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Fremde Erde im Orbit um 47 Ursae maioris?

Astronomie. - Astronomen haben inzwischen mehr als 100 Planeten entdeckt, die fremde Sterne umkreisen. Bisher sind nur sehr massereiche Planeten zu entdecken, die etwa dem Jupiter in unserem Sonnensystem entsprechen - kleine, erdähnliche Planeten entziehen sich den heutigen Suchmethoden. Neue Techniken schaffen vielleicht bald Abhilfe. So denken einige Forscher schon heute darüber nach, ob nicht manche der fernen Planeten prinzipiell bewohnbar sein könnten und Leben - in welcher Form auch immer - beherbergen.

    Von Dirk Lorenzen

    Nein, eine fremde Erde haben die Astronomen im All noch nicht entdeckt... - aber was wäre wenn...? Lässt sich abschätzen, ob auf einem solchen Planeten prinzipiell Leben möglich wäre? Ja, meint Siegfried Franck, Geophysiker am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung - der Geophysiker arbeitet auch mit möglichen Erden im All und untersucht das Planetensystem um den Stern 47 Ursae maioris:

    Viele Wissenschaftler halten dieses System dafür, dass es unserem Sonnensystem am ähnlichsten ist. Es hat einen Zentralstern, der etwa Sonnenmasse hat. Und es hat zwei Riesenplaneten, zwar etwas näher am Zentralstern, aber die ungefähr Jupiter und Saturn entsprechen würden. Die Frage ist nun: Könnte sich innerhalb dieses System ein erdähnlicher Planet befinden, so wie die Erde? Wäre dessen Bahn stabil und wäre er in der so genannten habitablen Zone, das heißt, könnte auf der Oberfläche dieses Planeten auch Leben existieren?

    Habitable, also "bewohnbare" Zone heißt vor allem, dass der Planet die richtige Temperatur hat für flüssiges Wasser auf der Oberfläche. Zudem braucht der Planeten eine über Milliarden Jahre stabile Bahn. Dafür muss ein Planet von etwa Erdgröße weit genug von den großen Planeten dieses Systems entfernt sein - andernfalls drängen die Großplaneten die fremde Erde aus der Bahn. Die Berechnungen von Siegfried Franck zeigen, dass ein erdähnlicher Planet bei 47 Ursae maioris eine stabile Bahn hätte, wenn er nicht mehr als eineinviertel mal so weit von seinem Stern entfernt ist wie die Erde von der Sonne. Ob der Planet dort auch in der "habitablen" Zone ist, bestimmt zu allererst sein Stern. Frank:

    Es handelt sich um einen Zentralstern, der fast identisch der Sonne ist, aber er ist viel älter - etwa zwei Milliarden Jahre älter. Wir wissen, in diesen zwei Milliarden Jahren, wenn sich unsere Sonne ähnlich verhält, wird ihre Leuchtkraft immer weiter zunehmen. Dadurch verändert sich auch diese habitable Zone. Nach unseren Rechnungen sind die Chancen, dass sich dieser Planet sowohl auf einem stabilen Orbit als auch in der habitablen Zone befindet, zwar nicht ganz gleich Null, aber auch nicht übermäßig groß."

    Das Neue am Potsdamer Modell der habitablen Zonen ist, dass es auch den Planeten selbst berücksichtigt. Denn ob es auf einem Planeten Leben geben kann, hängt nicht nur von Temperatur und Bahn des Planeten ab - sondern auch davon, wie viel Land und wie viel Wasser es auf seiner Oberfläche gibt. Frank:

    Wir haben untersucht eine Waterworld mit nur 10 Prozent Kontinentfläche und 90 Prozent Ozean und haben das langsam gesteigert bis zu einer so genannten Landworld mit 90 Prozent Kontinente. Wir haben herausgefunden, dass die größten Chancen für einen erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone auf einem stabilen Ort für eine so genannte Waterworld bestehen würde.

    Zu große Landflächen senken den Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre, weil Silikate mit dem Kohlendioxid reagieren und es so binden. Dann fehlt es für die Photosynthese. Für einen funktionierenden Kohlenstoffkreislauf setzt Siegfried Franck zudem Plattentektonik voraus: Abtauchende Erdplatten und aufsteigende Lava ermöglichen langfristig einen Austausch von flüchtigen Stoffen zwischen der Atmosphäre und dem tiefen Erdinnern. Frank:

    Ein Planet, der die halbe Erdmasse hat oder die doppelte: Verhält der sich genauso wie die Erde. Hat der noch Plattentektonik oder nicht? Das kann noch niemand endgültig beantworten. Selbst in unserem Sonnensystem haben wir die planetare Evolution der Venus und des Mars auch noch nicht richtig verstanden. Hat der Mars zum Beispiel früher mal Plattentektonik gehabt oder nicht und ist er nur schneller ausgekühlt? Da gibt es noch keine eindeutigen Befunde dafür.

    Stabile Bahn, richtige Temperatur, genug Wasser, nicht zu viel Land, Plattentektonik - das Leben ist ganz schön wählerisch. Aber bei den Hunderten Milliarden von Sternen allein in unserer Milchstraße werden sich früher oder später schon Planeten in habitablen Zonen finden - und dann hat die irdische Klimafolgenforschung himmlische Anwendungen.