Eine Aussage der Umweltweisen ist eindeutig: Eigentlich bräuchte ein Freihandelsvertrag zwischen der EU und den USA kein Sonderschiedsgericht, vor dem ausländische Investoren sich gegen diskriminierende Gesetze wehren könnten. Denn die EU als auch die USA verfügten über ein gutfunktionierendes Rechtssystem mit hohem Eigentumsschutz. Den Wunschkatalog der EU-Kommission für ein reformiertes Schiedsgerichtsverfahren halten die Umweltexperten gleichwohl für einen großen Fortschritt: Würde sich der Vorschlag durchsetzen, würden die TTIP-Schiedsgerichte weitgehend öffentlich arbeiten und die Richter unabhängig und nicht mehr auch von den klagenden Konzernen berufen werden können. Investor wie auch beklagter Staat hätten die Möglichkeit, nach einem Urteil in Berufung zu gehen.
Als gut bewertet der Sachverständigenrat für Umweltfragen auch die höheren Hürden, die ein Investor für eine Klage vor so einem Sondergericht nehmen müsste. In vielen älteren Abkommen können Investoren bereits klagen, wenn allein der Grundsatz der "gerechten und billigen Behandlung" verletzt ist - ein Gummiparagraf. Aber die Umweltweisen fordern zusätzlich klare Grenzen für die Höhe möglicher Entschädigungsforderungen, nämlich eine genauere Definition dessen, was die "legitimen Erwartungen" eines Investors sein könnten. Denn in den Verträgen der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA beispielsweise können ausländische Investoren nicht nur für konkrete Investitionen wie Grundstückskauf, Aufbau einer Fabrik etc. eine Entschädigung fordern, sondern auch für entgangene künftige Gewinne. Diese Gefahr astronomischer Entschädigungsforderungen bringt laut Kritikern Regierungen und Parlamente dazu, bei aus Investorensicht strittigen Gesetzesvorhaben zurückrudern. Unterm Strich steht eine klare Empfehlung der Umweltweisen: Falls sich die EU-Kommission mit ihren Reformvorschlägen gegen über den USA nicht durchsetzen kann, dann bitte auf das ganze Kapitel Schiedsgerichte verzichten.
"Right to regulate" stärker verankern
Als zweiten Kernbereich des TTIP-Abkommens beurteilt der Umweltrat die geplanten Prüfverfahren im Vorfeld möglicher Gesetze oder Auflagen - ein Verfahren, das sich hinter dem Wortungetüm "regulatorische Kooperation" verbirgt. Hier klingeln nicht nur bei Umweltexperten, sondern auch bei Verbraucherschützern alle Alarmglocken. Sozusagen schon in der Wiege soll gecheckt werden, ob eine geplante Regulierung den freien Handel behindern könnte. Hier fordern die Umweltjuristen: Das Vorsorge-Prinzip der Europäer müsse grundsätzlich in den TTIP-Vertragstexten verankert werden, damit es erst gar nicht als Handelshindernis bezeichnet werden könnte. Denn in den USA gilt das Nachsorge-Prinzip. Beispiel Chemikalien: Die werden in einem deutlich lockereren Verfahren zugelassen als in der EU. Allerdings: Falls es zu Schäden kommt, müssen die Unternehmen sehr hohen Schadenersatz leisten.
Ebenso wollen die Umweltweisen das "right to regulate" - also das Recht des Gesetzgebers, Gesetze zum Schutz von Umwelt- und Verbraucher zu erlassen, in TTIP stärker verankert sehen. Und in den Verfahren der Regulatorischen Kooperation müssten das Europäische Parlament sowie weniger betuchte Interessengruppen auch mitreden dürfen. Zur Erinnerung: Bei der Vorbereitung für die TTIP-Verhandlungen und vor allem beim Verhandeln des EU-Kanada-Abkommen CETA hatte sich die EU-Kommission fast ausschließlich mit Unternehmerverbänden getroffen.