"Ich glaube aber, die einzige Frage von Rang lautet: Gelingt es uns, die Künstler hier und in aller Welt mit unseren zukunftsträchtigen Ideen zu erfüllen? Dann werden sich diese Ideen auch in ihren Werken widerspiegeln. Fahren wir aber auf dem alten Weg der Gängelung und Einmischung fort, so werden wir nur erreichen, dass noch mehr Leute an die Oberfläche kommen, die keine innere Beziehung zu unserer Sache haben, sondern nur danach trachten, herauszufinden, was politisch gerade Mode ist und was gewünscht wird."
Im Dezember 1964 strahlte der Westberliner RIAS das Plädoyer des ostdeutschen Naturwissenschaftlers und Kommunisten Robert Havemann für die Freiheit der Kunst aus. Das war Teil einer neuen Handlungsweise oppositioneller DDR-Intellektueller: auf dem Umweg über westliche Medien konnte DDR-weit bekannt gemacht werden, was zu äußern im Osten Deutschlands verboten war.
Im Winter 1963/64 hielt Professor Havemann an der Berliner Humboldt-Universität eine Vorlesung über "Naturwissenschaftliche Aspekte philosophischer Probleme" für alle Fakultäten. Aus allen Teilen des Landes kamen Hörer nach Berlin und wurden Zeugen eines Plädoyers für Meinungsstreit und offene Diskussion. Das SED-Regime reagierte mit Berufs- und Publikationsverbot. Doch die Veröffentlichung der Vorlesung erfolgte noch im selben Jahr – im Westen. Der Buchtitel "Dialektik ohne Dogma?" signalisierte Havemanns Haltung. Er verwarf nicht die Dialektik, sondern ihre Dogmatisierung. Er verabschiedete nicht den Sozialismus, sondern kritisierte den gelenkten realexistierenden Sozialismus. Seinerseits setzte er auf die Zukunft eines demokratisch weiterentwickelten Sozialismus. Seitdem wurde der Regimekritiker und Dissident zum Opfer einer staatlichen Kampagne mit dem Ziel seiner – wie es im SED- und Stasi-Jargon hieß.
"Politisch-ideologischen Zerschlagung und Isolierung."
Es wurde ein jahrzehntelanger Kampf.
"Ich denke ja gar nicht daran, die DDR zu verlassen, wo man wirklich auf Schritt und Tritt beobachten kann, wie das Regime allen Kredit verliert und schon verloren hat, und es nur noch weniger äußerer Anstöße und Ereignisse bedarf, um das Politbüro zum Teufel zu jagen."
Weil er gegen die Ausbürgerung seines Freundes Wolf Biermann protestiert hatte, war Havemann 1976 zu einem mehrjährigen Hausarrest verurteilt worden. Die exzessive Überwachung war gleichzeitig lächerlich und schrecklich. Doch dann hörte man im Herbst 1978 im Westradio wieder die Stimme des inzwischen 68-Jährigen. Was auf Tonbandkassetten in den Westen gelangt war, erschien dort noch im selben Jahr als Buch unter dem Titel "Ein deutscher Kommunist. Rückblicke und Perspektiven aus der Isolation".
Robert Havemann, am 11. März 1910 in München geboren, studierte Chemie und wurde in den 30er-Jahren in Berlin zu einem anerkannten Spezialisten für die Biochemie des Blutstoffwechsels und Mitarbeiter an einem Giftgas-Projekt des Heereswaffenamtes. Gleichzeitig engagierte er sich politisch. Er wurde Mitglied der Kommunistischen Partei und verschiedener Widerstandsgruppen so auch der "Europäischen Union". Nach deren Entdeckung wurden 13 Mitglieder durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Alle wurden hingerichtet – bis auf Havemann, dessen Forschungstätigkeit als "kriegswichtig" galt.
"Man richtete für mich im Zuchthaus Brandenburg-Görden ein Laboratorium ein, wo ich für das Heereswaffenamt arbeiten sollte. Ich wurde nicht begnadigt, sondern erhielt laufend verlängerten Vollstreckungsaufschub."
Diese Haft und die Befreiung durch die Rote Armee wurden für Havemann prägend. Sein weiteres Leben empfand er als "Zugabe". Warum er so lange Stalinist war, erklärte er 1965 in einem Artikel in der westdeutschen ZEIT:
"Meine Befreiung aus dem Zuchthaus, mein Leben, mein Denken – alles verdankte ich der Partei, verdankte ich Stalin."
In den 50er-Jahren stieg Havemann in die privilegierte Führungsschicht der DDR auf. Erst durch die Geheimrede Chruschtschows auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 mit ersten Enthüllungen über das Terrorregime Stalins kam, wie für so viele, auch für ihn ein Wendepunkt. Zwei Jahrzehnte lang bis zu Havemanns Tod im April 1982 bekämpfte das DDR-Regime den abtrünnig Gewordenen, der noch zuletzt meinte:
"Der einzige Weg, der durch das große und uns nahende Unheil hindurchführt, ohne dass wir dabei untergehen müssen, ist der Weg eines wirklichen freiheitlichen Sozialismus."
Im Dezember 1964 strahlte der Westberliner RIAS das Plädoyer des ostdeutschen Naturwissenschaftlers und Kommunisten Robert Havemann für die Freiheit der Kunst aus. Das war Teil einer neuen Handlungsweise oppositioneller DDR-Intellektueller: auf dem Umweg über westliche Medien konnte DDR-weit bekannt gemacht werden, was zu äußern im Osten Deutschlands verboten war.
Im Winter 1963/64 hielt Professor Havemann an der Berliner Humboldt-Universität eine Vorlesung über "Naturwissenschaftliche Aspekte philosophischer Probleme" für alle Fakultäten. Aus allen Teilen des Landes kamen Hörer nach Berlin und wurden Zeugen eines Plädoyers für Meinungsstreit und offene Diskussion. Das SED-Regime reagierte mit Berufs- und Publikationsverbot. Doch die Veröffentlichung der Vorlesung erfolgte noch im selben Jahr – im Westen. Der Buchtitel "Dialektik ohne Dogma?" signalisierte Havemanns Haltung. Er verwarf nicht die Dialektik, sondern ihre Dogmatisierung. Er verabschiedete nicht den Sozialismus, sondern kritisierte den gelenkten realexistierenden Sozialismus. Seinerseits setzte er auf die Zukunft eines demokratisch weiterentwickelten Sozialismus. Seitdem wurde der Regimekritiker und Dissident zum Opfer einer staatlichen Kampagne mit dem Ziel seiner – wie es im SED- und Stasi-Jargon hieß.
"Politisch-ideologischen Zerschlagung und Isolierung."
Es wurde ein jahrzehntelanger Kampf.
"Ich denke ja gar nicht daran, die DDR zu verlassen, wo man wirklich auf Schritt und Tritt beobachten kann, wie das Regime allen Kredit verliert und schon verloren hat, und es nur noch weniger äußerer Anstöße und Ereignisse bedarf, um das Politbüro zum Teufel zu jagen."
Weil er gegen die Ausbürgerung seines Freundes Wolf Biermann protestiert hatte, war Havemann 1976 zu einem mehrjährigen Hausarrest verurteilt worden. Die exzessive Überwachung war gleichzeitig lächerlich und schrecklich. Doch dann hörte man im Herbst 1978 im Westradio wieder die Stimme des inzwischen 68-Jährigen. Was auf Tonbandkassetten in den Westen gelangt war, erschien dort noch im selben Jahr als Buch unter dem Titel "Ein deutscher Kommunist. Rückblicke und Perspektiven aus der Isolation".
Robert Havemann, am 11. März 1910 in München geboren, studierte Chemie und wurde in den 30er-Jahren in Berlin zu einem anerkannten Spezialisten für die Biochemie des Blutstoffwechsels und Mitarbeiter an einem Giftgas-Projekt des Heereswaffenamtes. Gleichzeitig engagierte er sich politisch. Er wurde Mitglied der Kommunistischen Partei und verschiedener Widerstandsgruppen so auch der "Europäischen Union". Nach deren Entdeckung wurden 13 Mitglieder durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Alle wurden hingerichtet – bis auf Havemann, dessen Forschungstätigkeit als "kriegswichtig" galt.
"Man richtete für mich im Zuchthaus Brandenburg-Görden ein Laboratorium ein, wo ich für das Heereswaffenamt arbeiten sollte. Ich wurde nicht begnadigt, sondern erhielt laufend verlängerten Vollstreckungsaufschub."
Diese Haft und die Befreiung durch die Rote Armee wurden für Havemann prägend. Sein weiteres Leben empfand er als "Zugabe". Warum er so lange Stalinist war, erklärte er 1965 in einem Artikel in der westdeutschen ZEIT:
"Meine Befreiung aus dem Zuchthaus, mein Leben, mein Denken – alles verdankte ich der Partei, verdankte ich Stalin."
In den 50er-Jahren stieg Havemann in die privilegierte Führungsschicht der DDR auf. Erst durch die Geheimrede Chruschtschows auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 mit ersten Enthüllungen über das Terrorregime Stalins kam, wie für so viele, auch für ihn ein Wendepunkt. Zwei Jahrzehnte lang bis zu Havemanns Tod im April 1982 bekämpfte das DDR-Regime den abtrünnig Gewordenen, der noch zuletzt meinte:
"Der einzige Weg, der durch das große und uns nahende Unheil hindurchführt, ohne dass wir dabei untergehen müssen, ist der Weg eines wirklichen freiheitlichen Sozialismus."