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Freiheitsfest in Warschau
Ein Fanal für die Ukraine

US-Präsident Barack Obama hat "Russlands Aggressionen in der freien Ukraine" und anderen osteuropäischen Staaten verurteilt. Die Ereignisse in Polen vor 25 Jahren seien der Anfang vom Ende des Kommunismus gewesen. Russlands Präsident Putin warf der US-Regierung Scheinheiligkeit vor.

04.06.2014
    "Die Zeiten von Imperien und Einflusssphären sind vorbei", sagte Obama in seiner Grundsatzrede vor dutzenden Staats- und Regierungschefs in Warschau. "Nachdem so viel Blut vergossen und Kostbarkeiten vernichtet wurden, um Europa zusammenzuführen, werden wir nicht zulassen, dass die düsteren Taktiken des 20. Jahrhunderts dieses neue bestimmen", sagte Obama. "Unsere freien Nationen werden vereint sein, sodass weitere russische Provokationen einzig mehr Isolation und Kosten bedeuten." Europa müsse wachsam sein, denn "die Geschichte hat uns gelehrt, dass Fortschritt niemals als ausgemacht gilt".
    Der US-Präsident warnte Russland vor Aggressionen gegen einen NATO-Alliierten in Osteuropa. "Ihre Freiheit ist auch unsere." Obama erinnerte an Artikel 5 des NATO-Vertrages. Wer einen Verbündeten angreife, greife alle an. Russlands Annexion der zur Ukraine gehörenden Krim würden die USA "niemals akzeptieren", sagte Obama in Anwesenheit des designierten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. "Größere Staaten darf es nicht gestattet sein, die kleineren zu tyrannisieren."
    Putin: "Fast keine Soldaten im Ausland"
    Der russische Präsident Wladimir Putin, der nicht an dem Festakt zugegen war, beschuldigte die US-Regierung, sein Land wegen des Ukraine-Konflikts isolieren zu wollen. "Wir haben fast keine Soldaten im Ausland", sagte Putin im russischen Sotschi dem französischen Sender TF1. "Aber überall in der Welt sind US-Militärstützpunkte, amerikanische Soldaten tausende Kilometer von ihren Grenzen." Die USA "mischen sich in die inneren Angelegenheiten von diesem und jenem Land ein. Da ist es schwierig, uns einen Missbrauch vorzuwerfen". Zugleich zeigte sich Putin unzufrieden über Obamas Zögern, ihn am Rande der Gedenkveranstaltungen zum Ende des Ersten Weltkrieges in Frankreich zu treffen. "Es ist seine Entscheidung, ich bin zum Dialog bereit", sagte Putin. In Sotschi hätte heute das vereinbarte Treffen der sieben führenden Industrienationen und Russland stattfinden sollen. Die G7-Staaten sagten den Gipfel ab, treffen sich aber heute Abend in Brüssel.
    Russlands Präsident Wladimir Putin in seiner Residenz Novo-Ogaryovo
    Russlands Präsident Wladimir Putin in seiner Residenz Novo-Ogaryovo (AFP / Alexei Nikolsky)
    Merkel: "Wir haben einen langen Atem"
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechtfertigte das Treffen der Gruppe wichtiger Industriestaaten in Brüssel, das seit 16 Jahren erstmals ohne Russland stattfindet. Die G8 sei nicht nur eine ökonomische Gemeinschaft, sonder teile auch gemeinsame Werte, zu denen die Achtung des Völkerrechts gehöre. Die Annexion der Krim habe den Ausschluss Moskaus bei dem Treffen unumgänglich gemacht. "Wir haben einen langen Atem, wenn es darum geht, Freiheit, Recht und Selbstbestimmung auf dem europäischen Kontinent durchzusetzen", sagte Merkel an die Adresse von Kremlchef Wladimir Putin vor dem Hintergrund des Ukraine-Russland-Konflikts.
    "Der Anfang vom Ende des Kommunismus"
    Der US-Präsident ging in seiner Rede außerdem auf die Rolle Polens beim Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa ein. Die Wahlen am 4. Juni 1989 seien "der Anfang vom Ende des Kommunismus" gewesen, sagte er. Der Impuls aus Polen habe sich auch in anderen kommunistischen Ländern verbreitet. "Polen hat uns daran erinnert, dass manchmal die kleinen Schritte die Welt verändern können", sagte Obama unter dem Beifall Tausender Polen, die zur Gedenkfeier auf den Warschauer Schlossplatz gekommen waren.
    Vor 25 Jahren standen in Polen erstmals für rund ein Drittel der Parlamentsplätze auch Oppositionskandidaten zur Wahl. Diese Sitze wurden nahezu komplett von der Gewerkschaft Solidarnosc gewonnen, deren Verbot kurz zuvor aufgehoben worden war. Die halbfreien Wahlen gelten in Polen als entscheidender Wendepunkt auf dem Weg zur Demokratie. Zu den Feierlichkeiten am 25. Jahrestag waren zahlreiche Staatschefs gekommen, unter ihnen neben Obama und Poroschenko auch Bundespräsident Joachim Gauck.
    Polnisch-deutsche Freundschaft
    Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski sagte bei den Feierlichkeiten: "Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität der freien Welt mit denen, die um ihre Freiheit kämpfen, die von ihrer Freiheit träumen, die ihre Freiheit verteidigen." Und deshalb gebe es keine Freiheit ohne Solidarität mit der Ukraine.
    Komorowski beschwor zugleich die Freundschaft seines Landes zu Deutschland. Es gebe eine besondere Schicksalsgemeinschaft beider Völker, sagte er der "Bild"-Zeitung. Zum Festakt in Warschau sind hochrangige Politiker aus 40 Ländern angereist - darunter US-Präsident Barack Obama. Die Abwahl der kommunistischen Führung in Polen am 4. Juni 1989 habe einen unglaublichen Prozess ausgelöst, an dessen Ende die deutsche Einheit gestanden habe, betonte Präsident Bronislaw Komorowski. "Das sollten wir gemeinsam feiern, selten bietet die Geschichte eine Gelegenheit mit einem so wunderbaren Finale", sagte er.
    Gauck: Polnisch ist die europäische Sprache der Freiheit
    Bundespräsident Gauck würdigte zum Auftakt seines Besuches die Bedeutung der polnischen Freiheitsbewegung für die friedliche Revolution in der DDR. Er stehe mit großem Respekt und Dankbarkeit vor den Frauen und Männern, die viel früher aufgestanden sind, sagte Joachim Gauck am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion mit 1989 geborenen Studenten in Warschau. Gauck ergänzte, das Signal aus Polen habe schließlich den DDR-Bürgern Mut gemacht und zur friedlichen Revolution geführt. "Die europäische Sprache der Freiheit ist das Polnische", sagte Gauck, der 1989 als Rostocker Pfarrer selbst die Opposition in der DDR unterstützte.
    Bundespräsident Joachim Gauck
    Bundespräsident Joachim Gauck (AFP Photo / Adem Altan)
    (sdö/sima)