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Fremdenfeindlichkeit
Debatte über Flüchtlingspolitik

Nach dem offenbar fremdenfeindlichen Brandanschlag von Tröglitz haben Politiker zu einem entschlossenen Kampf gegen Rechtsradikalismus aufgerufen. Gleichzeitig diskutiert die Öffentlichkeit darüber, ob das tatsächlich ein bundesweites Problem ist.

Von Frank Capellan | 07.04.2015
    Blick auf den ausgebrannten Dachstuhl der zukünftigen Unterkunft für Asylbewerber in Tröglitz (Sachsen-Anhalt)
    Blick auf den ausgebrannten Dachstuhl der zukünftigen Unterkunft für Asylbewerber in Tröglitz (dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt)
    Weg vom abstrakten Diskutieren, statt dessen zeigen, was diese Menschen mitgemacht haben, das kann helfen im Kampf gegen wachsende Fremdenfeindlichkeit, davon ist Gerd Landsberg überzeugt. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes müht sich im Interview mit dem Deutschlandfunk hörbar, einmal nicht vordringlich darüber zu reden, wer die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen übernimmt. Jetzt gehe es darum Akzeptanz für die Hilfesuchenden zu schaffen:
    "Wenn Sie das Einzelschicksal dieser Menschen, die nur mit ihrem Leben geflohen sind und nach Deutschland kommen, darstellen, dann werden Sie kaum jemanden finden, der sagt 'Nein, diesen Menschen will ich nicht helfen'. Nur diese Einzelschicksale müssen eben vor Ort auch beleuchtet werden. Dass einer nach drei Monaten hier arbeitet, sein Geld selbst verdient und seine Familie ernährt, das gibt es auch tausendfach. Nur darüber wird nicht geschrieben und wenig berichtet."
    "Tröglitz ist überall", meint Christdemokrat Reiner Haseloff. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident spricht von einem bundesweiten Problem und warnt davor, den Brandanschlag als Einzelfall zu betrachten. Sein Parteifreund Wolfgang Bosbach verweist allerdings auf die besondere Vorgeschichte in Tröglitz.
    Mehr Transparenz, mehr Aufklärung
    "Wenn ein Bürgermeister zurücktritt weil er bedroht worden ist, wenn der Landrat unter Polizeischutz steht, weil auch er Morddrohungen erhalten hat, dann ist das glücklicherweise kein bundesweites Phänomen. Dessen ungeachtet hat der Herr Haseloff recht, wenn er sagt, das ist jetzt eine Herausforderung für alle Demokraten in Deutschland."
    Denn die Gefahr kommt wieder von rechts, Flüchtlinge sind bedroht, das müssen wir leider konstatieren, räumt SPD-Vize Ralf Stegner ein. Innenminister Thomas de Maizière macht die rechte Szene für die wachsende Gewalt gegen Asylbewerber verantwortlich. Rechtsextreme Parteien und Bürgerbewegungen instrumentalisierten das Thema Asyl - auffällig ist nach Ansicht des Ministers die Häufung von Straftaten Rechtsextremer an Orten, an denen Kundgebungen gegen Flüchtlinge stattgefunden haben. Mehr Transparenz, mehr Aufklärung bei der Aufnahme von Flüchtlingen könnte helfen, glaubt Sozialdemokratin Aydan Özuguz. Wer kommt? Wie viele Menschen sind es wirklich? Da gibt es doch ganz falsche Vorstellungen in der Bevölkerung, beklagt die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung im ARD-Fernsehen:
    "Tatsächlich ist es ja so, dass wir leider in vielen auch politischen Debatten dann gerne mal Überziehungen haben, dass Menschen so etwas sagen wie naja halb Afrika käme zu uns und dann sind es irgendwie 20.000 in einem Jahr. Wir müssen genauer miteinander reden, was wir überhaupt tun und zu tun haben. Und wir haben so viele Jahre gehabt, wo fast überhaupt kein Flüchtling zu uns gekommen ist. Jetzt sind wir wieder gefordert."
    Aufschrei der Bevölkerung vermisst
    Uwe-Carsten Heye fürchtet allerdings, dass dieser Anschlag ohne Folgen bleiben könnte. Als Chef des Vereins "Gesicht zeigen!" macht er sich seit Jahren gegen Fremdenfeindlichkeit stark, den Aufschrei der Bevölkerung aber vermisst er ganz offensichtlich.
    "Wir haben 180 tote Opfer rechtsextremistischer Gewalt seit dem Mauerfall. Und ich habe nicht ein einziges Mal das Gefühl gehabt, dass in dieser Gesellschaft das zu einer Besinnung geführt hat, dass wir erneut und wiederum diese Art von unmenschlichem Verhalten bekämpfen müssen."
    Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind bundesweite Phänomene, beklagt auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er fordert dazu auf, die Pläne für ein Verbot der NPD weiter zu verfolgen. "Sie bietet - nicht nur in Tröglitz - organisatorische Unterstützung für ausländerfeindliche Aktionen", betont Schuster im Tagesspiegel-Interview. "Und das mit Steuergeldern!"