Mario Dobovisek: Er wiegt handliche 62 Tonnen, der deutsche Kampfpanzer Leopard II. Die meisten dieser stählernen Ungetüme stehen in Deutschland, sollten einst im Kalten Krieg das Bollwerk gegen die Streitkräfte des Warschauer Paktes bilden. Doch der Leopard II ist auch ein Exportschlager, und das schon seit 33 Jahren. Seine Ketten rasseln in Dänemark, Finnland, Griechenland, in Kanada und auch in der Schweiz, aber auch, und das ist umstritten, vor allem bei Menschenrechtlern, in Saudi-Arabien und Katar. 200 weitere Panzer will das Emirat Katar nun offenbar erwerben, heißt es in Regierungskreisen. Am Telefon begrüße ich Michael Brzoska, den wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität in Hamburg. Guten Tag, Herr Brzoska!
Michael Brzoska: Guten Tag!
Dobovisek Die Bundesregierung schweigt beharrlich zu der Anfrage und verweist grundsätzlich auf die Geheimhaltung der Entscheidungen, die im Bundessicherheitsrat getroffen werden. Warum immer diese Geheimniskrämerei?
Brzoska: Ja, das frage ich mich auch. Die offizielle Begründung ist eine doppelte: Zum einen sagt man, dass man die Rechte der Exporteure schützen muss. Es ist ja wie bei jedem Antragsteller auch so, dass die Rüstungshersteller einen Antrag an eine Behörde stellen, und solche Anträge sind, egal, von wem sie kommen, zunächst einmal schützenswert, und da werden auch keine Ausnahmen für den Rüstungsexport gemacht. Das zweite Argument ist, dass es immer natürlich auch außenpolitisch sensibel ist, an wen man jetzt Waffen liefert oder auch nicht. Und die Bundesregierung möchte ungern, dass im Ausland dann bei einzelnen Staaten eben bekannt wird, dass man zum Beispiel Anträge nicht genehmigt hat.
Dobovisek Am Ende wird aber dennoch fast alles bekannt, denn irgendwo gibt es immer undichte Stellen. Also warum weiterhin dieser geschlossene Zirkel?
Brzoska: Das ist das Interessante und auch das Absurde an dieser Situation, dass eben natürlich zum Beispiel die Hersteller ein Interesse daran haben, dass auch bekannt wird, dass sie exportiert haben, denn nichts ist im Geschäft besser, als wenn man Erfolge hat im Verkaufen. Und natürlich auch die Länder selber, wenn sie Waffen aus Deutschland bekommen, gerade wenn es kritisch war, auch stolz darauf sind und das bekannt machen. Ich verstehe es auch nicht, die Bundesregierung hat hier in der Vergangenheit sehr stark gemauert. Es gibt einige Initiativen im Parlament, die natürlich, wie in solchen Dingen oft, zunächst einmal von der Opposition kommen. Aber ich hoffe doch, dass in der Zukunft die Bundesregierung da hier etwas weniger restriktiv ist. Es muss ja nicht so sein, dass man vorher alles zerredet und jede Entscheidung dann in der Öffentlichkeit durchdiskutiert wird, aber zumindest ist es eine zeitnahe Diskussion und vor allen Dingen auch bei besonders kritischen Fällen. Eine öffentliche Diskussion kann eigentlich auch nur im Interesse der Bundesregierung liegen, damit es nicht immer wieder zu solchen Meldungen kommt wie jetzt nämlich, dass dann die Öffentlichkeit denkt, da ist ein großer Skandal.
Dobovisek Ist Katar Ihrer Meinung nach ein besonders kritischer Fall?
Brzoska: Katar ist ein kritischer Fall. Denn bisher sind, das war in Ihrer Anmoderation nicht so ganz klar, aber keine kompletten Panzer aus Deutschland in diese Region geliefert worden. Da gab es in der Vergangenheit durchaus Anfragen. Die sind aber abschlägig beschieden worden. Nun gibt es den Fall Saudi-Arabien, den sie erwähnten, wo es den Anschein hatte, als wenn die Bundesregierung möglicherweise eine Genehmigung schon ausgesprochen hat. Bei Katar sagt sie, Nein, haben wir noch nichts genehmigt. Aber trotzdem, es wäre eine Veränderung gegenüber der bisherigen Politik, in diese Region keine kompletten deutschen Panzer zu liefern.
Dobovisek Angela Merkel hat ja zuletzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt, sie werde eine wertegebundene Außenpolitik verfolgen. Nun gibt es in Katar kein Parlament, keine Parteien, keine Gewerkschaften. Die Meinungsäußerung ist eingeschränkt. Ist das etwas, was wir unter einer wertegebundenen Außenpolitik verstehen könnten, wenn dorthin jetzt Panzer geliefert werden?
Brzoska: Also aus meiner Sicht nicht. Ich halte die Lieferungen nach Katar für aus Gründen der Menschenrechtsfragen, denn auch Katar war beteiligt, zum Beispiel im letzten Jahr an der Unterdrückung der Aufstandsbewegungen in Bahrain. Sie haben zwar selber keine Panzer geschickt, das hat Saudi-Arabien gemacht, aber sie waren Befürworter, dass Saudi-Arabien Panzer dorthin schickt. Das war im Rahmen des Golfkooperationsrates ein einstimmiger Beschluss. Auch, was Sie zurecht anführen, dass Katar natürlich ein nicht nur autoritär, sondern wirklich von einer Einzelperson mehr oder weniger geführtes Land ist, spricht natürlich nicht dafür, dass man dieses Land unbedingt unterstützen sollte mit Lieferungen von schweren Waffen. Es ist auch nicht so richtig einzusehen, was eigentlich Katar mit diesen Panzern will, außer möglicherweise gerüstet zu sein, falls es doch mal im Land auch zu Auseinandersetzungen selber kommt.
Dobovisek Bisher hat die Bundeswehr mit eigenen Soldaten in Konflikte, auch in regionale Konflikte eingegriffen. Ist das möglicherweise, was wir beobachten, ein Strategiewechsel, dass Panzer geschickt werden statt der eigenen Soldaten?
Brzoska: Ja, es gibt Anzeichen, dass auch die Bundesregierung eine Strategie stärker zumindest ins Auge gefasst hat, die darauf hinausläuft, bestimmte Staaten auch militärisch stärker zu machen, um dann nicht selber in die Lage zu kommen, möglicherweise in Regionen militärisch eingreifen zu müssen. Das hat zu tun mit dem Konzept, was im Auswärtigen Amt im Frühjahr vorgestellt worden ist. Dass man sagt, es gibt bestimmte Gestaltungsmächte, die wollen wir stärken, auch die Kanzlerin hat gelegentlich schon so andeuten lassen, dass eben bestimmte Staaten für Deutschland besonders wichtig sind, und ich habe so ein bisschen den Eindruck, dass man im arabischen Raum als Gegengewicht gegen den Iran vor allen Dingen bestimmte Staaten, dazu gehört Saudi-Arabien, Katar, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate, als solche Staaten ansieht, die man auch mit militärischen Mitteln stützen sollte.
Dobovisek Rüstet sich die Region also für einen umfassenden Krieg im Nahen Osten?
Brzoska: So weit würde ich nicht gehen, aber man sieht deutliche Anzeichen, dass die Golfstaaten einschließlich Saudi-Arabiens die iranische Bedrohung ernst nehmen und versuchen, dafür auch sich zu rüsten und dabei auch besonders gerne deutsche Waffen haben wollen.
Dobovisek Und wenn wir hier noch mal den Strategiewechsel, wie wir es sagen, der Bundesregierung uns ansehen, ist das nicht etwas, was wir in der Öffentlichkeit diskutieren sollten?
Brzoska: Unbedingt. Ich denke, dass gerade in dieser Region, in der in der Tat die Kriegsgefahr hoch ist, es wichtig wäre, sich im Klaren zu sein, dass die Lieferung von Panzern auch bedeutet natürlich, dass wir uns hier stärker engagieren. Es geht ja nicht nur um Soldaten, die man möglicherweise irgendwohin schickt, sondern auch Waffen sind natürlich ein Signal, senden ein Signal, dass man eine bestimmte Politik unterstützt, in diesem Fall eine Militarisierung des Nahen Ostens. Das mag gerechtfertigt sein aufgrund der iranischen Politik, müsste aber unbedingt diskutiert werden.
Dobovisek Wie lange wird dann die Bundesregierung die Geheimhaltung einhalten können?
Brzoska: Es ist ja im Grunde genommen schon keine Geheimhaltung mehr möglich. Der Saudi-Arabien-Fall ist letztes Jahr, im letzten Jahr sehr intensiv diskutiert worden. Auch dieser Fall wird diskutiert werden. Was aber eben immer wieder erschreckend ist aus meiner Sicht, ist, dass die Bundesregierung, und hier voran diejenigen, die für die Außenpolitik zuständig sind, nicht bereit sind, klar zu sagen, welche Ziele sie eigentlich in dieser Region mit welchen Mitteln verfolgen wollen.
Dobovisek Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg über mögliche Panzerlieferungen an das Emirat Katar. Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Brzoska: Guten Tag!
Dobovisek Die Bundesregierung schweigt beharrlich zu der Anfrage und verweist grundsätzlich auf die Geheimhaltung der Entscheidungen, die im Bundessicherheitsrat getroffen werden. Warum immer diese Geheimniskrämerei?
Brzoska: Ja, das frage ich mich auch. Die offizielle Begründung ist eine doppelte: Zum einen sagt man, dass man die Rechte der Exporteure schützen muss. Es ist ja wie bei jedem Antragsteller auch so, dass die Rüstungshersteller einen Antrag an eine Behörde stellen, und solche Anträge sind, egal, von wem sie kommen, zunächst einmal schützenswert, und da werden auch keine Ausnahmen für den Rüstungsexport gemacht. Das zweite Argument ist, dass es immer natürlich auch außenpolitisch sensibel ist, an wen man jetzt Waffen liefert oder auch nicht. Und die Bundesregierung möchte ungern, dass im Ausland dann bei einzelnen Staaten eben bekannt wird, dass man zum Beispiel Anträge nicht genehmigt hat.
Dobovisek Am Ende wird aber dennoch fast alles bekannt, denn irgendwo gibt es immer undichte Stellen. Also warum weiterhin dieser geschlossene Zirkel?
Brzoska: Das ist das Interessante und auch das Absurde an dieser Situation, dass eben natürlich zum Beispiel die Hersteller ein Interesse daran haben, dass auch bekannt wird, dass sie exportiert haben, denn nichts ist im Geschäft besser, als wenn man Erfolge hat im Verkaufen. Und natürlich auch die Länder selber, wenn sie Waffen aus Deutschland bekommen, gerade wenn es kritisch war, auch stolz darauf sind und das bekannt machen. Ich verstehe es auch nicht, die Bundesregierung hat hier in der Vergangenheit sehr stark gemauert. Es gibt einige Initiativen im Parlament, die natürlich, wie in solchen Dingen oft, zunächst einmal von der Opposition kommen. Aber ich hoffe doch, dass in der Zukunft die Bundesregierung da hier etwas weniger restriktiv ist. Es muss ja nicht so sein, dass man vorher alles zerredet und jede Entscheidung dann in der Öffentlichkeit durchdiskutiert wird, aber zumindest ist es eine zeitnahe Diskussion und vor allen Dingen auch bei besonders kritischen Fällen. Eine öffentliche Diskussion kann eigentlich auch nur im Interesse der Bundesregierung liegen, damit es nicht immer wieder zu solchen Meldungen kommt wie jetzt nämlich, dass dann die Öffentlichkeit denkt, da ist ein großer Skandal.
Dobovisek Ist Katar Ihrer Meinung nach ein besonders kritischer Fall?
Brzoska: Katar ist ein kritischer Fall. Denn bisher sind, das war in Ihrer Anmoderation nicht so ganz klar, aber keine kompletten Panzer aus Deutschland in diese Region geliefert worden. Da gab es in der Vergangenheit durchaus Anfragen. Die sind aber abschlägig beschieden worden. Nun gibt es den Fall Saudi-Arabien, den sie erwähnten, wo es den Anschein hatte, als wenn die Bundesregierung möglicherweise eine Genehmigung schon ausgesprochen hat. Bei Katar sagt sie, Nein, haben wir noch nichts genehmigt. Aber trotzdem, es wäre eine Veränderung gegenüber der bisherigen Politik, in diese Region keine kompletten deutschen Panzer zu liefern.
Dobovisek Angela Merkel hat ja zuletzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt, sie werde eine wertegebundene Außenpolitik verfolgen. Nun gibt es in Katar kein Parlament, keine Parteien, keine Gewerkschaften. Die Meinungsäußerung ist eingeschränkt. Ist das etwas, was wir unter einer wertegebundenen Außenpolitik verstehen könnten, wenn dorthin jetzt Panzer geliefert werden?
Brzoska: Also aus meiner Sicht nicht. Ich halte die Lieferungen nach Katar für aus Gründen der Menschenrechtsfragen, denn auch Katar war beteiligt, zum Beispiel im letzten Jahr an der Unterdrückung der Aufstandsbewegungen in Bahrain. Sie haben zwar selber keine Panzer geschickt, das hat Saudi-Arabien gemacht, aber sie waren Befürworter, dass Saudi-Arabien Panzer dorthin schickt. Das war im Rahmen des Golfkooperationsrates ein einstimmiger Beschluss. Auch, was Sie zurecht anführen, dass Katar natürlich ein nicht nur autoritär, sondern wirklich von einer Einzelperson mehr oder weniger geführtes Land ist, spricht natürlich nicht dafür, dass man dieses Land unbedingt unterstützen sollte mit Lieferungen von schweren Waffen. Es ist auch nicht so richtig einzusehen, was eigentlich Katar mit diesen Panzern will, außer möglicherweise gerüstet zu sein, falls es doch mal im Land auch zu Auseinandersetzungen selber kommt.
Dobovisek Bisher hat die Bundeswehr mit eigenen Soldaten in Konflikte, auch in regionale Konflikte eingegriffen. Ist das möglicherweise, was wir beobachten, ein Strategiewechsel, dass Panzer geschickt werden statt der eigenen Soldaten?
Brzoska: Ja, es gibt Anzeichen, dass auch die Bundesregierung eine Strategie stärker zumindest ins Auge gefasst hat, die darauf hinausläuft, bestimmte Staaten auch militärisch stärker zu machen, um dann nicht selber in die Lage zu kommen, möglicherweise in Regionen militärisch eingreifen zu müssen. Das hat zu tun mit dem Konzept, was im Auswärtigen Amt im Frühjahr vorgestellt worden ist. Dass man sagt, es gibt bestimmte Gestaltungsmächte, die wollen wir stärken, auch die Kanzlerin hat gelegentlich schon so andeuten lassen, dass eben bestimmte Staaten für Deutschland besonders wichtig sind, und ich habe so ein bisschen den Eindruck, dass man im arabischen Raum als Gegengewicht gegen den Iran vor allen Dingen bestimmte Staaten, dazu gehört Saudi-Arabien, Katar, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate, als solche Staaten ansieht, die man auch mit militärischen Mitteln stützen sollte.
Dobovisek Rüstet sich die Region also für einen umfassenden Krieg im Nahen Osten?
Brzoska: So weit würde ich nicht gehen, aber man sieht deutliche Anzeichen, dass die Golfstaaten einschließlich Saudi-Arabiens die iranische Bedrohung ernst nehmen und versuchen, dafür auch sich zu rüsten und dabei auch besonders gerne deutsche Waffen haben wollen.
Dobovisek Und wenn wir hier noch mal den Strategiewechsel, wie wir es sagen, der Bundesregierung uns ansehen, ist das nicht etwas, was wir in der Öffentlichkeit diskutieren sollten?
Brzoska: Unbedingt. Ich denke, dass gerade in dieser Region, in der in der Tat die Kriegsgefahr hoch ist, es wichtig wäre, sich im Klaren zu sein, dass die Lieferung von Panzern auch bedeutet natürlich, dass wir uns hier stärker engagieren. Es geht ja nicht nur um Soldaten, die man möglicherweise irgendwohin schickt, sondern auch Waffen sind natürlich ein Signal, senden ein Signal, dass man eine bestimmte Politik unterstützt, in diesem Fall eine Militarisierung des Nahen Ostens. Das mag gerechtfertigt sein aufgrund der iranischen Politik, müsste aber unbedingt diskutiert werden.
Dobovisek Wie lange wird dann die Bundesregierung die Geheimhaltung einhalten können?
Brzoska: Es ist ja im Grunde genommen schon keine Geheimhaltung mehr möglich. Der Saudi-Arabien-Fall ist letztes Jahr, im letzten Jahr sehr intensiv diskutiert worden. Auch dieser Fall wird diskutiert werden. Was aber eben immer wieder erschreckend ist aus meiner Sicht, ist, dass die Bundesregierung, und hier voran diejenigen, die für die Außenpolitik zuständig sind, nicht bereit sind, klar zu sagen, welche Ziele sie eigentlich in dieser Region mit welchen Mitteln verfolgen wollen.
Dobovisek Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg über mögliche Panzerlieferungen an das Emirat Katar. Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.