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Freimaurer auf Kuba
Enormer Zulauf

Die Revolution, staatliche Bespitzelung und Repressionen - vieles haben die Freimaurer auf Kuba im Laufe ihrer Geschichte überstanden. Seit einigen Jahren wächst die Bewegung stetig und feierte kürzlich wieder - und zwar die Gründung ihrer Großloge vor 160 Jahren.

Von Burkhard Birke |
Wie jedes Jahr am 5. Dezember feiert die Großloge Kubas ihre Gründung am Dankmal des kubanischen Nationalhelden José Marti
Wie jedes Jahr am 5. Dezember feiert die Großloge Kubas ihre Gründung am Dankmal des kubanischen Nationalhelden und Freimaurers José Marti (Deutschlandradio/Burkhard Birke)
Schwarze Anzüge oder dunkle Hose, weißes Hemd, Schurze und Orden, Fahnen: Hunderte Freimaurer aus aller Welt haben sich im Herzen Havannas eingefunden. Wie jedes Jahr am 5. Dezember feiert die Großloge Kubas ihre Gründung. Es werden Reden gehalten und Kränze niedergelegt an der Statue von José Marti, dem Dichter und Nationalhelden. José Marti und viele andere Unabhängigkeitskämpfer waren bekennende Freimaurer. Auch sie haben beigetragen zur Befreiung Kubas vom Joch der spanischen Kolonialherren.
Freimaurer bei den Feierlichkeiten zum 160-jährigen Jubiläum der Großloge
Freimaurer bei den Feierlichkeiten zum 160-jährigen Jubiläum der Großloge (Deutschlandradio/Burkhard Birke)
"Die Freimaurer sind aus der Geschichte unseres Landes nicht wegzudenken. Das hat dazu geführt, dass die Freimaurerei nie verboten wurde, obwohl das durchaus einmal erwogen wurde, aber es ging weiter, auch weil es zu den Grundsätzen der Freimaurer gehört, die jeweilige Regierung eines Landes zu respektieren", sagt der amtierende Großmeister Ernesto Zamora.
Bewegte Geschichte
Es gibt noch einen anderen Grund für das Überleben der Freimaurerei im postrevolutionären Kuba - und der geht zurück auf den Sturm Fidel Castros und seiner Gefährten auf die Moncada-Kaserne in Santiago 1953.
"Pedro Sarria, ein Offizier der Regierung, sah, dass jemand von Fidel Castros Männern einen Freimaurerring trug. Deshalb ließ er die ganze Gruppe um Fidel Castro am Leben. Das hat Castro geprägt. Denn ihm wurde klar, dass Freimaurer zusammenhalten. Zusammenhalt jenseits der Partei machte die Regierung immer nervös. Und so schleuste sie Agenten in die Logen ein, um uns zu beobachten", erzählt ein langjähriges Logenmitglied.
Großmeister Ernetso Zamora (rechts) im Gespräch mit einem Freimaurerlogenmitglied
Großmeister Ernetso Zamora (rechts) im Gespräch mit einem Freimaurerlogenmitglied (Deutschlandradio/Burkhard Birke)
Das ging so weit, dass ein früherer Großmeister, der Kinderarzt José Manuel Collera Vento, nicht nur Mitarbeiter des kubanischen Staatssicherheitsdienstes war, sondern sich ab 2000 sogar als Doppelagent des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA betätigt hatte. Andere berichten auch, dass zu Zeiten der Sowjetisierung Kubas, in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, Logenmitglieder Schwierigkeiten hatten, im Staatsdienst Karriere zu machen.
Ariel Perez Lago: "Es gab gewisse Einschränkungen und Verbote. Es war sehr schwierig, als bekennender Freimaurer oder Mitglied einer religiösen Vereinigung eine gewisse Karrierestufe oder einen bestimmten Sozialstatus zu erreichen. Das hat sich in den 1990er-Jahren geändert. In der Verfassung wurde der Staatsatheismus durch Laizismus ersetzt. Kuba ist nun keine atheistische, sondern eine laizistische Gesellschaft."
Solidarisch und nicht religiös
Die neue Verfassung gewährt Vereinigungen wie den Freimaurern auch den Status juristischer Personen. Damit sind sie formell anerkannt. Und Ariel Perez Lago selbst ist ein lebendiger Beweis, dass die Politik sich wandelt und die Weltanschauung eine Karriere nicht ausschließt: Er ist aktiver Freimaurer und Direktor beim Staatsrundfunk. Dennoch hat die Regierung ein wachsames Auge auf Organisationen wie die Freimaurer.
"Die Regierung unterhält ein Büro für Religiöse Angelegenheiten, das von Frau Caridad Diego geleitet wird. Dieses Büro steht im Kontakt mit allen religiösen Vereinigungen und nicht-religiösen, solidarischen Organisationen wie den Freimaurern. Die Freimaurer respektieren die Regierung und Organisationen des Landes und pflegen den Dialog mit dem Büro."
Vor allem halten sich Freimaurer – getreu ihren Grundsätzen – aus politischen und religiösen Fragen heraus, betont der amtierende Großmeister Ernesto Zamora weiter. Die Freimaurer leisten humanitäre Hilfe – eine Solidarität, die gerade in Zeiten großer Versorgungsnot gefragt ist. Im Südosten Havannas unterhält die Loge ein Altersheim, dessen Kapazität auch mit ausländischer Hilfe gerade auf 190 Plätze verdoppelt wird. Vor der Revolution unterhielten die Freimaurer auf Kuba auch Schulen, Hospitäler und Universitäten. Die Revolution verstaatlichte fast alle Einrichtungen, sogar das Logenhaus, nicht aber das Altersheim in Havanna.
Zahl der Mitglieder wächst
Viele Freimaurer kehrten ihrer Heimat den Rücken, die meisten gingen nach Florida, wo ein US-amerikanischer Ableger der Großloge Kubas entstand. Ariel Perez Lago, der frühere Großredner der Loge:
Freimaurer führen ein Ritual während einer Zeremonie in einem Tempel in Havanna, am 27. Juni 2017 durch.
Die Freimaurer während eines Rituals in einem Tempel in Havanna im Jahr 2017 (AFP / Alberto Roque)
"Die Zahl ging damals von 35.000 auf 14.000 bis 15.000 zurück. Anfang der 90er-Jahre, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks durch den Mauerfall in Berlin, erlebte Kuba eine Krise, eine Krise der Werte. In solchen Situationen suchen die Menschen Zuflucht bei Organisationen, die Werte verteidigen. Deshalb wächst die Mitgliederzahl der Freimaurer auf Kuba seit 1990 stetig. Heutzutage zählen wir zwischen 28.000 und 29.000 Freimaurer auf Kuba."
"Die Botschaft an die Kubaner lautet: Einigkeit!"
Doppelt so viele wie in Deutschland, wo achtmal mehr Einwohner leben! 323 Logen gibt es auf Kuba. Junge Menschen werden in eigenen Jugendorganisationen an Werte wie Toleranz, Solidarität, Mäßigung und Brüderlichkeit herangeführt. Freimaurer geben sich solidarisch, hilfsbereit und brüderlich, helfen da, wo der Staat nicht kann, obwohl sie selbst nur über begrenzte Mittel verfügen. Großmeister Ernesto Zamora:
"Die Botschaft an die Kubaner lautet: Einigkeit! Nur geeint können wir unsere Ziele erreichen, Liebe und Frieden, sozialen und menschlichen Frieden suchen, die Botschaft geht an die ganze Menschheit vor dem Hintergrund der Kriege, Hungersnöte, den Problemen mit dem Klimawandel – eine Botschaft der Einheit trotz all der negativen Entwicklungen."