Merkel sagte im Interview mit dem Sender NDRinfo, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA biete Chancen für Arbeitsplätze, die in Europa dringend gebraucht würden. Mitten in den Verhandlungen zu sagen, man glaube nicht mehr an einen erfolgreichen Abschluss, sei "zumindest ungewöhnlich". Merkel betonte: "Wir haben ein Interesse daran, nicht zurückzufallen hinter andere Regionen der Welt, zum Beispiel die asiatischen Regionen, die mit den Vereinigten Staaten ein solches Abkommen abgeschlossen haben."
Gabriel: "Dürfen uns amerikanischen Forderungen nicht unterwerfen"
SPD-Chef Gabriel hatte am Wochenende im ZDF-Sommerinterview erklärt, die Gespräche über TTIP seien "de facto gescheitert, weil wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen". Mit der Äußerung handelte er sich Kritik von Wirtschaftsverbänden und dem Koalitionspartner CDU/CSU ein.
Auch die EU-Kommission, die für die Verhandlungen mit Washington zuständig ist, widersprach. Der US-Handelsbeauftragte Michael Froman zeigte sich irritiert. Die Verhandlungen machten "in Wahrheit ständig Fortschritte", sagte er "Spiegel Online".
Rückendeckung bekommt Gabriel von seinem Stellvertreter Ralf Stegner. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass die USA nicht willens seien, auf die Bedingungen der Europäer einzugehen, sagte Stegner im DLF. Man werde "schon weiter verhandeln", doch ein Ergebnis sei nicht zu erwarten. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann räumte ein, die Tonlage in der Koalition sei "etwas rauer geworden". Dies sei ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl aber normal, sagte er zum Start einer zweitägigen Klausur seiner Fraktion in Berlin.
Österreich fordert Verhandlungsabbruch
Die österreichische Regierung hat einen Verhandlungsabbruch für TTIP gefordert. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sprach sich am Mittwochabend für einen Neustart der Gespräche nach der US-Wahl aus. "Wenn die Emotionen in einer derartigen Weise vorherrschen, ist eine sachliche Abwägung nicht mehr möglich", sagte der ÖVP-Politiker den "Salzburger Nachrichten". Die Gespräche seien durch das gegenseitige Misstrauen in der Öffentlichkeit geprägt. Österreichs Kanzler Christian Kern (SPÖ) sieht auch das vor der Unterzeichnung stehenden CETA-Abkommen der EU mit Kanada sehr skeptisch, das Gabriel wiederum verteidigt hatte.
Tatsächlich werden Verhandlungen über beide Abkommen in der Öffentlichkeit von massiven Protesten begleitet. Sie sollen gemeinsame Produkt-Standards festlegen und Zölle abschaffen. Umwelt- und Verbraucherschützer sowie Gewerkschaften befürchten, dass europäische Standards Konzerninteressen geopfert werden könnten. Am Mittwoch legte die Initiative "Nein zu CETA" stellvertretend für mehr als 125.000 Mitkläger Beschwerde gegen CETA ein - die größte Bürgerklage in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts. Ein Bündnis von mehr als 30 Organisationen ruft für den 17. September zu den nächsten Protesten gegen CETA und TTIP auf – diesmal zeitgleich in sieben deutschen Großstädten.
(nin/fwa)