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Freiwasserpraxis, Dolgen

Im Mai endlich geht es für die angehenden Forschungstaucher ab ins Freiwasser! Auch die Uni Rostock in Mecklenburg beziehungsweise ein der Universität angeschlossenes Weiterbildungsinstitut bildet Forschungstaucher aus – aus eigenem Interesse, schließlich gibt es in Warnemünde das Institut für Ostseeforschung, dass immer wieder auch Forschungstaucher unter Wasser schickt. Außerdem hat das wissenschaftliche Tauchen ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern eine lange Geschichte.

    Jetzt heißt es eintauchen in den Dolgener See, in idyllischer Landschaft zwischen Rostock und Güstrow. Und – Stunden ‚'reißen'‘. 30 Zeitstunden im Freiwasser sind vorgeschrieben – etwa 20 davon versuchen die 8 Männer und 3 Frauen in 10 Tagen zu schaffen. Das hört sich nach wenig an, aber bei 15 Grad Wassertemperatur keine leichte Aufgabe. Aber – aufgeben gilt nicht und Aufgaben gibt es genug:

    Wie das funktioniert wisst ihr? Der Hebeballon ist dran, die Werkbank wird jetzt einfach ins Wasser geschmissen, sodass nichts passiert, anschließend von zwei Tauchern aufgerichtet, der Hebeballon muss dann gefüllt werden, und dann wird sie von zwei Tauchern hingezogen. Bei einer Wassertiefe von drei Metern haben wir damit kein Problem. Da wird es dann abgelassen, und dann die Werkbank in den Schlick eingegraben. Das geht, indem man sie einfach hin und her bewegt, die wird dann absacken und im Endeffekt steht sie dann so 20, 30 Zentimeter überm Grund.

    Die beiden erfahrensten Taucher der Gruppe ziehen die kleine Werkbank etwa 20 Meter auf den See hinaus, von zwei Signalleuten an der Leine geführt, um im trüben Seewasser den Weg zu finden. An der Werkbank sollen die Taucher unter Wasser sägen und meißeln, sich an Unterwasserarbeit gewöhnen. So wie an den anderen Stationen, die in Stegnähe eingerichtet werden: Bojen zum Strecken- oder Kompasstauchen, eine sogenannte Transsekte, ein Metallrahmen in dessen Feldern Pflanzen ausgezählt oder Muscheln gezeichnet werden können, wird versenkt – zum Ausruhen ist keine Zeit, alle – Frauen wie Männer – haben von Anfang an zu tun. Nach einer ganzen Weile sind die ersten Arbeiten im Dolgener See erledigt – und die Taucher, so wie Kai Schaake auch :

    Problematisch waren beim Einsteig die Gewichte zum Beschweren der Boje. Um die im schwebenden Zustand transportieren zu können, hätte man so viel Luft in den Anzug pumpen müssen, dass man senkrecht im Wasser stehen müsste. Geht aber bei der geringen Wassertiefe, die wir hier haben nicht, und dann guckten die Füße raus, sodass ich ohne Luft tauchen musste und die Gewichte vor mir in den Sand gestellt habe und mich dann praktisch an denen entlanggehangelt habe. Wenn nicht hinterher noch Wasser in den Anzug gekommen wäre – nass war ich da auch schon.

    Nach zwei Tagen und der ersten Gewöhnung, geht es für eine Hälfte der Gruppe nach Güstrow in den Natur- und Umweltpark! Ein Highlight der Ausbildung – wo viele Arbeitsstunden warten! Im Natur- und Umweltpark, einem Expo-Projekt, ist eine Flusslandschaft samt kleinem Teich nachgebaut. Der Teich ist auch für Publikum ‚'begehbar'‘, also vom Gebäudeinneren durch dicke Glasscheiben einzusehen. Fette Karpfen, wohlgenährte Regenbogenforellen, Rotfedern und andere typische Fische sind zum Anfassen nah – doch – so unglaublich das klingt – die Sichtscheiben und der Kiesboden müssen täglich von Tauchern gereinigt werden! Und während der Ausbildung in Dolgen übernehmen die angehenden Forschungstaucher diesen Job. Dietmar Findeklee, Techniker im Park macht die Einweisung in Putzgeräte und den sogenannten Mulmsauger.

    Algenschlick statt Staub saugen und das möglichst lange! Eine Arbeit, die die Parkmitarbeiter täglich machen müssen und die so gar nicht nach Forschungstauchen aussieht. Doch Ausbilder Gerd Niedzwiedz widerspricht :

    Saugen sind durchaus typische Forschungstaucharbeiten, ich denke nur an die Problematik Unterwasserarchäologie. Und putzen, putzen kann ich nur dann, wenn ich ordentlich im Wasser austariert bin und auch das ist ne Übungsfrage. Und demzufolge ist die Arbeit hier A) interessant, man sieht mal was anderes, es ist abwechslungsreich und B) bleibt man in Übung. .

    Wer gerade nicht taucht, muss die Pumpen für die Mulmsauger bedienen. Dietmar Findeklee:

    Wir schalten sie erst ganz normal an. Da sieht man auch, wenn man den Filter wechseln muss. Wenn das bisschen nachlässt, Pumpe abschalten, dann sieht man, das Filter voll ist, abschalten, absperren, aufschrauben. Haben nur eine als Ersatz, man muss sich abwechseln . Den leeren Filter rein, jedes Mal ankippen, sonst wenn Du unten liegst kommt dir vor wie ne Ewigkeit wenn Pumpe abgeschaltet ist. Dann merkst du das nichts saust, wartest eben.

    Uwe Hehl, Techniker am Institut für Ostseeforschung, geht als einer der ersten ‚'Putztaucher'‘ in den kleinen Teich :

    Es ist erst mal ein bisschen ungewohnt, aber Bedenken habe ich eigentlich nicht weiter, weil wir schon ein bisschen vortrainiert haben, und ich denke mal, die Situation ist hier super gegeben dafür, dass man eben noch ein paar Lehrstunden nebenbei machen kann. Relativ klar, sechs Meter Sicht und nette Fische um sich rum, man ist in netter Begleitung und dadurch wird es riesig Spaß machen.

    Nach einer Stunde und 50 Minuten ist der Algenspezialist Christof Schygula einer der ersten, der aus dem Teich steigt :

    Am Anfang war es sehr gewöhnungsbedürftig, weil es mit diesem Ansaugteil nicht wirklich funktioniert hat, es waren teilweise Algen auf der Scheibe, und es rutschte hin und her, aber wenn man sich gewöhnt hat, nach halber Stunde ging super. Ich war jetzt eine Stunde und 50 Minuten drin, klar, dass man keine Kräfte mehr hat – ich bin wirklich fertig. Zumindest hatte man ein Gefühl, wie schwer man unter Wasser arbeiten kann, und wie schnell so eine Flasche leer ist. Eine Erfahrung war es wert, ich habe noch nie unter Wasser geputzt, und mit den Fischen war es ganz toll. Ich habe hin und wieder eine Minute Pause gemacht, und dann bin ich von der Scheibe weggeschwommen um ein bisschen mit den Fischen zu schwimmen und zu gucken.

    Schon nach den ersten drei Tagen sind Fortschritte bei allen zu sehen. Der tägliche Ablauf pendelt sich ein, die Faxenmacher reißen sich zusammen, langsam kommt ein wenig Routine. Wer die Ausbildung zum Forschungstaucher geschafft hat, gilt als fortgeschrittener, erfahrenerer Taucher, auf den hier und da der eine oder andere Job wartet. Nicht ständig natürlich – denn Unterwasserforschung kostet eine Menge Geld! Wer sich jedoch bemüht und sich schon während des Studiums um seine späteren Forschungsideen Gedanken macht, hat gute Chancen, die teure Ausbildung auch einsetzen zu können! Nicht nur in kalten deutschen Gewässern, sondern auch mal im Mittelmeer.