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Freihandelsabkommen TTIP
Investorenschutz versus Umweltschutz?

Vertreter der EU-Kommission werben derzeit in Europa für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Dies soll auch die Bedingungen für Investitionen vereinfachen. Dieser Investorenschutz steht allerdings in der Kritik.

Jule Reimer im Gespräch mit Stefan Römermann | 12.02.2014
    Stefan Römermann: Es ist eine Charme-Offensive, gerichtet an Verbraucherverbände und Umweltschutzorganisationen: Vertreter der EU-Kommission touren durch europäische Städte und werben für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA, kurz genannt TTIP. Gestern und vorgestern war der Chefunterhändler der Europäer, Ignacio Garcia Bercero in Berlin zu Besuch. TTIP soll den Handel zwischen den USA und der EU ankurbeln. Speziell für Autoteile, Chemikalien, Medikamente, Rindfleisch und verarbeitete Lebensmittel sollen Zölle gesenkt werden - vor allem aber Standards angeglichen und gegenseitig die Bedingungen für das Investieren beim jeweils andern Partner vereinfacht werden. Dieser sogenannte Investorenschutz kommt zunehmend unter Beschuss der Öffentlichkeit. Jule Reimer, warum denn das?
    Investor-Staat-Klage-Verfahren
    Jule Reimer: Es geht dabei vor allem um ein besonderes Verfahren, das Investoren schützen soll, das Investor-Staat-Klage-Verfahren. Wenn sich ausländische Investoren durch Gesetze oder Auflagen diskriminiert fühlen, können sie dies vor ganz speziellen Schiedsgerichten geltend machen, die bei der Weltbank oder der UN angesiedelt sind. So hat ein US-Unternehmen, das bereits Fracking-Rechte in Kanada hatte, gegen ein neues Gesetz dort geklagt, das diese Fracking-Rechte aufgrund von Umweltbedenken einschränken wird – und die Regierung will dem Unternehmen dafür keinen Schadenersatz zahlen. Vor diesen Gerichten verhandeln dann drei Anwälte von global aufgestellten Anwaltskanzleien abgeschirmt von der Öffentlichkeit den Fall – und in dem für den Steuerzahler ungünstigsten Fall muss die Regierung dann Schadenersatz zahlen und das Urteil kann nicht angefochten werden. So hat Vattenfall die Bundesregierung wegen des Abschaltens ihrer Atommeiler auf einen Milliardenbetrag verklagt. Da steht ein Urteil noch aus. Und das ist bestimmt auch ein Grund dafür, dass mittlerweile auch Teile der Bundesregierung wie Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Zweifel an diesem Teil der Verhandlungen mit den USA äußern.
    Römermann: Die Vertreter der EU-Kommission beteuern ihrerseits, dass durch das Freihandelsabkommen bestehende Standards beim Verbraucher- und Umweltschutz auf keinen Fall infrage gestellt werden können. Klang das glaubwürdig?
    Reimer: Eines der wichtigsten Argumente für ein Investitionsschutzabkommen mit den USA lautet seitens der EU-Generaldirektion Handel, dass bereits viele solcher Abkommen existieren und dass diese eben recht schwammig formuliert seien. Jetzt habe man die Chance, klare Regeln aufzustellen ohne Schlupflöcher. Ignacio Garcia Bercero und Rupert Schlegelmilch von der EU-Generaldirektion Handel haben gestern in Berlin vor Pressevertretern auch eine Reihe Bedingungen aufgezählt, die dann gelten sollen. Zum Beispiel: kein Rechtsschutz, der über nationalem Niveau liegt. Es müsse künftig auch eine Art Berufungsinstanz und mehr Transparenz bei den Verhandlungen vor den Schiedsgerichten geben.
    Römermann: Zweifel an dieser Darstellung lassen aber die durchgesickerten Vertragstexte des Freihandelsabkommens der EU mit Kanada – kurz genannt CETA - aufkommen. Das Abkommen ist weitgehend unter Dach und Fach, aber offiziell noch nicht in Details bekannt. Und diese Texte legen nahe, dass auch hier der Investorenschutz in der Essenz schwammig gefasst sein wird und dass darüber den Regierungen wieder die Hände gebunden werden bzw. sie hohe Entschädigungszahlungen riskieren, wenn sie zum Beispiel Umweltauflagen verschärfen wollen.
    Demokratie-Problem
    Römermann: Die argentinische Regierung hat vor gar nicht langer Zeit die Anteile des spanischen Energiekonzerns Repsol an der argentinischen Erdölfirma in einer willkürlichen Aktion einfach verstaatlich, ohne klares Entschädigungsangebot. Braucht man nicht genau für diese Fälle diesen Investorenschutz?
    Reimer: Ja, es gibt sicher und bestimmt Fälle, wo diese Investorenschutzabkommen wichtig und richtig sind. Aber die EU und die USA haben gegenseitig ihre nationalen Rechtssysteme anerkannt. Außerdem gibt es ein Demokratie-Problem: Im Prinzip erhalten große Konzerne durch diese Extra-Verfahrenswege das Recht, Entscheidungen nationaler Gerichte und auch Parlamente zu umgehen. Und wenn es ganz ungünstig kommt, können sie auf diese Weise auch Gesetze kippen.
    Römermann: Der Generaldirektion Handel war immer wieder vorgeworfen worden, sie richte sich nur nach den Interessen der beteiligten Industrien und nicht nach denen der Verbraucher? Konnte die Unterhändler dies entkräften auf ihrer Besuchstour in Berlin?
    Reimer: Die Verhandlungstexte dürfen immer noch nur von wenigen ausgewählten Personen im Europäischen Parlament bzw. bei den Mitgliedsstaaten, in den Regierungen eingesehen werden. Da wird natürlich argumentiert: Wenn Sie ein Auto verkaufen wollen, gehen Sie auch mit einem anderen Preis in die Verhandlungen hinein als den, den Sie am Ende sehen wollen und das machen Sie auch nicht publik. Man kann aber sagen: Das Problembewusstsein ist jedenfalls deutlich gewachsen, denn neben Kritik aus Teilen der Bundesregierung hat ja auch die Kampagnenplattform Campact geschafft, 350.000 Unterschriften gegen das Abkommen zu sammeln. Die EU-Kommissionsvertreter und das Bundeswirtschaftsministerium hatten in Berlin Nichtregierungsorganisationen zu einer öffentlichen Fragestunde eingeladen und es ist ein Extra-Rat eingerichtet worden mit Vertretern aus Umwelt- und Verbraucherverbänden und der Industrie, der genauer auf das Investitionskapitel draufschauen darf.