Kriege beenden
Wie entsteht Frieden und wie hält er an?

Ukraine, Nahost, Sudan: Weltweit leiden Millionen Menschen unter Kriegen und Gewaltkonflikten. Manche davon schwelen schon seit Jahrzehnten. Forscher erläutern, was nötig ist, damit Kriege beendet werden können.

    Lachende, feiernde amerikanische Soldaten. Einer hält eine Zeitung hoch, auf der in Großbuchstaben "Peace" gedruckt ist.
    Im Glück: Amerikanische Soldaten feiern die Kapitulation Japans in Paris 1945. (picture alliance / Heritage-Images / Keystone Archives)
    Die Welt ist heute weit weniger friedlich als noch vor fünfzehn Jahren. Laut dem Uppsala Conflict Data Program (UCDP) gab es 2022 insgesamt 55 Konflikte mit staatlicher Beteiligung, darunter acht Kriege. Das ist ein deutlicher Anstieg seit 2009. Die Zahl der getöteten Menschen verdoppelte sich im Vergleich zu 2021 beinahe auf 238.000. 
    Kriege zu beenden ist oftmals ein schwieriger, langwieriger Prozess, sagen Experten. Nicht selten dauert es Generationen, bis man wirklich von Frieden sprechen kann. Doch wie können gewaltsame Konflikte beendet werden? Und wann herrscht überhaupt Frieden?

    Inhalt

    Wann sprechen wir von Frieden?

    Es gibt keine allgemeingültige Definition für das, was wir Frieden nennen. Doch man kann feststellen, dass sich die Vorstellungen darüber gewandelt haben. Von der Antike bis weit in die Neuzeit wurde Frieden schlicht als die Abwesenheit von Krieg definiert, sagt der Historiker Jörn Leonhard. Für den Völkerbund von 1920 – eine Vorläuferorganisation der Vereinten Nationen – gehörten zu einem Frieden auch politische und soziale Sicherheit.
    Heute verbinden wir mit Frieden laut Leonhard ferner, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt. Etwa durch die Verfolgung von Kriegsverbrechen oder die Aufarbeitung von Traumata.
    Auch der Begriff Krieg ist nicht allgemeingültig definiert. Für die Wissenschaftler David Singer und Melvin Small ist ein Krieg jeder gewaltsame Konflikt mit mindestens 1.000 getöteten Kombattanten pro Jahr. Zudem müssen sich beide Konfliktparteien zur kollektiven Gewaltanwendung organisiert haben. Die zahlenmäßig unterlegene Seite muss bei den Kämpfen mindestens fünf Prozent der eigenen Verluste dem Gegner zugefügt haben. Die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung definiert Krieg knapper als organisierten Konflikt, der mit Waffen gewaltsam ausgetragen wird.

    Wie enden Kriege?

    Kriege können auf ganz unterschiedliche Weise enden. Sei es durch Kapitulation, einen militärischen Patt oder auch die Intervention Dritter. Eher selten kommt es vor, dass eine Kriegspartei militärisch geschlagen ist und ihre Niederlage anerkennt. Laut dem Konfliktforscher Thorsten Bonacker ist das nur bei 20 Prozent aller Kriege der Fall.  Ein Beispiel ist die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Jahr 1945.
    Das Gros der Kriege endet laut Bonacker auf andere Weise: Entweder dadurch, dass die Kriegsparteien schlichtweg aufhören zu kämpfen. Das liege meist daran, dass sie militärisch erschöpft seien. Oder es komme zu einem Waffenstillstand. Rund ein Drittel aller zwischenstaatlichen Kriege werde durch den ausgehandelten Waffenstillstand beendet, sagt Bonacker. Für die Bevölkerung sei es schon „ein großer Schritt“, wenn die Waffen ruhten, betont der Forscher. Doch weder der Waffenstillstand noch die militärische Erschöpfung münden zwangsläufig in ein stabiles Friedensabkommen. Die Kriege können wieder aufflammen.
    Der Historiker Jörn Leonhard sieht in dem Waffenstillstand sogar eine große Gefahr: Er könne einen Konflikt mitunter verlängern. Der Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea beispielsweise wurde vor 70 Jahren vereinbart. Mehr als 100.000 Verletzungen des Abkommens hat es laut Leonhard auf der koreanischen Halbinsel seither gegeben. Diese Art „fauler Frieden“ sei typisch für Kriege nach 1945, sagt der Historiker.
    Kriege enden nicht selten auch am Verhandlungstisch. Vom 15. bis zum 19. Jahrhundert stieg der Anteil der durch Verhandlungen und Verträge befriedeten Konflikte von 30 auf 80 Prozent, schreibt der Historiker Jörn Leonhard in seinem Buch „Über Kriege und wie man sie beendet“. Doch im 20. Jahrhundert sank die Quote erheblich – auf nur noch 40 Prozent. Als Gründe nennt der Autor die ideologische Zuspitzung und lange Dauer von Kriegen sowie den Ausbruch militärischer Konflikte ohne formale Kriegserklärung.

    Was sind die Voraussetzungen für Frieden?

    Kommunikation und Vermittler
    Eine zentrale Voraussetzung für Frieden ist, dass die Gegner miteinander sprechen, erklärt der Historiker Jörn Leonhard: „Kein Frieden ohne Kommunikation“. „Man muss die Kommunikationskanäle offenhalten, so schwer das fällt“, sagt er. Je mehr Kriegsverbrechen begangen wurden, umso schwieriger werde dies allerdings.
    Daneben brauche es Vermittler, zumal für einen wirklich stabilen Frieden. Leonhard: „Wir wissen aus vielen historischen Beispielen, dass die Chance, dass ein Frieden hält, umso größer ist, je mehr auswärtige Mächte bereit sind, sich in einer Konfliktregion positiv zu engagieren.“
    Vertrauen in den Kriegsgegner
    Eine Voraussetzung für Friedensverhandlungen ist laut dem Konfliktforscher Thorsten Bonacker das Vertrauen darin, dass der Gegner es mit den Vereinbarungen ernst meint. Hat eine Konfliktpartei in der Vergangenheit Verabredungen und Versprechen gebrochen, werde die Situation „natürlich sehr, sehr schwierig“, so Bonacker. Die Ukraine beispielsweise habe überhaupt keinen Grund, Russland bei etwaigen Verhandlungsangeboten zu vertrauen. Auch wegen des Vertrauensproblems sei der Wille hoch, den Krieg fortzusetzen, sagt der Experte.
    Geringe Chancen auf Sieg
    Wie die Chancen auf Frieden stehen, hängt auch davon ab, wie eine Konfliktpartei ihre Erfolgsaussichten auf dem Schlachtfeld einschätzt. Schwinde der Glaube an den Sieg, stiegen die Chancen auf eine Friedenslösung, so der Historiker Leonhard. Umgekehrt kann es laut dem Konfliktforscher Bonacker vorkommen, dass ein Krieg aus einer Art Kosten-Nutzen-Erwägung fortgeführt wird. Dann nämlich, wenn eine Kriegspartei erwartet, dass die Kosten für den Frieden höher ausfallen als die Kosten für den Krieg.
    Abbau von Feindbildern
    Für einen echten, dauerhaften Frieden reicht nach Ansicht des Historikers Jörn Leonhard ein formaler Friedensschluss nicht aus. Dazu müssten Feindbilder abgebaut und Vertrauen zwischen den Konfliktparteien aufgebaut werden. Leonhard hält dies für die „vermutlich schwierigste Aufgabe“. Frieden, sagt er, sei ein langfristiger Prozess, ein „Gestaltungsprojekt für Generationen“. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen beispielsweise habe sich nach dem Kriegsende über Generationen entwickelt. Die positive Botschaft des Historikers: „Wenn es etwas gibt, was wir aus der Geschichte sehen, dann, dass alle Kriege irgendwann enden.“
    tmk