Gwangju in Südkorea. Hinter alten Tempelanlagen und Palästen ragen Firmenhochhäuser empor. Trotz Rushhour herrscht Ruhe, alles geht seinen geordneten Gang - geschäftig und organisiert, aufgeräumt und freundlich präsentiert sich die 1,4-Millionen-Metropole. Nördlich der Stadt liegt eine Parkanlage - der Nationalfriedhof von Gwangju. Marmorgräber erinnern an die Opfer der von der Militärregierung blutig zerschlagenen Aufstände im Mai 1980.
"Die Kerze bringt Licht in dunkle Verhältnisse"
Wolfgang Prawitz ist evangelischer Pfarrer aus Hessen-Nassau und Vorsitzender des Ausschusses für die Partnerschaft zu Südkorea. Vor dem Gedenkturm des Friedhofs hält er ein stilles Gebet. Seit 15 Jahren besucht er die Partnerkirche. An diesem Montagabend im Juni erlebt er eine Überraschung: 30 Jahre nach dem blutigen Massaker füllen sich plötzlich die Straßen mit Licht. Hunderttausende Menschen zünden Kerzen an und ein südkoreanischer Pfarrer erklärt ihm:
"Wir knüpfen mit den Kerzendemonstrationen, so heißen die in Südkorea auch, wir knüpfen damit direkt an die Leipziger Tradition an. Wir haben aus der deutschen Erfahrung geschöpft, dass Kerzendemonstrationen die Welt verändern können und genau deswegen knüpfen wir daran an. Die Kerze bringt Licht in dunkle Verhältnisse. Und spätestens mit der japanischen Besatzung fing in Korea eine dunkle Zeit an und das wird auch genau so formuliert."
"Wir brauchen unglaublich viel Zeit, um uns kennenzulernen"
Seit 30 Jahren engagiert sich der evangelische Pfarrer Seung Min Shin für Frieden - in der NCCK, der Menschenrechtskommission des Nationalen Kirchenrats. Für Frieden, sagt er nüchtern, brauchen wir einen Nichtangriffspakt von den Amerikanern, der von den anderen Ländern bestätigt wird. Aber das reiche nicht. Für eine Versöhnung brauche es Jahre:
"Durch den Koreakrieg und die Folgen kann man davon ausgehen, dass fünf Millionen Menschen letztendlich ums Leben gekommen sind und wir haben die Folgen dieses Sterbens, die Traumata, die damit verbunden sind, noch gar nicht richtig bearbeiten können. Seit 73 Jahren leben wir in dieser Feindschaft gegeneinander. Wir brauchen unglaublich viel Zeit, um uns kennenzulernen, um uns verstehen zu lernen und auch um ein Mindestmaß an Respekt zu entwickeln. Ich würde diesem Prozess zehn Jahre geben müssen."
Nataly Jung-Hwa Han kam als Studentin nach Berlin. Sie hat die Wiedervereinigung in Deutschland erlebt. Ihre Hoffnung ist groß, dass sich auch eines Tages in ihrer Heimat, in Korea, Familien wieder in die Arme schließen können.
Sie sagt: "Diese Grenze ist einfach unmenschlich und macht uns einfach krank. Menschen, die in Nord- und Südkorea leben, sind uns bewusst, wenn wir uns begegnen, Nord- und Südkoreaner, dass unsere Vergangenheit, die ungerechte Teilung, uns verbindet und dass es eine Kraft gibt, dass wir diese Wiedervereinigung vorantreiben werden."
"Es ging darum, voneinander und miteinander zu lernen"
Hoffnung liegt in der Luft. Allen voran gilt Moon Jae-in als Präsident, der zur richtigen Zeit das Richtige tue. Bei seinem Besuch 2017 in Leipzig hat er zum ersten Mal von "Peace treaty", einem Friedensvertrag gesprochen. Und dafür - so seine Worte - brauche die Politik die Friedenskampagne der koreanischen Kirchen. Pfarrer Wolfgang Prawitz:
"Die Kirche in Hessen und Nassau unterhält unterschiedliche Partnerschaften in mehrere Kontinente, unter anderem auch nach Afrika, nach Indien oder nach Indonesien. Diese Partnerschaften waren überwiegend getragen von einer Bewegung in den Achtziger-Jahren, 'Hilfe zur Selbsthilfe', sogenannte 'Dritte-Welt-Arbeit'. Die Partnerschaft nach Korea unterscheidet sich da schon in ihren Anfangsbedingungen. Es ging tatsächlich darum, voneinander und miteinander zu lernen im Einsatz für Demokratie und Menschenrechte."
Optimistisch ist auch Sung Kook Park. Er ist Direktor an der Theologischen Universität in Gwangju und hat seine Fahrkarte nach Nordkorea quasi schon in der Tasche, erzählt Prawitz.
"Der sagte auf meine Frage, was er sich denn von dem Treffen zwischen Kim Jong-un und Donald Trump erhofft: 'Danach werde ich mit dem Zug von Gwangju nach Berlin fahren.' In diesem Satz kommt ja zum Ausdruck, eine solche Zugfahrt durch Nordkorea wird möglich. Es war ein Satz, der vor zehn Jahren nicht hätte formuliert werden können, da wäre er vorsichtiger formuliert worden, 'Ich hoffe, dass es irgendwann mal möglich sein wird'. Aber jetzt, mit der Formulierung 'Dann werde ich fahren', ist die Hoffnung wunderbar zum Ausdruck gebracht."
Ob es an Trump liegt, an Kim oder an der Kirchenpartnerschaft, lässt Prawitz offen.