"Sie haben das Hausnotrufgerät jetzt also noch nicht gebraucht? - Nein? Fühlen sie sich denn jetzt sicherer? - Teils ja."
Jaqueline Schlösser sitzt im Wohnzimmer von Marianne Hoppe. Die 85 Jahre alte Dame lebt in einem schmucken Reihenhaus im Bonner Stadtteil Duisdorf - allein und selbstständig. Für alle Fälle hat sie aber den "Hausnotruf" des Malteser Hilfsdienstes in ihrer Wohnung installieren lassen. Der besteht aus einem Funksender mit großem Notrufknopf, den sie an einer Halskette trägt.
"Wenn Frau Hoppe jetzt hier drauf drückt, können wir über das Hausnotrufgerät sprechen. Es ist wie ein Telefon nur ohne Hörer, da ist halt ein Lautsprecher und ein Mikrofon eingebaut. Wenn jetzt zum Beispiel Frau Hoppe gefallen wäre, läge hier auf dem Boden, würde sie drücken und sagen, ich lieg auf dem Boden und brauche Hilfe. Und dann kommt auch schon jemand."
Fünf bis sieben Hausnotruf-Einsätze hat die 21-Jährige pro Tag. Morgens gegen 8 Uhr kommt sie ins Malteser-Büro in der Bonner Nordstadt, gegen 17 Uhr ist Schluss. Ein Job, den früher Zivildienstleistende erledigt haben.
Krankentransporte, Essen auf Rädern ausfahren, Brote schmieren im Pflegeheim: Dienste wie diese waren Pflicht für jeden jungen Mann, der den Wehrdienst verweigerte.
Jaqueline Schlösser macht es heute freiwillig.
"Ich fand es einfach interessant, etwas Soziales zu tun, bevor ich in meinen eigentlichen Beruf einsteige. Also erstmal ein Jahr abschalten, was Gutes tun. Und man sieht auch immer noch, dass die Leute sehr dankbar sind, wenn man ihnen dann hilft."
Als die Wehrpflicht und damit auch der Zivildienst zum 1. Juli 2011 ausgesetzt wurden, rechneten selbst Optimisten nicht damit, dass sich genügend Menschen wie Jaqueline Schlösser freiwillig melden würden. Wohlfahrtsverbände malten Horrorszenarien an die Wand - von verwaisten Pflegeheimen und zusammenbrechenden Essen-auf-Rädern-Diensten.
Das Gegenteil ist eingetreten, sagt Jens Kreuter, Bundesbeauftragter für den Freiwilligendienst und damit quasi der Architekt des Zivi-Nachfolgemodells.
"Das hat, glaube ich, alle überrascht. Niemand hat mit diesem enormen Erfolg gerechnet. Und ich freue mich jeden Tag darüber, dass es so viele Menschen gibt, die bereit sind, Zeit zu schenken, etwas für sich und für andere zu tun, ehrenamtlich, freiwillig."
Darüber freut sich auch Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Immerhin 9.000 Zivildienstleistende beschäftigte das Rote Kreuz früher jedes Jahr - Engpässe habe es nach der Aussetzung der Wehrpflicht dennoch zu keiner Zeit gegeben.
"Die Nachfrage vor allem von jungen Leuten, die gerne einen Freiwilligendienst absolvieren wollen, übersteigt das Angebot bei Weitem. Wir freuen uns natürlich darüber und wollen den Bundesfreiwilligendienst noch weiter ausbauen."
Ähnlich sieht es bei den anderen Wohlfahrtsorganisationen aus. Diakonie, Caritas, Arbeiterwohlfahrt und andere melden Bewerberrekorde, fast alle müssen Freiwillige nach Hause schicken, weil es nicht ausreichend vom Bund geförderte Stellen gibt.
Dabei sind die Bufdis längst nicht die einzigen Freiwilligen. Rund 55.000 junge Männer und Frauen leisten ein Freiwilliges Soziales, Kulturelles oder Ökologisches Jahr - ein Dienst, der von den Ländern finanziert wird. Hinzu kommen seit einem Jahr 35.000 Bufdi-Stellen, die der Bund mit etwa 550 Euro monatlich fördert. Gut 330 Euro davon für das sogenannte "Taschengeld", der Rest für die Weiterbildung der Freiwilligen. Manche Träger zahlen ihren Bufdis außerdem Fahrtkosten und Wohngeldzuschüsse. Geht es nach ihnen, sollte der Bund die Zahl der geförderten Stellen so schnell wie möglich verdoppeln.
Die Trägerorganisationen könnten mehr als 70.000 Bufdis einstellen, sagt DRK-Präsident Seiters. Und zwar vor allem in Bereichen, in denen seit Jahren über Fachkräftemangel geklagt wird.
"Der Umstand, dass sich so viele junge Leute für den Einsatz in der Kranken- und Altenpflege interessieren, ist für uns wichtig. Wir haben ja jetzt schon einen Mangel an Pflegekräften, dieser Mangel wird sich verstärken. Und daher appellieren wir an den Deutschen Bundestag, wenigstens 2013 eine Aufstockung der Bundesmittel vorzunehmen, denn es ist schade, wenn man engagierten Menschen unter dem Gesichtspunkt – das Geld ist nicht da – eine Absage erteilen muss. Wir brauchen doch junge Menschen, die sich engagieren und für bürgerschaftliches Engagement einsetzen."
Doch bisher lehnen die Haushälter im Bundestag eine Aufstockung der Mittel ab.
"Wir reden hier nicht über ein paar Euro, sondern einen dreistelligen Millionenbetrag, wahrscheinlich über 100 und 200 Millionen Euro pro Jahr, die nötig wären, um allen, die bereit sind, auch einen geförderten Platz zur Verfügung zu stellen. Das ist kein Geld, das irgendein Ministerium in der Schublade hat, das entscheidet das Parlament allein."
Die Motive der Freiwilligen sind ganz unterschiedlich. Klar, alle wollen sich engagieren. Hinzu kommt bei vielen jüngeren Bufdis auch eine große Orientierungslosigkeit nach dem Schulabschluss. Andere wollen Wartezeiten bis zum Studien- oder Ausbildungsbeginn sinnvoll nutzen.
Manch einer überbrückt diese Zeit neuerdings auch bei der Bundeswehr – im freiwilligen Wehrdienst. Mitten in der Idylle des Pfälzer Waldes, 30 Auto-Minuten entfernt vom nächsten Weiler, liegt ein verlassener Übungsplatz der amerikanischen Streitkräfte. Auf dem Kamm eines lang gezogenen, begrünten Erdwalls, der hier irgendwann einmal künstlich angelegt worden ist, versuchen sich acht Rekruten zurechtzufinden.
"Wir sind hier an der Station Feuerkampf und hier geht es darum, zu überprüfen, ob die Männer die Einzeltätigkeiten des Schützen, was wir ihnen in den letzten drei Monaten beigebracht haben, anwenden können, das heißt das Ausbauen der Stellung, das Beziehen der Stellung, dann den Feuerkampf an sich führen."
Feldwebel Mark Scheele begleitet die Schützenausbildung der Freiwilligen, die in der 6. Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 263 ihren Wehrdienst leisten.
Die Bedingungen im schwierigen Gelände sind heute nicht die besten. Es hat tagelang geregnet. Die Luft ist feucht, da fällt es schwer, mit voller Ausrüstung, der Waffe und dem Rucksack über der Schulter zu marschieren.
"Wir hatten jetzt drei Verluste zu beklagen von den Damen am letzten Tag und haben jetzt heute noch acht Mann hier stehen und ich bin überzeugt, dass die es auch schaffen. Die Bedingungen sind etwas widrig, aber die schaffen das schon."
Die Sandsäcke, die den Rekruten bei der Feuerübung als Stütze dienen, sind triefend nass. Auch der Umgang mit der Waffe erscheint noch ein wenig ungelenk. Der Ausbilder erteilt den Schützen letzte Anweisungen, welche Ziele anvisiert werden sollen.
"Das ist eure Hauptschussrichtung; rechte Grenze von eigener Stellung über linke Kante des Baumes genau vor uns, auf einzeln stehenden Baum circa 120 Meter entfernt, erkannt? Jawohl! Feind bei ..."
Der Feldwebel wartet noch den Tiefflieger ab, der unerwartet seine Runden über dem dichten Wald dreht und gibt dann Kommando.
Eine zweite Rekrutengruppe nähert sich über ein lückenhaft asphaltiertes Plateau. Sie stellen die Feinde dar, blau gekleidet. Und sie vernachlässigen erkennbar ihre Deckung. Die Schützen kauern auf dem Erdhügel, sie feuern ein paar Platzpatronen ab, dann ist die Übung vorbei.
103 Freiwillige haben am ersten April ihren Dienst bei den Fallschirmjägern der Saarlandbrigade angetreten. Drei Monate später sind noch 88 dabei, darunter sechs Frauen. Alle haben damit die allgemeine Grundausbildung bestanden. Auch, wenn einige den letzten Test im morastigen Gelände aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beenden mussten.
Die Übungen in der freien Natur bedeuteten einen Härtetest, dem nicht jeder Freiwillige gewachsen sei, sagt Michael Weis, Reserveoffizier und im zivilen Leben Dozent an der Universität Kaiserslautern.
"Weil die vielfach nicht gewohnt sind, privat sich im Gelände zu bewegen oder eben die erste Nacht im Freien schlafen und dann merken, okay, es kann kalt werden, es kann nass werden, das ist eine Gewöhnungsfrage."
Im ersten Jahr nach Aussetzung der Wehrpflicht haben mehr als 12.000 junge Männer und Frauen ihren freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr angetreten. Im Durchschnitt verpflichten sich die Freiwilligen für die Dauer von 15 Monaten. Aber längst nicht alle halten auch durch.
Rund ein Viertel der Rekruten bricht den Wehrdienst vorzeitig ab. Die Abbrecherquote liegt damit auf etwa gleichem Niveau wie bei Auszubildenden in der freien Wirtschaft. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Zu den Beweggründen, das Dienstverhältnis vorzeitig zu lösen, hat die Bundeswehr eine Umfrage gemacht. Hauptmann Stefan Müller:
"Die Gründe vonseiten der Bundeswehr waren zum einen unzureichende körperliche Leistungsfähigkeit und zum anderen der Gesundheitszustand. Und die Soldaten gaben an, hauptsächlich deshalb abzubrechen, weil sie andere Vorstellungen hatten, weil sie nicht wussten, was auf sie zukommt. Und ein großer Teil gab an, andere Pläne mit ihrer beruflichen Zukunft zu haben."
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere von der CDU bezeichnet das Interesse an der Bundeswehr im ersten Jahr nach der Wehrreform als zufriedenstellend. Sorgen bereitet ihm zwar die Abbrecherquote. Ernsthafte Probleme, Nachwuchskräfte für die Bundeswehr zu werben, hat die Truppe trotz gegenteiliger Befürchtungen derzeit aber nicht. Stefan Müller:
"Es ist so, dass wir seit Aussetzen der Wehrpflicht zirka 20.000 Bewerber hatten für den freiwilligen Wehrdienst und derzeit werden 8.500 in der gesamten Bundeswehr eingesetzt. Das macht Pi mal Daumen drei Bewerber pro Dienstposten. Insofern kann eine Auslese stattfinden und wir können die Bewerber nehmen, die am besten qualifiziert sind."
Patricia Nitu zum Beispiel, sie hat sich nach erfolgreicher Ausbildung gezielt über eine Laufbahn in der Bundeswehr informiert und auch dafür entschieden.
"Ich hab' halt vorher einen Berufsabschluss gemacht, Groß- und Außenhandelskauffrau und gehe danach in den Stabsdienst."
Auch Daniel Schröder scheint bereits entschieden. Er hat eine abgeschlossene Ausbildung als Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik. Im erlernten Beruf will er jedoch nicht arbeiten, trotz bester Aussichten auf dem Arbeitsmarkt.
"Ja, das ist sogar sehr gesucht, aber mir hat das einfach nicht gefallen. Ich wollte einfach etwas Aufregenderes."
Deshalb habe er sich den Fallschirmjägern angeschlossen.
"Weil ich mich fürs Fallschirmspringen sehr interessiere und ich das auf jeden Fall ausprobieren möchte früher oder später."
Dass die Fallschirmjäger stets beteiligt sind, wenn die Bundeswehr zu gefährlichen Missionen im Ausland aufbricht, war für Daniel Schröder kein Hinderungsgrund.
"Das musste man bei der Musterung ja direkt angeben. Ich wäre jederzeit bereit, ins Ausland zu gehen."
Ein Job wie jeder andere ist es eben nicht, das weiß auch Steven Lenz.
"Ich wollte hier meine Grenzen kennenlernen, Kameradschaft. Ich wollte was für mich selbst tun, also fit werden. Ich wollte auch wissen, wie es ist. Und mir macht es auch richtig Spaß."
Der 19-Jährige hat seine Ausbildung zum Mechatroniker abgebrochen. Und er setzt darauf, dass er bei der Bundeswehr eine neue Ausbildung beginnen kann, wenn er sich auf Zeit verpflichtet.
Die Bundeswehr bietet berufliche Qualifikationen und Weiterbildung an, um im Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen. Denn die beruflichen Aussichten seien ein wesentlicher Entscheidungsgrund für oder gegen die Truppe, sagt der Leiter des Kreiswehrersatzamtes Saarlouis, Hans-Peter Breit:
"Wir können sagen, wenn du bei uns bleibst, wenn du eine militärische Laufbahn einschlägst, wenn du dich für eine bestimmte Zeit verpflichtest, dann setzten wir Dir - je nach Verpflichtungszeit - noch etwas drauf im Rahmen der Berufsförderung. Wir bilden dich fort, wir haben eine Stellenbörse und wir gliedern dich mit besseren Qualifikationen wieder ins zivile Erwerbsleben ein. Die Eingliederungsquote unseres Berufsförderungsdienstes liegt bundesweit bei rund 91 Prozent."
Bis vor einem Jahr, als die Wehrpflicht noch bestand, konnte die Bundeswehr etwa 40 Prozent ihres militärischen Nachwuchses aus dem Kreis der Wehrpflichtigen gewinnen.
Die Angst war deshalb groß, der Zustrom an Nachwuchskräften könnte versiegen, wenn die Wehrpflicht ausgesetzt wird. Diese Befürchtungen seien nach einem Jahr Freiwilligendienst verflogen, so Breit.
"Wie das in zehn bis 15 Jahren aussieht, weiß keiner von uns. Aber zu uns kommen jetzt Abiturienten, Fachoberschüler, Mittelgereifte und Damen und Herren mit Berufsabschluss und das mit Masse. Also die Befürchtung, dass wir das bekommen, was übrig geblieben ist, ist Gott sie Dank nicht eingetreten."
Längst nicht ausgeschöpft ist das weibliche Potenzial an Nachwuchskräften. Die Frauen sind mit knapp 16 Prozent bei der Bundeswehr unterrepräsentiert. Es sei jedoch nicht vorgesehen, die weiblichen Nachwuchskräfte gezielt zu umwerben, so Breit:
"Wir gehen von Gleichberechtigung aus, die Anforderungen an Männer und Frauen sind gleich. Entsprechend werben wir auch gleich für Männer und Frauen, ohne etwas beschönigen zu wollen, was im Soldatenberuf auf den einen oder anderen zukommen kann. Eine Sonderwerbeaktion für Frauen zu fahren, halte ich für falsch."
Was die Vergütung des freiwilligen Wehrdienstes betrifft, brauche sich die Bundeswehr im Vergleich zur freien Wirtschaft nicht zu verstecken, sagt Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière:
"Rund tausend Euro, einer der Berufsfreiwilligendienst macht, bekommt 350 Euro. Und sie müssen weit laufen, um für eine Lehrlingsvergütung in die Größenordnung zu kommen, die ein freiwillig Wehrdienstleistender hat. Ich glaube, auch viele wohlhabende Eltern geben ihren studierenden Kindern nicht tausend Euro. Das heißt, das ist attraktiv."
Allerdings soll der Wehrsold auch für die Freiwilligen ab dem kommenden Jahr besteuert werden. Darauf hat sich das Bundeskabinett verständigt. Verteidigungsminister de Maiziere hatte Mühe, sich mit seiner Forderung durchzusetzen, dass nur ein Teil des Einkommens besteuert wird, damit der freiwillige Wehrdienst nicht an Attraktivität einbüßt.
Attraktiv ist auch der Bundesfreiwilligendienst. Vielleicht nicht wegen der Bezahlung, sondern weil es für die Bufdis ein gutes Gefühl ist, gebraucht zu werden. Das spricht auch viele ältere Bewerber an.
Seminarraum 3 im Keller der Kölner Bottmühle. Im Weiterbildungszentrum des Deutschen Roten Kreuzes sprechen die Bundesfreiwilligen heute über den Umgang mit Demenzpatienten. Klaus Langbein sitzt mit neun weiteren Bufdis in der Seminargruppe "27 Plus". Das Plus bei den Teilnehmern ist ziemlich hoch, fast alle hier sind über 50. Langbein selbst ist 65 – Rentenalter. Nach seiner Pensionierung als Zeitsoldat bei der Bundeswehr hätte er sich eigentlich auf die faule Haut legen können.
"Als ich dann nach Hause kam und die Sache endgültig zu Ende war, stellte ich fest: Du kannst hier nicht einfach so herumsitzen, du musst noch irgendetwas Sinnvolles tun."
Wenn er nicht im Seminarraum sitzt, bringt Langbein Reha-Patienten in die Klinik und zurück nach Hause. Ein einfacher Job, verglichen mit seiner Arbeit als Verbindungsoffizier im Auslandseinsatz. Aber genau das, was er gesucht hat.
"Hat mir wirklich gut getan. Ich wollte keine Verantwortung mehr tragen, das hast du 40 Jahre lang gemacht. Du willst jetzt nicht mehr die Initiative ergreifen, sondern du willst einfach etwas tun, willst dich einbringen – und insofern hat mir dieser Wechsel gut getan."
Anders, als beim etablierten Freiwilligen Sozialen Jahr, gibt es beim Bundesfreiwilligendienst keine Altersgrenze. Erstaunlich viele ältere Menschen nutzen dieses Angebot. Beim Deutschen Roten Kreuz etwa sind mehr als 20 Prozent der Freiwilligen älter als 27 Jahre.
Einige – wie Klaus Langbein – suchen eine sinnvolle Beschäftigung nach der Pensionierung. Andere wollen nach längeren Phasen der Arbeitslosigkeit wieder in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Der 59-Jährige Johannes Hommel zum Beispiel, der seinen Dienst in einer Werkstatt für Behinderte Menschen leistet.
"Ich hatte im Sicherheitsdienst oder als Lagerarbeiter oder was weiß ich, 120 Bewerbungen geschrieben. Wenn sie überhaupt ne Antwort kriegten, hatten sie Glück. Ich hab mich zwar nicht darauf gestürzt, aber ich fand es eine absolute Möglichkeit, mich nicht nur zu verwirklichen, sondern auch eine Selbstbestätigung zu bekommen: Du wirst gebraucht."
Bundesfreiwilligendienst als arbeitsmarktpolitisches Instrument? Kritiker wie der SPD-Abgeordnete Sönke Rix sehen darin ein Problem: Sie monieren, der Bundesfreiwilligendienst sei nicht arbeitsmarktneutral, was bedeutet: Durch Bufdis könnten regulär bezahlte Stellen ersetzt oder neue Stellen verhindert werden. Werden diese Arbeiten dann ausgerechnet von Langzeitarbeitslosen erledigt, die lieber regulär beschäftigt wären, ist das besonders heikel.
Eine Studie des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg bestätigt den Verdacht: Demnach wird der Dienst in Ostdeutschland stärker nachgefragt und zwar anders als im Westen vor allem von der Altersgruppe der 27- bis 65-Jährigen. In den neuen Ländern machen die Älteren drei Viertel der Bufdis aus. Als Grund vermuten die Forscher die höhere Arbeitslosigkeit im Osten.
Freiwilligendienstbeauftragter Jens Kreuter wiegelt ab: Jede Bufdi-Stelle werde vor der Anerkennung auf Arbeitsmarktneutralität hin geprüft:
"Es gibt natürlich – wenn man ganz grundsätzlich über die Modalitäten in unserem Sozialbereich diskutiert – viele Aufgaben, die wir alle als Gesellschaft als wünschenswert ansehen, die aber in dem gegenwärtigen System nicht finanzierbar sind. Da sprechen wir alle von zusätzlichen Aufgaben. Aus der meiner festen Überzeugung, dass kein Freiwilliger einen Arbeitsplatz verdrängt, darf man allerdings nicht den Umkehrschluss ziehen, Freiwillige ließen sich alle wegdenken und keiner würde es merken. Natürlich würde man es merken, weil es ein Verlust an Hilfe wäre."
In erster Linie gehe es beim Bundesfreiwilligendienst aber eben nicht darum, Lücken im Sozialsystem zu schließen, sondern um die Persönlichkeitsentwicklung der Freiwilligen.
Da kann zumindest Jaqueline Schlösser, die 21-jährige Freiwillige bei den Bonner Maltesern, zustimmen:
"Sehr vieles nehme ich mit: Ich habe zum Beispiel gelernt, etwas ruhiger zu werden. Diese innere Ruhe zu haben. Und auch vieles selbst zu sehen: Ich bin viel selbstständiger geworden."
Jaqueline Schlösser sitzt im Wohnzimmer von Marianne Hoppe. Die 85 Jahre alte Dame lebt in einem schmucken Reihenhaus im Bonner Stadtteil Duisdorf - allein und selbstständig. Für alle Fälle hat sie aber den "Hausnotruf" des Malteser Hilfsdienstes in ihrer Wohnung installieren lassen. Der besteht aus einem Funksender mit großem Notrufknopf, den sie an einer Halskette trägt.
"Wenn Frau Hoppe jetzt hier drauf drückt, können wir über das Hausnotrufgerät sprechen. Es ist wie ein Telefon nur ohne Hörer, da ist halt ein Lautsprecher und ein Mikrofon eingebaut. Wenn jetzt zum Beispiel Frau Hoppe gefallen wäre, läge hier auf dem Boden, würde sie drücken und sagen, ich lieg auf dem Boden und brauche Hilfe. Und dann kommt auch schon jemand."
Fünf bis sieben Hausnotruf-Einsätze hat die 21-Jährige pro Tag. Morgens gegen 8 Uhr kommt sie ins Malteser-Büro in der Bonner Nordstadt, gegen 17 Uhr ist Schluss. Ein Job, den früher Zivildienstleistende erledigt haben.
Krankentransporte, Essen auf Rädern ausfahren, Brote schmieren im Pflegeheim: Dienste wie diese waren Pflicht für jeden jungen Mann, der den Wehrdienst verweigerte.
Jaqueline Schlösser macht es heute freiwillig.
"Ich fand es einfach interessant, etwas Soziales zu tun, bevor ich in meinen eigentlichen Beruf einsteige. Also erstmal ein Jahr abschalten, was Gutes tun. Und man sieht auch immer noch, dass die Leute sehr dankbar sind, wenn man ihnen dann hilft."
Als die Wehrpflicht und damit auch der Zivildienst zum 1. Juli 2011 ausgesetzt wurden, rechneten selbst Optimisten nicht damit, dass sich genügend Menschen wie Jaqueline Schlösser freiwillig melden würden. Wohlfahrtsverbände malten Horrorszenarien an die Wand - von verwaisten Pflegeheimen und zusammenbrechenden Essen-auf-Rädern-Diensten.
Das Gegenteil ist eingetreten, sagt Jens Kreuter, Bundesbeauftragter für den Freiwilligendienst und damit quasi der Architekt des Zivi-Nachfolgemodells.
"Das hat, glaube ich, alle überrascht. Niemand hat mit diesem enormen Erfolg gerechnet. Und ich freue mich jeden Tag darüber, dass es so viele Menschen gibt, die bereit sind, Zeit zu schenken, etwas für sich und für andere zu tun, ehrenamtlich, freiwillig."
Darüber freut sich auch Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Immerhin 9.000 Zivildienstleistende beschäftigte das Rote Kreuz früher jedes Jahr - Engpässe habe es nach der Aussetzung der Wehrpflicht dennoch zu keiner Zeit gegeben.
"Die Nachfrage vor allem von jungen Leuten, die gerne einen Freiwilligendienst absolvieren wollen, übersteigt das Angebot bei Weitem. Wir freuen uns natürlich darüber und wollen den Bundesfreiwilligendienst noch weiter ausbauen."
Ähnlich sieht es bei den anderen Wohlfahrtsorganisationen aus. Diakonie, Caritas, Arbeiterwohlfahrt und andere melden Bewerberrekorde, fast alle müssen Freiwillige nach Hause schicken, weil es nicht ausreichend vom Bund geförderte Stellen gibt.
Dabei sind die Bufdis längst nicht die einzigen Freiwilligen. Rund 55.000 junge Männer und Frauen leisten ein Freiwilliges Soziales, Kulturelles oder Ökologisches Jahr - ein Dienst, der von den Ländern finanziert wird. Hinzu kommen seit einem Jahr 35.000 Bufdi-Stellen, die der Bund mit etwa 550 Euro monatlich fördert. Gut 330 Euro davon für das sogenannte "Taschengeld", der Rest für die Weiterbildung der Freiwilligen. Manche Träger zahlen ihren Bufdis außerdem Fahrtkosten und Wohngeldzuschüsse. Geht es nach ihnen, sollte der Bund die Zahl der geförderten Stellen so schnell wie möglich verdoppeln.
Die Trägerorganisationen könnten mehr als 70.000 Bufdis einstellen, sagt DRK-Präsident Seiters. Und zwar vor allem in Bereichen, in denen seit Jahren über Fachkräftemangel geklagt wird.
"Der Umstand, dass sich so viele junge Leute für den Einsatz in der Kranken- und Altenpflege interessieren, ist für uns wichtig. Wir haben ja jetzt schon einen Mangel an Pflegekräften, dieser Mangel wird sich verstärken. Und daher appellieren wir an den Deutschen Bundestag, wenigstens 2013 eine Aufstockung der Bundesmittel vorzunehmen, denn es ist schade, wenn man engagierten Menschen unter dem Gesichtspunkt – das Geld ist nicht da – eine Absage erteilen muss. Wir brauchen doch junge Menschen, die sich engagieren und für bürgerschaftliches Engagement einsetzen."
Doch bisher lehnen die Haushälter im Bundestag eine Aufstockung der Mittel ab.
"Wir reden hier nicht über ein paar Euro, sondern einen dreistelligen Millionenbetrag, wahrscheinlich über 100 und 200 Millionen Euro pro Jahr, die nötig wären, um allen, die bereit sind, auch einen geförderten Platz zur Verfügung zu stellen. Das ist kein Geld, das irgendein Ministerium in der Schublade hat, das entscheidet das Parlament allein."
Die Motive der Freiwilligen sind ganz unterschiedlich. Klar, alle wollen sich engagieren. Hinzu kommt bei vielen jüngeren Bufdis auch eine große Orientierungslosigkeit nach dem Schulabschluss. Andere wollen Wartezeiten bis zum Studien- oder Ausbildungsbeginn sinnvoll nutzen.
Manch einer überbrückt diese Zeit neuerdings auch bei der Bundeswehr – im freiwilligen Wehrdienst. Mitten in der Idylle des Pfälzer Waldes, 30 Auto-Minuten entfernt vom nächsten Weiler, liegt ein verlassener Übungsplatz der amerikanischen Streitkräfte. Auf dem Kamm eines lang gezogenen, begrünten Erdwalls, der hier irgendwann einmal künstlich angelegt worden ist, versuchen sich acht Rekruten zurechtzufinden.
"Wir sind hier an der Station Feuerkampf und hier geht es darum, zu überprüfen, ob die Männer die Einzeltätigkeiten des Schützen, was wir ihnen in den letzten drei Monaten beigebracht haben, anwenden können, das heißt das Ausbauen der Stellung, das Beziehen der Stellung, dann den Feuerkampf an sich führen."
Feldwebel Mark Scheele begleitet die Schützenausbildung der Freiwilligen, die in der 6. Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 263 ihren Wehrdienst leisten.
Die Bedingungen im schwierigen Gelände sind heute nicht die besten. Es hat tagelang geregnet. Die Luft ist feucht, da fällt es schwer, mit voller Ausrüstung, der Waffe und dem Rucksack über der Schulter zu marschieren.
"Wir hatten jetzt drei Verluste zu beklagen von den Damen am letzten Tag und haben jetzt heute noch acht Mann hier stehen und ich bin überzeugt, dass die es auch schaffen. Die Bedingungen sind etwas widrig, aber die schaffen das schon."
Die Sandsäcke, die den Rekruten bei der Feuerübung als Stütze dienen, sind triefend nass. Auch der Umgang mit der Waffe erscheint noch ein wenig ungelenk. Der Ausbilder erteilt den Schützen letzte Anweisungen, welche Ziele anvisiert werden sollen.
"Das ist eure Hauptschussrichtung; rechte Grenze von eigener Stellung über linke Kante des Baumes genau vor uns, auf einzeln stehenden Baum circa 120 Meter entfernt, erkannt? Jawohl! Feind bei ..."
Der Feldwebel wartet noch den Tiefflieger ab, der unerwartet seine Runden über dem dichten Wald dreht und gibt dann Kommando.
Eine zweite Rekrutengruppe nähert sich über ein lückenhaft asphaltiertes Plateau. Sie stellen die Feinde dar, blau gekleidet. Und sie vernachlässigen erkennbar ihre Deckung. Die Schützen kauern auf dem Erdhügel, sie feuern ein paar Platzpatronen ab, dann ist die Übung vorbei.
103 Freiwillige haben am ersten April ihren Dienst bei den Fallschirmjägern der Saarlandbrigade angetreten. Drei Monate später sind noch 88 dabei, darunter sechs Frauen. Alle haben damit die allgemeine Grundausbildung bestanden. Auch, wenn einige den letzten Test im morastigen Gelände aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beenden mussten.
Die Übungen in der freien Natur bedeuteten einen Härtetest, dem nicht jeder Freiwillige gewachsen sei, sagt Michael Weis, Reserveoffizier und im zivilen Leben Dozent an der Universität Kaiserslautern.
"Weil die vielfach nicht gewohnt sind, privat sich im Gelände zu bewegen oder eben die erste Nacht im Freien schlafen und dann merken, okay, es kann kalt werden, es kann nass werden, das ist eine Gewöhnungsfrage."
Im ersten Jahr nach Aussetzung der Wehrpflicht haben mehr als 12.000 junge Männer und Frauen ihren freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr angetreten. Im Durchschnitt verpflichten sich die Freiwilligen für die Dauer von 15 Monaten. Aber längst nicht alle halten auch durch.
Rund ein Viertel der Rekruten bricht den Wehrdienst vorzeitig ab. Die Abbrecherquote liegt damit auf etwa gleichem Niveau wie bei Auszubildenden in der freien Wirtschaft. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Zu den Beweggründen, das Dienstverhältnis vorzeitig zu lösen, hat die Bundeswehr eine Umfrage gemacht. Hauptmann Stefan Müller:
"Die Gründe vonseiten der Bundeswehr waren zum einen unzureichende körperliche Leistungsfähigkeit und zum anderen der Gesundheitszustand. Und die Soldaten gaben an, hauptsächlich deshalb abzubrechen, weil sie andere Vorstellungen hatten, weil sie nicht wussten, was auf sie zukommt. Und ein großer Teil gab an, andere Pläne mit ihrer beruflichen Zukunft zu haben."
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere von der CDU bezeichnet das Interesse an der Bundeswehr im ersten Jahr nach der Wehrreform als zufriedenstellend. Sorgen bereitet ihm zwar die Abbrecherquote. Ernsthafte Probleme, Nachwuchskräfte für die Bundeswehr zu werben, hat die Truppe trotz gegenteiliger Befürchtungen derzeit aber nicht. Stefan Müller:
"Es ist so, dass wir seit Aussetzen der Wehrpflicht zirka 20.000 Bewerber hatten für den freiwilligen Wehrdienst und derzeit werden 8.500 in der gesamten Bundeswehr eingesetzt. Das macht Pi mal Daumen drei Bewerber pro Dienstposten. Insofern kann eine Auslese stattfinden und wir können die Bewerber nehmen, die am besten qualifiziert sind."
Patricia Nitu zum Beispiel, sie hat sich nach erfolgreicher Ausbildung gezielt über eine Laufbahn in der Bundeswehr informiert und auch dafür entschieden.
"Ich hab' halt vorher einen Berufsabschluss gemacht, Groß- und Außenhandelskauffrau und gehe danach in den Stabsdienst."
Auch Daniel Schröder scheint bereits entschieden. Er hat eine abgeschlossene Ausbildung als Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik. Im erlernten Beruf will er jedoch nicht arbeiten, trotz bester Aussichten auf dem Arbeitsmarkt.
"Ja, das ist sogar sehr gesucht, aber mir hat das einfach nicht gefallen. Ich wollte einfach etwas Aufregenderes."
Deshalb habe er sich den Fallschirmjägern angeschlossen.
"Weil ich mich fürs Fallschirmspringen sehr interessiere und ich das auf jeden Fall ausprobieren möchte früher oder später."
Dass die Fallschirmjäger stets beteiligt sind, wenn die Bundeswehr zu gefährlichen Missionen im Ausland aufbricht, war für Daniel Schröder kein Hinderungsgrund.
"Das musste man bei der Musterung ja direkt angeben. Ich wäre jederzeit bereit, ins Ausland zu gehen."
Ein Job wie jeder andere ist es eben nicht, das weiß auch Steven Lenz.
"Ich wollte hier meine Grenzen kennenlernen, Kameradschaft. Ich wollte was für mich selbst tun, also fit werden. Ich wollte auch wissen, wie es ist. Und mir macht es auch richtig Spaß."
Der 19-Jährige hat seine Ausbildung zum Mechatroniker abgebrochen. Und er setzt darauf, dass er bei der Bundeswehr eine neue Ausbildung beginnen kann, wenn er sich auf Zeit verpflichtet.
Die Bundeswehr bietet berufliche Qualifikationen und Weiterbildung an, um im Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen. Denn die beruflichen Aussichten seien ein wesentlicher Entscheidungsgrund für oder gegen die Truppe, sagt der Leiter des Kreiswehrersatzamtes Saarlouis, Hans-Peter Breit:
"Wir können sagen, wenn du bei uns bleibst, wenn du eine militärische Laufbahn einschlägst, wenn du dich für eine bestimmte Zeit verpflichtest, dann setzten wir Dir - je nach Verpflichtungszeit - noch etwas drauf im Rahmen der Berufsförderung. Wir bilden dich fort, wir haben eine Stellenbörse und wir gliedern dich mit besseren Qualifikationen wieder ins zivile Erwerbsleben ein. Die Eingliederungsquote unseres Berufsförderungsdienstes liegt bundesweit bei rund 91 Prozent."
Bis vor einem Jahr, als die Wehrpflicht noch bestand, konnte die Bundeswehr etwa 40 Prozent ihres militärischen Nachwuchses aus dem Kreis der Wehrpflichtigen gewinnen.
Die Angst war deshalb groß, der Zustrom an Nachwuchskräften könnte versiegen, wenn die Wehrpflicht ausgesetzt wird. Diese Befürchtungen seien nach einem Jahr Freiwilligendienst verflogen, so Breit.
"Wie das in zehn bis 15 Jahren aussieht, weiß keiner von uns. Aber zu uns kommen jetzt Abiturienten, Fachoberschüler, Mittelgereifte und Damen und Herren mit Berufsabschluss und das mit Masse. Also die Befürchtung, dass wir das bekommen, was übrig geblieben ist, ist Gott sie Dank nicht eingetreten."
Längst nicht ausgeschöpft ist das weibliche Potenzial an Nachwuchskräften. Die Frauen sind mit knapp 16 Prozent bei der Bundeswehr unterrepräsentiert. Es sei jedoch nicht vorgesehen, die weiblichen Nachwuchskräfte gezielt zu umwerben, so Breit:
"Wir gehen von Gleichberechtigung aus, die Anforderungen an Männer und Frauen sind gleich. Entsprechend werben wir auch gleich für Männer und Frauen, ohne etwas beschönigen zu wollen, was im Soldatenberuf auf den einen oder anderen zukommen kann. Eine Sonderwerbeaktion für Frauen zu fahren, halte ich für falsch."
Was die Vergütung des freiwilligen Wehrdienstes betrifft, brauche sich die Bundeswehr im Vergleich zur freien Wirtschaft nicht zu verstecken, sagt Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière:
"Rund tausend Euro, einer der Berufsfreiwilligendienst macht, bekommt 350 Euro. Und sie müssen weit laufen, um für eine Lehrlingsvergütung in die Größenordnung zu kommen, die ein freiwillig Wehrdienstleistender hat. Ich glaube, auch viele wohlhabende Eltern geben ihren studierenden Kindern nicht tausend Euro. Das heißt, das ist attraktiv."
Allerdings soll der Wehrsold auch für die Freiwilligen ab dem kommenden Jahr besteuert werden. Darauf hat sich das Bundeskabinett verständigt. Verteidigungsminister de Maiziere hatte Mühe, sich mit seiner Forderung durchzusetzen, dass nur ein Teil des Einkommens besteuert wird, damit der freiwillige Wehrdienst nicht an Attraktivität einbüßt.
Attraktiv ist auch der Bundesfreiwilligendienst. Vielleicht nicht wegen der Bezahlung, sondern weil es für die Bufdis ein gutes Gefühl ist, gebraucht zu werden. Das spricht auch viele ältere Bewerber an.
Seminarraum 3 im Keller der Kölner Bottmühle. Im Weiterbildungszentrum des Deutschen Roten Kreuzes sprechen die Bundesfreiwilligen heute über den Umgang mit Demenzpatienten. Klaus Langbein sitzt mit neun weiteren Bufdis in der Seminargruppe "27 Plus". Das Plus bei den Teilnehmern ist ziemlich hoch, fast alle hier sind über 50. Langbein selbst ist 65 – Rentenalter. Nach seiner Pensionierung als Zeitsoldat bei der Bundeswehr hätte er sich eigentlich auf die faule Haut legen können.
"Als ich dann nach Hause kam und die Sache endgültig zu Ende war, stellte ich fest: Du kannst hier nicht einfach so herumsitzen, du musst noch irgendetwas Sinnvolles tun."
Wenn er nicht im Seminarraum sitzt, bringt Langbein Reha-Patienten in die Klinik und zurück nach Hause. Ein einfacher Job, verglichen mit seiner Arbeit als Verbindungsoffizier im Auslandseinsatz. Aber genau das, was er gesucht hat.
"Hat mir wirklich gut getan. Ich wollte keine Verantwortung mehr tragen, das hast du 40 Jahre lang gemacht. Du willst jetzt nicht mehr die Initiative ergreifen, sondern du willst einfach etwas tun, willst dich einbringen – und insofern hat mir dieser Wechsel gut getan."
Anders, als beim etablierten Freiwilligen Sozialen Jahr, gibt es beim Bundesfreiwilligendienst keine Altersgrenze. Erstaunlich viele ältere Menschen nutzen dieses Angebot. Beim Deutschen Roten Kreuz etwa sind mehr als 20 Prozent der Freiwilligen älter als 27 Jahre.
Einige – wie Klaus Langbein – suchen eine sinnvolle Beschäftigung nach der Pensionierung. Andere wollen nach längeren Phasen der Arbeitslosigkeit wieder in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Der 59-Jährige Johannes Hommel zum Beispiel, der seinen Dienst in einer Werkstatt für Behinderte Menschen leistet.
"Ich hatte im Sicherheitsdienst oder als Lagerarbeiter oder was weiß ich, 120 Bewerbungen geschrieben. Wenn sie überhaupt ne Antwort kriegten, hatten sie Glück. Ich hab mich zwar nicht darauf gestürzt, aber ich fand es eine absolute Möglichkeit, mich nicht nur zu verwirklichen, sondern auch eine Selbstbestätigung zu bekommen: Du wirst gebraucht."
Bundesfreiwilligendienst als arbeitsmarktpolitisches Instrument? Kritiker wie der SPD-Abgeordnete Sönke Rix sehen darin ein Problem: Sie monieren, der Bundesfreiwilligendienst sei nicht arbeitsmarktneutral, was bedeutet: Durch Bufdis könnten regulär bezahlte Stellen ersetzt oder neue Stellen verhindert werden. Werden diese Arbeiten dann ausgerechnet von Langzeitarbeitslosen erledigt, die lieber regulär beschäftigt wären, ist das besonders heikel.
Eine Studie des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg bestätigt den Verdacht: Demnach wird der Dienst in Ostdeutschland stärker nachgefragt und zwar anders als im Westen vor allem von der Altersgruppe der 27- bis 65-Jährigen. In den neuen Ländern machen die Älteren drei Viertel der Bufdis aus. Als Grund vermuten die Forscher die höhere Arbeitslosigkeit im Osten.
Freiwilligendienstbeauftragter Jens Kreuter wiegelt ab: Jede Bufdi-Stelle werde vor der Anerkennung auf Arbeitsmarktneutralität hin geprüft:
"Es gibt natürlich – wenn man ganz grundsätzlich über die Modalitäten in unserem Sozialbereich diskutiert – viele Aufgaben, die wir alle als Gesellschaft als wünschenswert ansehen, die aber in dem gegenwärtigen System nicht finanzierbar sind. Da sprechen wir alle von zusätzlichen Aufgaben. Aus der meiner festen Überzeugung, dass kein Freiwilliger einen Arbeitsplatz verdrängt, darf man allerdings nicht den Umkehrschluss ziehen, Freiwillige ließen sich alle wegdenken und keiner würde es merken. Natürlich würde man es merken, weil es ein Verlust an Hilfe wäre."
In erster Linie gehe es beim Bundesfreiwilligendienst aber eben nicht darum, Lücken im Sozialsystem zu schließen, sondern um die Persönlichkeitsentwicklung der Freiwilligen.
Da kann zumindest Jaqueline Schlösser, die 21-jährige Freiwillige bei den Bonner Maltesern, zustimmen:
"Sehr vieles nehme ich mit: Ich habe zum Beispiel gelernt, etwas ruhiger zu werden. Diese innere Ruhe zu haben. Und auch vieles selbst zu sehen: Ich bin viel selbstständiger geworden."