Im Gerätehaus in Tantow, gleich hinterm Bahnhof, dem Grenzbahnhof nach Polen, fährt ein Kamerad der Freiwilligen Feuerwehr das fast 40 Jahre alte Löschfahrzeug nach draußen. Zehn Aktive sind zur routinemäßigen Übung gekommen, auch Edyta Szczepanska und ihr Mann Jarek.
Um zu üben - für den Ernstfall.
"Wir haben schon gehabt: Kleine Feuer, große Feuer, zum Beispiel ein ganzes Feld, am meisten sind Unfälle auf dieser Kreuzung da", sagt Jarek Szczepanska. "Da, wo die Kreuzung nach Polen ist. Sehr oft muss der Hubschrauber kommen, die Leute abholen."
Edyta und Jarek sind vor sechs Jahren nach Deutschland gekommen, die kleine Laura ist hier geboren. Sie kamen, weil es hier unbürokratischer zugehe, und auch wegen der politischen Situation in Polen. Zusammen mit den sieben anderen Kameraden aus Polen sichern sie das Überleben der Feuerwehr.
Die Feuerwehr als Dorfmittelpunkt
"Am Tage, denke ich, geht es nicht mehr ohne polnische Kameraden", sagt Jarek Szczepanska. "Weil viele unserer deutschen Kameraden tagsüber auf der Arbeit sind. Und ganz weit weg von hier. Manche von uns sind hier, arbeiten von zu Hause, können auf jeden Einsatz reagieren. Also, ich denke ohne polnische Kameraden geht es nicht mehr."
Jarek, sympathischer Typ, raspelkurze, graue Haare, ist Maschinist - das heißt: Er kann die Löschpumpe bedienen und darf auch die Feuerwehrautos fahren und ist darum besonders wichtig. Er betreibt von zuhause einen Onlinehandel, ist immer einsatzbereit. Und wie überall ist auch in Tantow die Feuerwehr nicht nur Retter, sondern auch Dorfmittelpunkt.
"Es ist auch besser für uns, wenn wir andere Leute kennenlernen können", erklärt Edyta Szczepanska. "Dass wir zeigen können, dass wir keine schlimmen Leute sind, oder irgendwelche, die man nicht kennt. Sondern alle kennen uns hier und wir haben keine Probleme."
Das ist alles andere als selbstverständlich. Andere Ortsfeuerwehren, sagt Jarek, wollen keine Polen in ihren Reihen und nehmen damit sogar in Kauf, nicht mehr ausrücken zu können, wenn es ernst wird.
Ressentiments gegen Polen in der Feuerwehr
"Ich weiß, dass in Gartz, zum Beispiel, eine große Freiwillige Feuerwehr ist mit neuen Autos, aber da, bei einem Einsatz, gibt es fast keine Leute. Da sind nur Deutsche, und am Tag, meistens, kommen die nicht. Kommt gar nichts."
"Nicht jede Feuerwehr hier will Polen haben", ergänzt Edyta Szczepanska. "Polen sind nicht bei jeder Feuerwehr willkommen."
In Tantow sind Edyta und Jarek längst fest Bestandteil der Dorfgemeinschaft. Sie werden bald aus ihrer Wohnung in ein altes Haus ziehen, das sie selbst renovieren - Immobilien sind diesseits der Oder deutlich günstiger als in Polen.
In der Tantower Feuerwehr mussten sie sich schon erst an die Polen gewöhnen. Doch es dauerte nicht lange, bis ihnen klar war, was sie an ihren polnischen Kameraden haben, sagt Wehrführer Roger Sy, von Beruf Landmaschinenmechaniker, zupackender Typ.
"Wenn wir die Polen nicht hätten, könnten wir manche Einsätze schon gar nicht mehr fahren. Vor allem am Tage. Zwei Kameraden aus Polen arbeiten in Tantow, oder haben in Tantow ein Haus und arbeiten in Tantow, und wenn die nicht dort gewesen wären an manchen Tagen, könnten wir schon gar nicht mehr ausrücken."
Partnerschaft mit Tradition
Das alles kommt nicht von ungefähr. Gleich nach der Wende hat Klaus Höflich, der frühere Leiter der Feuerwehr, Kontakt mit der Feuerwehr der polnischen Partnergemeinde Bielice aufgenommen.
"Das sind rund 30 Kilometer von hier. Und wir treffen uns jährlich, wir haben hier Jahreshauptversammlung, da sind die vor Ort, wir fahren jetzt am 12. hin, da werden die 70 Jahre, in Bielice. Da fahren wir hin und gratulieren, mit dem Feuerwehrauto, Geschenke natürlich, nehmen wir ein Geschenk für jeden mit, also schon über 25, bald 30 Jahre sind wir schon zusammen mit dieser Feuerwehr aus Bielice."
Klaus Höflich hat als Hausmeister in der Tantower Kita gearbeitet, die nun wieder ausgelastet ist, dank der polnischen Kinder. Und er hat deren Eltern gefragt, ob sie bei der Feuerwehr mitmachen wollen. Zugführer Roger Sy:
"Erst kam ein Pole, dann brachte der seine Frau mit, dann kam der nächste Pole, wie gesagt, und dann durch Kinder, Schule, und dann jetzt die Feuerwehr ist das eine wirklich schöne Gemeinschaft geworden."
Die Feuerwehrleute rennen zur Tragkraftspritze, schließen Schläuche an und rollen sie ab, auf Zeit, immer wieder.
Die Polen kompensieren, dass deutsche Jugendliche nach wie vor die ländlichen Gebiete im Osten verlassen. Und damit auch nicht zur Feuerwehr gehen. Der Nachwuchs mit Tantower Wurzeln besteht aus Florian Butz; er schätzt die deutsch-polnische Kameradschaft der Feuerwehr.
"Wie unsere Deutschen hier, nicht?"
"Ich empfinde es schon als Bereicherung, da man hier dann auch seine Polnisch-Kenntnisse bereichern kann, vor allem hier an der Grenze, und somit ist es eigentlich ganz schick!"
Der 18-Jährige ist gerade dabei, seine Schule zu beenden. Vorerst wird er, anders als viele Altersgenossen, der Provinz noch nicht den Rücken kehren.
"Na ja, ich werde jetzt Ende dieses Jahres meine Lehre anfangen, somit bleib ich definitiv noch drei Jahre hier."
Einer, der bleibt - viele, die gehen. Möglich, dass Klaus Höflich, der frühere Wehrführer, durch seine Initiative, polnische Mitbürger in die Feuerwehr zu holen, den Grundstein für deren Überleben gelegt hat.
"Und dadurch sind wir jetzt schon neun polnische Feuerwehrleute. Und aktiv sind die, nicht? Wir wollen was machen, wir wollen was machen, nicht bloß rumstehen und so. Die wollen auch richtig Ausbildung machen und sind da sehr engagiert." Nicht, ohne nachzuschieben: "Wolln mal sagen: Wie unsere Deutschen hier, nicht? Wir haben auch gute Leute bei! Nicht? Naja. So läuft dat hier!"