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Freimaurer
Bausteine für eine bessere Welt

Freimaurer haben auch heute keinen leichten Stand. Anhänger von Verschwörungsmythen unterstellen ihnen alles Mögliche. Noch schlimmer war es im nationalsozialistischen Deutschland. Da wurden Freimaurer verfolgt. Aber kaum jemand fragt: Was wollen die Freimaurer eigentlich?

Von Wolfgang Meyer |
Der Mosaikfußboden einer Bostoner Freimaurerloge zeigt Zirkel und Winkelmaß, die den Buchstaben "G" umschließen
Mit Zirkel und Winkelmaß arbeiten Freimaurer am rauen Stein (imago stock&people)
"Erkenne Dich selbst!"
So soll es in Vorzeiten eingemeißelt worden sein: Oben, über dem Eingang zu Apollos Tempel in Delphi. Erkenne Dich selbst. Erkennen heißt offenbar Arbeiten. Der Mensch, der sich selbst zu erkennen hat, er arbeitet am rauen Stein. Und dieser raue Stein ist er selbst.
"Die Grundauffassung des Freimaurers ist, dass der Freimaurer als Mensch zwar zur Besserung berufen ist, aber dieses Ziel noch nicht erreicht hat," sagt Professor Hans-Hermann Höhmann, Redner der "Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland", der größten deutschen Freimaurervereinigung. Und weiter: "Er muss an sich selbst arbeiten - dazu der Spitzhammer -, seine rauen Ecken beschlagen, er muss ein Baustein werden, den man auch in den Bau einsetzen kann."

Ein rechteckiger, sakral wirkender Raum im Logenhaus zu Köln, ein Saal in ost-westlicher Ausrichtung. Hohe Decken, keine Fenster, Stuhlreihen an den Längsseiten. Und die Stirnseiten – jeweils im Osten und im Westen, werden von abgestuften Podesten und Pulten beherrscht.
"In diesem Tempelraum finden unsere Rituale statt. Das sind, so kann man sagen, spirituelle Erfahrungsmomente, mit Symbolen konfrontiert," so Hans-Hermann Höhmann, "das Ritual besteht im Wesentlichen aus Wechselgesprächen: Im Osten sitzt der Meister vom Stuhl und leitet die Loge, im Westen sitzen die beiden Aufseher, die drei führen Wechselgespräche, so performative Gespräche."
Das aktive Handeln steht im Zentrum
"Ein Hinterzimmer in einer Kneipe kann ein Tempel sein, und es wird erst durch das, was Menschen darin symbolisch betreiben, zu etwas anderem. Und wenn wir damit aufhören, ist es wieder etwas anderes," gibt Klaus-Jürgen Grün zu bedenken, Professor der Philosophie, Freimaurer der Loge "Zur Einigkeit" in Frankfurt am Main: "Also die Gewöhnung daran, dass wir die Worte nicht mit den Dingen verwechseln und dass wir nicht irgendwelchen Dingen durch die Worte etwas Besonderes zuschreiben, das hat mit Freimaurerei zu tun und scheint mir eine ganz wichtige Übung in der gegenwärtigen Welt zu sein."
Es gehe um performative Akte, so der Professor. Indem ein Mensch handelt – auch wenn es nur symbolhaftes Handeln ist - verändert er sich und die Welt. Vergleichbar mit einer Hochzeit: Indem ein Mensch "Ja" sagt und sich einem Ritual unterzieht, wechselt er den Status: von ledig in verheiratet.
"So ist das, ja. Jedes Ritual ist ein performativer Akt. Wir haben Rituale in der Kirche, in jeder religiösen Gemeinschaft. Und da können wir einen Unterschied sehen: In der Liturgie passiert es beispielsweise, dass die Frommen in die Kirche gehen, weil sie glauben, der Priester oder der Pfarrer tritt in eine direkte Beziehung zu ihrem Gott. Dort ist alles wörtlich gemeint. Er sagt, 'ich bete dich an' oder 'dies ist mein Leib'. In der Kirche wird das Ritual so zelebriert, dass der Gast in der Kirche, die Gemeinde, Beobachter ist dessen, was ein geweihter Priester tut, von dem man denkt, dass alles was er sagt und tut eine magische Bedeutung hat. In der Freimaurerei wird diese Magie zurückgeschraubt auf eine reine Diesseitigkeit. Jedes Ritual in der Freimaurerei ist dazu da, uns daran zu erinnern: Wir tun so, als ob es so wäre - und schaffen damit eine gewandelte Vorstellung von Bedeutungen."
In der NS-Zeit wurden auch Freimaurer verfolgt
Und was machen sie nun wirklich, die Freimaurer?
"Meine Brüder, wir erheben uns."
Freimaurer galten und gelten seit den Anfängen als Geheimniskrämer, als Geheimbündler – bald auch als gefährliche Verschwörer.
"Freimauer haben genau wie die Juden als Organisation der Juden, in der dumme arische Gimpel eingefangen wurden, mit Brimborium ..."
1943 - Heinrich Himmler, Reichsführer SS, Polizeichef, Reichsinnenminister.
"...und in Wirklichkeit in einem hohen politischen Zweck den November 1918 geplant, betrieben, vorausgesagt und durchgeführt, genau wie die Juden, genau wie die Kommunisten."
Die Freimaurer waren angeblich verantwortlich für die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg. Eine Verschwörung. Sie seien der deutschen Armee in den Rücken gefallen. So wie die Kommunisten.
"Also, es war für die Nazis immer klar: Juden und Freimaurer, die stecken unter einer Decke, und da konnten sie auch auf alte, christlich-katholische Überzeugungen zurückgreifen."
Eine Porträtaufnahme zeigt Michael Blume. Er ist Religionswissenschaftler und baden-württembergischer Antisemitismusbeauftragter.
Michael Blume betont, dass die Verfolgung der Freimaurer im Nationalsozialismus ein anderes Niveau hatte als die von Juden, Sinti oder Roma (privat)
Michael Blume, Religionswissenschaftler, Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus.
"Allerdings muss man ganz klar sagen: Der Vernichtungswille, der galt in erster Linie jüdischen Gemeinden, die wurden wirklich ermordet und vernichtet. Freimaurer, da gab es auch Verfolgungen, die waren aber nicht in der gleichen Weise wie gegen Juden und Roma und Sinti."
Alte Vorurteile treffen auf neue
Auch heute noch müssen Freimaurer mit Anfeindungen oder Angriffen rechnen: Im Frühjahr 2019 haben sogenannte "Gelbwesten" in Frankreich eine Freimaurerloge gestürmt und das Inventar zertrümmert. In Iserlohn haben Unbekannte das Logenhaus mit Hakenkreuzen beschmiert.
"Ich sag ja immer gerne, wenn die Rotarier eine Reibekuchenbude machen auf dem Weihnachtsmarkt, dann gehen die Leute hin und essen gerne."
Hans-Hermann Höhmann.
"Wenn die Freimaurer das tun, dann sagen die Leute: Ach, Freimaurer! Wer weiß, was die da reinbacken."
Alte Vorurteile treffen auf neue. So hat etwa der amerikanische Schriftsteller Dan Brown mit seinen Romanen den Logen einen ganz frischen Hauch des Obskuren und Mythischen verliehen. Dafür aber - so sieht es Hans-Hermann Höhmann – seien die Freimaurer mitverantwortlich.
"Wir leiden unter diesem obskuren Bild, tragen aber manchmal dazu bei, es zu erhalten. Denn wir kokettieren auch mit diesen geheimen Riten. Wir finden das eigentlich ganz schick. Sollen sich doch die Leute ihre Gedanken machen. Deswegen war auch der nicht gerade als Freimauer-Forschung taugliche Roman von Dan Brown, 'The lost symbol', so populär auch innerhalb der Freimaurer."
"'Oh Gott!', rief er aus. Alle sahen es. Alle zuckten zusammen. Langdon starrte ungläubig in den hintersten Teil der Kammer. Zu seinem Entsetzen starrte etwas zurück."
Aus: "Das verlorene Symbol" von Dan Brown. Der Symbolologe Professor Robert Langdon dringt – zumindest in dieser Fiktion - tief ein in die Sitten, Rituale und Geheimnisse der amerikanischen Freimaurer und lehrt den Leser: Angeblich hätten die Freimaurer die Vereinigten Staaten gegründet.
In dem Tempel der Freimaurer Loge "Zu den ehernen Säulen" in Dresden (Sachsen) stehen typische Utensilien der Freimaurer, aufgenommen am 03.06.2015. Eine Bibel, ein Totenschädel, Blumen, Kerzen und eine Sanduhr. Die fünf Grundideale der Freimaurerei sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität.
Typische Utensilien des Rituals in einem Freimaurer-Tempel (Picture Alliance / dpa / Arno Burgi)
"Ein menschlicher Schädel. Er ruhte auf einem klapprigen Holztisch an der Rückwand der Kammer. Vor dem Schädel lagen zwei gekreuzte Oberschenkelknochen sowie eine Reihe anderer Dinge, die mit akribischer Sorgfalt wie auf einem Altar angeordnet worden waren. Neben dem Tisch lehnte eine Sense mit furchterregend langer Schneide an der Wand, ein Anblick wie Gevatter Tod persönlich."
"Wir haben natürlich viele Böswillige, die diese Welt der bösen Bilder lieben und nicht davon abrücken wollen", sagt Hans-Hermann Höhmann.
"Das ist ein Freimaurerraum? Langdon nickte. Man nennt ihn Vorbereitungsraum oder Dunkle Kammer. Diese kalten, nüchternen Orte sollen dazu dienen, über die eigene Sterblichkeit nachzusinnen."
Schädel, Blut und dunkle Kammern
"Ja, es gibt so einen Schädel, aber in den aufgeklärten Logen, den humanitären Logen trinkt man kein Blut mehr."
Klaus-Jürgen Grün.
"Das Blut ist da nur noch in manchen Logen in manchen Ritualen symbolisch für die Umwandlung des Kreuzes des Leides in das Kreuz der Liebe. Und da ist dann der Rotwein natürlich, eine ganz andere Art von Blut."
Und es sei auch immer schon – nur - Rotwein gewesen. Klaus-Jürgen Grün gewährt einen Einblick in die Dunkle Kammer. Hier im Frankfurter Logenhaus, unweit des Bahnhofs. Wirklich eine Kammer - mit dunklen Vorhängen. Wer in die Loge aufgenommen wird, erlebt in dieser Düsternis seinen persönlichen Initiationsritus.
"Er wird abgetrennt von der Gemeinschaft. Und dann erlebt er sich dort in einer Weise mal ganz alleine mit sich selber."
Winkelmaß, Zirkel und Licht
24. Juni 1717. In England bilden die Logen die erste Freimaurergroßloge. Die Wurzeln der Freimaurer reichen aber noch tiefer. Schon in den Jahrhunderten zuvor bilden die Steinmetze Bruderschaften, um sich gegenseitig zu schützen und zu unterstützen. Und zur Weitergabe handwerklicher Kenntnisse. Damals gab es, anders als in den Jahren danach, anders auch als heute, keine Vorbehalte seitens der katholischen Kirche. Im Gegenteil: In den Anfängen pflegten die organisierten Maurer eine enge Verbindung etwa mit den Benediktinern. Ihr Maurer-Wissen überlieferten sie mündlich, da kaum jemand lesen und schreiben konnte. Oder mithilfe von Symbolen und Erkennungszeichen. Die gängigsten finden sich heute in jedem gut sortierten Baumarkt:
Das Winkelmaß. Es steht dafür, ein aufrechtes Leben zu führen, für Werte wie Ehrlichkeit und Geradlinigkeit. Auch für Regeln und Ordnung.
Der Zirkel. Er steht für den Kreislauf des Lebens, aber auch für Unendlichkeit und Unsterblichkeit der Gemeinschaft. Und für den inneren Kreis, den inneren persönlichen Freiraum des Menschen.
Das Licht. Symbolisiert Wissen, Erkenntnis, Weisheit und Wärme.
Das Eingangstor der Frankfurter Freimaurerloge "Zur Einigkeit" ist mit dem Logensymbol geschmückt - Zirkel und Winkelmaß, Kelle und Spitzhammer
Die Freimaurer legen großen Wert auf ihre Symbole (Deutschlandradio / Wolfgang Meyer)
"Es gibt zwei Richtungen in der Freimaurerei"
"Meine Brüder, wir erheben uns. Da ich mich durch die freie Wahl meiner Brüder im Osten befinde, mithin die rechte Zeit ist, unsere Arbeiten zu beginnen, so eröffne ich diese gerechte und vollkommene Loge nach den alten Gebräuchen der Freimaurerei!"
Einige der Erkennungszeichen, vor allem aber die meisten Rituale waren und sind nur Freimaurern zugänglich.
"Man muss natürlich sehen, dass die Freimaurerei als solche keinen einheitlichen Block gebildet hat."
Matthias Pöhlmann, Sekten- und Weltanschauungsberater der evangelischen Kirche.
"Es gibt unterschiedliche Lehrarten, Lehrsysteme, und man kann vielleicht grob sagen: Es gibt zwei Richtungen, auch heute noch in der Freimaurerei: Eine Richtung, die sehr stark sich der Humanität verpflichtet sieht, dem Erbe der Aufklärung - auf der anderen Seite eine Richtung, die die Freimaurerei stärker als Mysterien-Bund begreift."
"Die Esoterik geht davon aus, dass der Weltenschöpfer, der große Baumeister vor aller biblischen Offenbarung geheime Zeichen versteckt hat, Zahlen etwa, die man entschlüsseln kann. Dafür sind die esoterischen Bündnisse da."
Professor Höhmann.
"Wir sind dieser Auffassung nicht. Für uns muss man sich das Vernünftige erarbeiten. Durch klares Denken, durch das Gespräch miteinander - nach Lessing: Nichts geht über das Laut-Denken mit einem Freunde."
Vom Lehrling zum Meister
Erkenne Dich selbst!
"Wir wollen uns aus unseren eigenen Vorurteilen herausdenken. Dazu versuchen wir, eine gewisse Gesprächskultur zu entwickeln, sage ich immer gerne."
Wer aufgenommen werden will in einer Loge, ist der Suchende. Wird er aufgenommen, durchläuft der Freimaurer drei Grade:
Schau in Dich hinein! Das ist dann die Aufgabe des "Lehrlings". Wer bist Du? Sollen sich die frisch Aufgenommenen fragen.
Schau um Dich! Dies wird von jenen erwartet, die die nächste Stufe erreichen, die sich zum "Gesellen" entwickelt haben.
Schau über Dich hinaus! Ist am Ende das Ziel des "Meisters".
Die Aufklärung befeuert das Freimaurertum
Die große Zeit der Logen ist nicht zufällig das 18. und frühe 19. Jahrhundert gewesen, die große Zeit der Aufklärung, die Zeit des neuen Rationalismus. Mit der Aufklärung stürzt, was Jahrhunderte gehalten hatte: die Welt- und Gesellschaftsordnung. Das ist damals tatsächlich die Sprengkraft auch des Freimaurerdenkens.
"In der Aufklärung wird sich das intellektuelle Bewusstsein bewusst, dass das Bewusstsein, dass ein Fürst Fürst ist, nicht beim Fürsten liegt, sondern bei den Untertanen. Wenn die Untertanen nicht mehr glauben, dass der Fürst Fürst ist, dann ist er bald auch keiner mehr."
Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt.
Der Philosoph und Freimaurer Klaus-Jürgen Grün
Klaus-Jürgen Grün ist Philosoph und Freimaurer (Privat / CAES der Frankfurt University of Applied Sciences)
"Diese Wandlung der Bedeutung, wer die tragende Kraft des Fortschritts ist, ist ein Entwicklungsschub der Aufklärung und ein Fundament der Entstehung der Freimaurerei. In der Freimaurerloge kommen Männer zusammen, die verschiedenen Ständen angehören, die wären sich in der früheren Gesellschaft normalerweise niemals begegnet."
"Unsere Gesellschaft braucht Kitt"
Zu den Säulen der Freimaurerei gehört auch die Geselligkeit. Logen veranstalten bunte Abende in ihren Logenhäusern – die Mitglieder der Männer- und Frauenlogen sitzen dann gemeinsam im festlichen Bankettsaal, auch mit externen Gästen und - wie in diesem Fall - mit Programm: Whisky-Verkostung mit Dudelsackmusik. Hans-Hermann Höhmann:
"Wir sind dazu da, Menschen zusammenzuführen. Wir sind ein Stück Kitt, der Menschen verbindet. Unsere Gesellschaft braucht Kitt, braucht die Offenheit der Menschen füreinander und braucht die Absage an die schrillen Töne von Rassismus, von Fundamentalismus und dergleichen. Die wird man in der Freimaurerei nicht finden."
Eine weitere Säule: der Einsatz für karitative Zwecke. Wie andere Bünde, etwa die Rotarier, engagieren sich Logen, etwa bei der Hilfe für benachteiligte Kinder oder für andere soziale Aufgaben. Klaus-Jürgen Grün:
"Die Freimaurerei hat dort ihre Stärke, wo sie sich nicht mit einer bestimmten Ethik und einer bestimmten Moral für identisch erklärt, sondern die Menschen daran gewöhnt: Wir müssen selbst verantworten, was wir tun. Das ist das Spannende."
Christentum und Freimaurerei
Nicht nur weltliche Herrscher, auch die katholische Kirche hat immer wieder Anstoß genommen an diesen Menschen, die danach streben, ihrer eigenen Verantwortung zu folgen. Papst Clemens XII. hat bereits kurz nach der Gründung der ersten Großloge - im Jahr 1717 in London - die Mitgliedschaft verboten. Noch heute ist es aus kirchlicher Perspektive unvereinbar, ein Freimaurer zu sein und ein Katholik. Hans-Hermann Höhmann:
"Na ja, ich denke, es ist eine Frage der Konkurrenz, ganz einfach. Die Freimaurerei schließt die Zugehörigkeit zur Kirche nicht aus, aber bis zu einem gewissen Grade verwandelt sie doch die Menschen. Und wer als Christ Freimaurer ist, wird ein anderer Christ sein, als er vielleicht in einem etwas dogmatischen Umfeld geblieben wäre. Und das ist natürlich eine Konkurrenzsituation. Der einzelne Freimaurer hat das Recht auf seine eigene Überzeugung, aber von ihm wird nicht verlangt, dass er relativistisch ist in seinen eigenen religiösen Glaubenssetzungen. Er kann ein wirklich praktizierender und gläubiger Christ sein und gleichzeitig ein Freimaurer, wenn er ein offener Mensch ist und auch mit anderen Menschen kommunizieren möchte. Denn eins will Freimaurerei auf alle Fälle sein – das hat Lessing schon dargelegt: Freimaurerei will eine Institution des Brückenbaus sein!"
Eine Büste Lessings steht im sächsischen Kamenz vor dem 1931 eröffneten Lessing-Haus.
Gotthold Ephraim Lessing war einer der bedeutendsten Vertreter der Aufklärung in Deutschland - und offen für die Ideen der Freimaurer. (picture alliance / dpa )
Alle Menschen sind gleich. Alle Menschen sind Brüder. Alle Menschen müssen frei sein. Lessing hat in seinen religionsphilosophischen Schriften ein "Christentum der Vernunft" propagiert. Und die orthodoxe "Buchstabenhörigkeit" abgelehnt. Weltoffenheit und Toleranz, dazu die Grundsätze des humanistischen Denkens, das Festhalten an der Würde des Menschen – das sind die Bausteine der modernen Freimaurerei. Oder in ihren eigenen Worten:
"Daheim ist sie Güte, im Geschäft ist sie Ehrenhaftigkeit, in der Arbeit ist sie Anständigkeit, Unglücklichen ist sie Mitleid, gegen das Unrecht ist sie Widerstand, für das Schwache ist sie Hilfe, dem Gesetz gegenüber ist sie Treue. Vor Gott ist sie Ehrfurcht und Liebe."
Vorbild statt Abbild
Ein Ansatz, der in unsere Tage passt? Hans-Hermann Höhmann:
"Wir können beobachten, dass das Interesse an Freimaurerei bei jungen Leuten zunimmt; offensichtlich, weil ein Teil doch das Gefühl haben, hier etwas zu finden, was sie suchen."
Klaus-Jürgen Grün: "In dieser Hinsicht sehe ich die Freimaurerei als eine ganz große Möglichkeit, den modernen Menschen ein Stückchen mit dem Gedanken der Menschlichkeit neu vertraut zu machen. Wenn ich dieses alte Bewusstsein, dass ich nur Abbild bin, also entweder Abbild der Vernunft, Abbild der Regeln, die immer gegolten haben, Abbild der Obrigkeit, die etwas Bestimmtes mit mir vorhat, ganz zu schweigen von dem Abbild Gottes, was natürlich jeder für sich selbst entscheiden kann … aber wenn ich den Menschen daran gewöhne, dass er niemals nur Abbild ist, sondern vor allem durch sein Tun immer Vorbild wird, diese Schaffenskraft und der humanitäre Gedanke, der damit verbunden ist, der kann durchaus etwas bewirken in einer Welt, in der die Orientierungslosigkeit recht groß geworden ist. Aber nicht, dass er ein neues Ziel festlegt, sondern dass er den Menschen damit vertraut macht: Er kann in alle Richtungen gehen. Er muss es nur verantworten."
Selbstverantwortlichkeit. Erkenne Dich selbst. Zweifel sind erwünscht. Steckt hinter diesen Begriffen nicht auch wieder eine Ideologie? Klaus-Jürgen Grün:
"Die Freimaurerei ist vergleichbar mit einem Kunstwerk im Museum. Sie haben das Erlebnis, da ist etwas, was Sie verändert. Sie wollen das weiter auf sich wirken lassen. Aber sobald jetzt jemand sagt, 'Ohne das geht es nicht mehr', oder Ihnen sogar definiert, was die einzige Art Kunst zu sein bedeute, dann hört es auf, Kunst zu sein."
"So schließe ich diese gerechte und vollkommene Lehrlingsloge in Ehrfurcht vor dem großen Baumeister der Welten durch die uns heilige Zahl."