittenen Schutzklauseln für Konzerne sollen aus dem Abkommen gestrichen werden, fordert Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
Deutliche Warnung von De Gucht
Aber auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange, ebenfalls wie Gabriel ein Sozialdemokrat, hält die Zulassung von privaten Schiedsgerichten bei Streitigkeiten zwischen Staaten und Konzernen für grundfalsch. Man dürfe aber das geplante Abkommen an dieser Frage nicht scheitern lassen, das der EU durch den Abbau von gegenseitigen Handelshemmnissen immerhin ein zusätzliches Wachstum von zehn Milliarden Euro jährlich bescheren soll:
"Also das Hauptproblem des Abkommens ist der Investitionsschutzmechanismus. Also außergerichtliche Schiedsstellen, die Unternehmen entgangene Gewinne garantieren sollen. Ich glaube, wir haben entwickelte juristische Systeme auf beiden Seiten des Atlantiks. Und da brauchen wir solche intransparenten Organisationen nicht. Und deshalb müssen wir das herausverhandeln."
Doch genau das lehnt zumindest der scheidende EU-Handelskommissar Karel De Gucht strikt ab. Wenn man jetzt die Verhandlungen wieder öffne, sei das Abkommen tot, sagte der Belgier in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Die deutliche Warnung kommt nicht überraschend: denn es geht beim "Comprehensive Economic and Trade Agreement" um viel mehr als nur ein gewöhnliches Abkommen für den Freihandel. Ceta soll die Blaupause werden für die ebenfalls umstrittenen Handelsgespräche mit den USA.
Feier in Ottawa
Nach Ansicht der EU-Kommission ist der Missbrauch des Investorenschutzes durch die Unternehmen faktisch ausgeschlossen - zum einen kann Berufung eingelegt werden, zum anderen können sich auch Nichtregierungsorganisationen an den Verfahren beteiligen. Diese sozusagen moderne und strengere Variante der Schutzregeln für Investoren will De Gucht unbedingt retten. Doch Handelsexperte Lange zeigt sich unbeeindruckt:
"Es ist mal eingeführt worden, um Investoren gegen Willkür zu schützen. Und nun richtet sich das gegen Entscheidungen demokratisch gewählter Parlamente. Ich glaube, das ist ein Instrument, das nicht mehr in die Zeit passt".
Aber auch an anderer Stelle droht noch Streit: denn neben dem Europäischen Parlament müssten auch die nationalen Parlamente dem geplanten Handelsabkommen mit Kanada zustimmen, fordert die Bundesregierung, weil davon auch nationale Kompetenzen berührt seien. Rechtlich ist die Frage noch nicht entschieden - was einmal mehr zeigt, dass das Freihandelsabkommen mit Kanada noch lange nicht in trockenen Tüchern ist, auch wenn heute in Ottawa schon einmal gefeiert wird.