"Ja, jetzt ich bin ein bisschen aufgeregt."
Eine Treppe runter ins Souterrain. Ein langer Gang. Welche Tür ist es? - So richtig angekommen ist Sharo Garip noch nicht.
Eine Treppe runter ins Souterrain. Ein langer Gang. Welche Tür ist es? - So richtig angekommen ist Sharo Garip noch nicht.
"Ja, zum ersten Mal werde ich meinen Schreibtisch sehen und dann, ja - das ist für mich ein spannender neuer Anfang. - Oh, das ist hervorragend. Das ist sehr gut, sehr schön."
Bis vor zwei Jahren war der Soziologe noch an einer türkischen Universität angestellt. Doch im Januar 2016 hatte Sharo Garip sich gemeinsam mit 1.227 Kollegen in einer Petition für Frieden im kurdischen Teil der Türkei eingesetzt - aus Sicht der Regierung prokurdische, terroristische Propaganda.
Bis vor zwei Jahren war der Soziologe noch an einer türkischen Universität angestellt. Doch im Januar 2016 hatte Sharo Garip sich gemeinsam mit 1.227 Kollegen in einer Petition für Frieden im kurdischen Teil der Türkei eingesetzt - aus Sicht der Regierung prokurdische, terroristische Propaganda.
"Alles wird als Gegenpropaganda empfunden"
Die deutsche Staatsbürgerschaft ersparte ihm die Untersuchungshaft, schützte ihn aber nicht vor dem, was viele Forscher in der Türkei derzeit erleiden: Entlassung, Berufs- und Reiseverbot. Die Zerstörung des akademischen Lebens, aber auch der Existenzgrundlage.
"Ich kenne zum Beispiel viele, die auch schon als Straßenverkäufer arbeiten - die Situation ist miserabel. Zum Beispiel ich selber: Ich konnte keinen Artikel veröffentlichen, weil dieser Artikel könnte auch schon mein Verhängnis werden, wenn mir noch mal vorgeworfen wird, dass ich irgendwie terroristische Propaganda mache. Alles wird als Gegenpropaganda empfunden. Es ist überhaupt nicht mehr möglich, dort als kritischer Wissenschaftler zu arbeiten."
"Akademie im Exil"
Zwei Jahre saß Sharo Garip wegen der Ausreisesperre in der Türkei fest. Seit Januar ist er in Deutschland als einer der ersten Fellows der "Akademie im Exil": Ein Universitätsübergreifendes Netzwerk, das Wissenschaftlern, die in ihrer Forschungsfreiheit bedroht sind, eine Möglichkeit bietet, ihre Arbeit fortzusetzen.
"Wir haben uns damals schon 2016 Sorgen gemacht, wie wir die Wissenschaftler von hier aus Deutschland unterstützen können. Und seitdem haben wir uns konkret überlegt, wie wir eine Struktur schaffen können für das Exil in Deutschland."
Kader Konuk, Professorin für Turkistik an der Universität Essen-Duisburg, hat die Akademie gemeinsam mit Kollegen gegründet - als Reaktion auf die eskalierende Situation in der Türkei.
"Wir haben uns damals schon 2016 Sorgen gemacht, wie wir die Wissenschaftler von hier aus Deutschland unterstützen können. Und seitdem haben wir uns konkret überlegt, wie wir eine Struktur schaffen können für das Exil in Deutschland."
Kader Konuk, Professorin für Turkistik an der Universität Essen-Duisburg, hat die Akademie gemeinsam mit Kollegen gegründet - als Reaktion auf die eskalierende Situation in der Türkei.
"Uns geht es eigentlich um die Thematisierung der Wissenschaftsfreiheit und die Ermöglichung dieser Freiräume, die Erhaltung dieser Freiräume. Und uns ist wichtig zu versuchen, auch in Deutschland darüber nachdenken zu können, was Wissenschaftsfreiheit im 21. Jahrhundert für uns bedeutet."
Kein Ende des Brain-Drains in Sicht
Die türkische Regierung hat in den letzten zwei Jahren über 8.000 Forscher per Dekret entlassen. 15 Universitäten wurden geschlossen. Das Land scheint auf dem besten Weg, frei von Wissenschaft zu werden: Internationale Organisationen wie "Scholars at Risk" bekommen seit Monaten aus keinem Land mehr Anfragen als aus der Türkei. Die meisten Stipendiaten deutscher Förderprogramme zur Unterstützung bedrohter Wissenschaftler sind schon länger nicht mehr Syrer, sondern Türken. Ein Ende des Brain-Drains ist nicht abzusehen, meint Kader Konuk.
"Dadurch, dass jetzt durch den neuen Angriff des türkischen Militärs auf Afrin der Ausnahmezustand noch einmal verlängert und gerechtfertigt wurde, sehen wir eigentlich keine Verbesserung der Situation 2018 in Aussicht."
Die Ausreiseverbote hindern allerdings viele daran, ins Exil zu gehen. Manche fliehen illegal ins Ausland.
Hoffen auf eine Normalisierung
Sharo Garip hatte Glück und die Unterstützung des deutschen Botschafters. Wie er so da sitzt in seinem neuen Büro an der Universität Essen-Duisburg und mit Kollegen von der Akademie Forschungspläne bespricht, merkt man ihm immer noch die Erleichterung an.
"Also nach zwei Jahren Ausreiseverbot - ich kann kaum glauben, dass ich so eine Chance bekommen habe. Und vor allem, dass ich mein Thema selber wähle. Hier kann ich wieder eine freiheitliche Luft einatmen."
Diesen Zustand auch in ihrer Heimat wieder zu erreichen - dafür setzen sich trotz aller Repressionen immer noch einige Mutige in der Türkei ein. In sogenannten "Solidaritätsakademien" halten manche der entlassenen Akademiker öffentliche Vorlesungen. Zwei protestierten mit einem Hungerstreik gegen die Massenentlassungen, 324 Tage lang.
Manche hoffen auf eine Normalisierung der Situation nach den Parlamentswahlen nächstes Jahr. Selbst wenn es so kommen sollte: Dass die türkische Wissenschaftslandschaft sich schnell erholt, scheint mehr als fraglich.