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Freiheit für den Fluss

Moore binden auf nur drei Prozent der Landfläche doppelt soviel Kohlenstoff wie alle Wälder. Wenn diese Feuchtgebiete trockengelegt werden, setzen sie also große Mengen gespeichertes CO2 frei. Ziel müsste es demnach sein, möglichst viele trockengelegte Moore wieder zu vernässen. Doch oft sind die Landwirte dagegen. Einen kleinen Erfolg bei der Wiederherstellung von Mooren meldet jetzt Brandenburg.

Von Claudia van Laak | 09.03.2009
    Gemächlich tuckert die MS Frankfurt über die Oder von Mescherin aus Richtung Szcezin, dem früheren Stettin. An Bord des Schiffes: Mitarbeiter des Landesumweltamtes, des Nationalparks Unteres Odertal und Bürgermeister der anliegenden Gemeinden. Sie alle wollen eine für die Region wichtige Baumaßnahme begutachten: die Schlitzung des Deiches am Staffelder Polder. Dietmar Schulze deutet auf den Uferstreifen: Wir haben den 1924 gebauten Deich an drei Stellen abgetragen, sagt Brandenburgs Umweltstaatssekretär.

    "Wir schlitzen die Deiche, damit dann das Wasser hineinlaufen kann. Wenn man zur jetzigen Jahreszeit sieht, läuft gar nicht soviel rein, es ist tiefer, man sieht es ja. Aber wir haben natürlich die Hochwassersituation, wir hatten ja viel Schnee in diesem Winter, hier kommt mit Sicherheit mehr Wasser an und dann läuft´s auch richtig rein."

    Genau das ist das Ziel der 230.000 Euro teuren Baumaßnahme: bei Hochwasser soll die Oder den Polder überfluten. Das in den letzten Jahren ausgetrocknete Überflutungsmoor kann neu entstehen, freut sich Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal.

    "Wir werden wieder ein Torfwachstum haben, was vorher unterbunden war, weil das Wasser einfach fehlte. Dadurch wird sich auch wieder eine natürliche Vegetation einstellen. Wir haben vorher eine sehr starke Verschilfung gehabt im Staffelder Polder, und es wird jetzt kleinräumig zu einem anderen Pflanzenwachstum kommen."

    Der Staffelder Polder gehört schon seit einigen Jahren zur Wildniszone des Nationalparks. Das bedeutet: Der Mensch zieht sich zurück, überlässt dieses Gebiet der Natur. Eine erste Folge: Die Vogelwelt verändert sich.

    "Die Arten, die offene Bereiche brauchen, sind sehr stark zurückgegangen, zum Beispiel Feldlerchen. Aber wir haben andere Vogelarten, die den Staffelder Polder als Lebensraum entdeckt haben, zum Beispiel sogenannte Rallen, das kleine Sumpfhuhn oder das Tüpfelsumpfhuhn, die alle auf der bundesweiten Roten Liste stehen, die in diesen feuchten Bereichen des Staffelder Polders einen neuen Lebensraum gefunden haben."

    Die MS Frankfurt tuckert an einem Biberbau vorbei. Zu DDR-Zeiten gab es an der Oder überhaupt keine Biber, mittlerweile sind es 75 Tiere, die im Nationalpark Bäume fällen und Burgen bauen. Gleich daneben ist die erste Deichschlitzung zu sehen - auf einer Länge von 100 Metern wurde er komplett abgetragen. Ein weißhaariger Mann an Deck schüttelt den Kopf. Karl Menanto, Ortsvorsteher von Mescherin, hält nichts von der Überflutung des Staffelder Polders.

    "Meiner Meinung nach, und auch der Meinung der Mescheriner Bürger und derer, die sich mit den Wiesen gut auskennen, die sagen, es ist mehr oder weniger Geld in den Sand gesetzt."

    Karl Menanto ist von Haus aus Landwirt, hat früher im volkseigenen Gut die Wiesen des Staffelder Polders bewirtschaftet. Wie so viele Landwirte in der Region kann er sich mit dem Nationalpark nicht richtig anfreunden, will nicht verstehen, warum die Natur sich selber überlassen werden soll, anstatt sie landwirtschaftlich zu nutzen. Brandenburgs Umweltstaatssekretär Dietmar Schulze argumentiert:

    "Die Moore haben natürlich für den Wasserhaushalt enorme Bedeutung, sie sind ja wie ein Schwamm, sie haben eine zunehmende Bedeutung für den Klimaschutz, und jetzt müssen wir sehen, inwieweit wir unsere Moore wieder so entwickeln können, dass die Herausforderungen im Klimaschutz und im Wasserhaushalt wieder mit berücksichtigt werden können."

    Die Öffnung des Polders an der Oder ist dabei nur ein kleiner Beitrag - derzeit gelten nur ein Prozent aller Moore in Brandenburg als gesund und ungestört.