Im Sand der Ténéré-Wüste liegen Kalaschnikows, Granatwerfer, Raketenwerfer und andere Waffen, ordentlich aufgereiht auf weißen Plastikplanen. Im Hintergrund Dattelpalmen und die Häuser der Oase Dirkou, die liegt im Nordosten des westafrikanischen Staates Niger.
Aus Sicht Europas ist der Niger derzeit ein Schlüsselstaat, bei den Bemühungen, die Migration aus Westafrika einzudämmen, und beim Kampf gegen islamistische Terrorgruppen, die in der Region an Einfluss gewinnen. Ein Soldat in beiger Tarnuniform zählt auf, was noch zu sehen ist, er nennt Anti-Panzerminen und viele Kisten mit unterschiedlichster Munition. Ihm folgt eine Delegation aus traditionellen Stammesführern, nigrischen Parlamentariern und dem Justizminister des Niger.
"Wir sind gekommen, um Frieden zu bringen und legen unsere Waffen nieder." Das sagt Mamane Tinnami, ein schmaler, spitzbärtiger Mann. In seinen ausgestreckten Händen liegt eine Kalaschnikow. Er hält sie dem Minister hin, während er spricht. Mamane Tinnami ist Chef der "Bewegung für Justiz und Wiederaufbau im Niger", kurz MJRN. Einer Rebellengruppe.
"Wir sind gekommen, um Frieden zu bringen und legen unsere Waffen nieder." Das sagt Mamane Tinnami, ein schmaler, spitzbärtiger Mann. In seinen ausgestreckten Händen liegt eine Kalaschnikow. Er hält sie dem Minister hin, während er spricht. Mamane Tinnami ist Chef der "Bewegung für Justiz und Wiederaufbau im Niger", kurz MJRN. Einer Rebellengruppe.
"Wir haben uns bewaffnet, weil die Regierung uns unsere Rechte vorenthält – die wollten wir einfordern. In den vergangenen Wochen konnten wir schließlich mit den höchsten staatlichen Autoritäten verhandeln. Sie haben uns versprochen, auf unsere Forderungen einzugehen. Deshalb beenden wir unsere Rebellion, jetzt wollen wir eine neue Seite aufschlagen."
Die MJRN fordert Teilhabe an den Profiten aus der Erdölförderung in der Region, mehr Umweltschutz, mehr Bildungsangebote und eine bessere Gesundheitsversorgung. Gekämpft hat die Gruppe auf eigentümliche Weise: Sie hat sich vor vier Jahren mit einem Arsenal an Waffen nach Libyen zurückgezogen und von dort aus ihren Kampf vor allem über die sozialen Medien und internationale Radiosender geführt. Ihre Drohung: Die Regierung muss nachgeben – oder wir greifen an. Die nigrische Regierung lenkte ein, bevor die erste Kugel gefallen war.
Justizminister Marou Amadou: "Vielen Dank! Willkommen zu Hause, im Frieden, und in einem friedlichen Zusammenleben. Sie und alle ihre Kämpfer."
Die Zeremonie ist der Auftakt einer mehrtägigen Versammlung im Dreiländereck zwischen dem Niger, Libyen und dem Tschad, die Mitte Februar stattfand. Das Friedensforum, wie es genannt wird, wird von der nigrischen Hilfsorganisation HED Tamat organisiert, mit Unterstützung aus Deutschland und Mitteln des Auswärtigen Amtes. Mehrere hundert Politiker und Stammesvertreter nahmen daran teil.
Mano Aghali gehört zum Volk der Tuareg und ist Präsident von HED Tamat. "Hier gibt es ethnische und religiöse Konflikte, verursacht durch den Zusammenbruch Libyens. Außerdem läuft durch die Region Dirkou, in der unser Friedensforum stattfindet, der gesamte Schmuggel vom Norden in den Süden und umgekehrt. Richtung Norden werden vor allem Drogen geschmuggelt. Und hier kommen auch alle Migranten durch, die womöglich weiter wollen nach Europa."
Die Zeremonie ist der Auftakt einer mehrtägigen Versammlung im Dreiländereck zwischen dem Niger, Libyen und dem Tschad, die Mitte Februar stattfand. Das Friedensforum, wie es genannt wird, wird von der nigrischen Hilfsorganisation HED Tamat organisiert, mit Unterstützung aus Deutschland und Mitteln des Auswärtigen Amtes. Mehrere hundert Politiker und Stammesvertreter nahmen daran teil.
Mano Aghali gehört zum Volk der Tuareg und ist Präsident von HED Tamat. "Hier gibt es ethnische und religiöse Konflikte, verursacht durch den Zusammenbruch Libyens. Außerdem läuft durch die Region Dirkou, in der unser Friedensforum stattfindet, der gesamte Schmuggel vom Norden in den Süden und umgekehrt. Richtung Norden werden vor allem Drogen geschmuggelt. Und hier kommen auch alle Migranten durch, die womöglich weiter wollen nach Europa."
Konflikte in der Region sind nicht militärisch zu lösen
Aus der Gegenrichtung, also aus Libyen, kommen Waffen, Treibstoff und andere Schmuggelwaren. Der illegale Handel heizt die schwelenden ethnischen Spannungen zusätzlich an.
Das ist in den Ländern rund um den Niger gut zu beobachten: In Libyen kämpfen Milizen und kriminelle Banden um Macht, Erdölfelder und Schmuggelrouten – seit Gaddafi 2011 mit Unterstützung der NATO gestürzt wurde. Im Norden des Tschad, an der Grenze zu Libyen und Niger, gewinnen bewaffnete Rebellen an Boden. In Mali kämpfen islamistische Gruppen und überschreiten immer wieder die Grenze in den Niger. Dasselbe gilt für die islamistische Terrorgruppe Boko Haram, die in Nigeria und Burkina Faso aktiv ist – und von dort aus immer häufiger Dörfer und Städte im Niger überfällt.
Mano Aghali von der Nichtregierungsorganisation HED Tamat: "Wir behaupten nicht, dass wir als Hilfsorganisation gegen den Schmuggel kämpfen können - aber wir können mit der Bevölkerung zusammenarbeiten, um dessen Auswirkungen auf das Zusammenleben möglichst gering zu halten."
Und genau da will das Friedensforum mit seinen Diskussionen und Debatten ansetzen. Denn dass die Konflikte in der Region rein militärisch nicht zu lösen sind, hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt.
Im Niger und den Nachbarstaaten kämpfen das US-Militär und die französische Armee gegen Terrorgruppen. Die Europäische Union unterstützt die Staaten der Region massiv beim Aufbau einer gemeinsamen Armee, der G5 Sahel. Darüber hinaus versucht Europa die Schlagkraft von Polizei, Nationalgarde und Gendarmerie durch Ausbildung und Beratung zu verbessern. Damit die Staaten in der Lage sind den Terrorismus zu bekämpfen und ihre Grenzen zu sichern.
Aber trotz der massiven Militärpräsenz des Auslands verschlechtert sich die Sicherheitslage, gewinnen islamistische Terrorgruppen an Boden. Das Friedensforum ist Teil des Versuchs, die schwelenden Konflikte auf nicht-militärische Weise in den Griff zu kriegen und weiteren Kämpfen vorzubeugen.
Das ist in den Ländern rund um den Niger gut zu beobachten: In Libyen kämpfen Milizen und kriminelle Banden um Macht, Erdölfelder und Schmuggelrouten – seit Gaddafi 2011 mit Unterstützung der NATO gestürzt wurde. Im Norden des Tschad, an der Grenze zu Libyen und Niger, gewinnen bewaffnete Rebellen an Boden. In Mali kämpfen islamistische Gruppen und überschreiten immer wieder die Grenze in den Niger. Dasselbe gilt für die islamistische Terrorgruppe Boko Haram, die in Nigeria und Burkina Faso aktiv ist – und von dort aus immer häufiger Dörfer und Städte im Niger überfällt.
Mano Aghali von der Nichtregierungsorganisation HED Tamat: "Wir behaupten nicht, dass wir als Hilfsorganisation gegen den Schmuggel kämpfen können - aber wir können mit der Bevölkerung zusammenarbeiten, um dessen Auswirkungen auf das Zusammenleben möglichst gering zu halten."
Und genau da will das Friedensforum mit seinen Diskussionen und Debatten ansetzen. Denn dass die Konflikte in der Region rein militärisch nicht zu lösen sind, hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt.
Im Niger und den Nachbarstaaten kämpfen das US-Militär und die französische Armee gegen Terrorgruppen. Die Europäische Union unterstützt die Staaten der Region massiv beim Aufbau einer gemeinsamen Armee, der G5 Sahel. Darüber hinaus versucht Europa die Schlagkraft von Polizei, Nationalgarde und Gendarmerie durch Ausbildung und Beratung zu verbessern. Damit die Staaten in der Lage sind den Terrorismus zu bekämpfen und ihre Grenzen zu sichern.
Aber trotz der massiven Militärpräsenz des Auslands verschlechtert sich die Sicherheitslage, gewinnen islamistische Terrorgruppen an Boden. Das Friedensforum ist Teil des Versuchs, die schwelenden Konflikte auf nicht-militärische Weise in den Griff zu kriegen und weiteren Kämpfen vorzubeugen.
Dieselben Probleme: Migration, Konflikte, Kriminalität
Zur Begrüßung sagt auch ein junger Mann, Mitte 30, ein paar Worte. "Ich heiße Ahmed Mohamed Ali Saleh Moulay Kilikili und bin der Bürgermeister von Ghat, im Südwesten von Libyen. Das ist der letzte Ort vor der algerischen Grenze."
Der Bürgermeister ist aus dem Volk der Tuareg. Zwei Tage brauchte er für die Fahrt nach Dirkou. Das Treffen sei diesen großen Aufwand wert. "Meine Gemeinde grenzt an Algerien und Libyen. Kontakte über die Grenzen hinweg waren uns immer schon wichtig, deshalb haben wir auch eine Partnerschaft mit einer Oase im Niger. Wir haben alle dieselben Probleme: die Migration, die vielen Konflikte, die hohe Kriminalität. Wir hoffen, dass wir hier gemeinsam Lösungen finden."
Das Friedensforum findet auf dem Grundstück des Rathauses statt. Neben dem flachen Bürogebäude aus Beton steht ein großer "Hangar", wie er bei den Nomaden üblich ist: Auf dicken Ästen ruhen Bastmatten, die Seiten sind offen, so dass sich die Hitze nicht staut – in den Sommermonaten steigen die Temperaturen hier auf über 40 Grad.
Das Friedensforum findet auf dem Grundstück des Rathauses statt. Neben dem flachen Bürogebäude aus Beton steht ein großer "Hangar", wie er bei den Nomaden üblich ist: Auf dicken Ästen ruhen Bastmatten, die Seiten sind offen, so dass sich die Hitze nicht staut – in den Sommermonaten steigen die Temperaturen hier auf über 40 Grad.
"Wir Nomaden werden behandelt, als wären wir überflüssig"
In dem Hangar sitzen die gut 200 Teilnehmer jetzt auf Plastikstühlen, fast alle in traditionellen langen Gewändern, die Tuareg mit Kopftuch und Gesichtsschleier, dem Tagelmust. Die Tubu und Haussa ebenfalls im bodenlangen Gewand, mit ihrer Kopfbedeckung, der Hula. Auch einige nigrische Militärs in ihren Uniformen sind dabei, und vereinzelt Frauen – zurückgezogen in die hinteren Reihen. Keine hat ihr Gesicht verschleiert – bei den Völkern hier ist das nicht üblich. Die erste Frage an die Teilnehmer lautet: welche Gründe seht ihr für die Konflikte?
Das Mikrofon hat jetzt ein älterer Nigrer, mit dunkelbraunem Gewand und goldenem Kopftuch. Er redet mit Nachdruck und Leidenschaft: Immer wieder werde über die Bewohner hier als Islamisten und Terroristen gesprochen – sie seien weder das eine noch das andere. Ihr Problem sei stattdessen die schlechte wirtschaftliche Lage, deren Grund er nicht verstehe, schließlich gebe es in der Region Gold und Erdöl. Aber die Bevölkerung habe nichts davon. Wo bleiben die Profite?
Das Mikrofon hat jetzt ein älterer Nigrer, mit dunkelbraunem Gewand und goldenem Kopftuch. Er redet mit Nachdruck und Leidenschaft: Immer wieder werde über die Bewohner hier als Islamisten und Terroristen gesprochen – sie seien weder das eine noch das andere. Ihr Problem sei stattdessen die schlechte wirtschaftliche Lage, deren Grund er nicht verstehe, schließlich gebe es in der Region Gold und Erdöl. Aber die Bevölkerung habe nichts davon. Wo bleiben die Profite?
"Wir Nomaden werden behandelt, als wären wir überflüssig. Die Regierung hat sich noch nie besonders für uns und unsere Probleme interessiert. Oder gar versucht, sie zu lösen. Verstanden habe ich das noch nie. Zum Beispiel in Bezug auf das Problem mit der Migration oder dem Drogenschmuggel, oder denjenigen, die Terrorakte verüben. Es mag ja stimmen dass das, was diese Menschen machen, schlecht ist – aber man muss ihre Gründe kennen, um sie zu verstehen. Wir wollen, dass man uns fragt was los ist, wenn es ein Problem gibt. Wir sind bereit, mit allen zusammenzuarbeiten – aber nur, wenn man uns ernst nimmt und respektiert. Wir wollen nicht ständig stigmatisiert werden."
Das sind klare Worte, gerichtet an die nigrische Regierung. Andere Redner betonen, es könne keinen Frieden geben, ohne dass die Regierung Gerechtigkeit garantiert und für Gleichheit sorgt – eine klare Botschaft an den nigrischen Justizminister Marou Amadou, der zugleich Regierungssprecher ist. Er sitzt am Kopfende des Hangars, den Teilnehmern zugewandt.
"Damit kann ich etwas anfangen – das ist ja tatsächlich so. Auch auf der Ebene der Nationen, der Kontinente und der Welt haben die Probleme einen gemeinsamen Kern: die Ungerechtigkeit. Damit sind nicht nur ungerechte Gerichtsverfahren gemeint, sondern Ungleichheit, Ausbeutung. Aus Sicht der Jugend bedeutet Ungerechtigkeit Arbeitslosigkeit. Denn ohne Arbeit können die Jungen ihre Träume nicht realisieren."
Das sind klare Worte, gerichtet an die nigrische Regierung. Andere Redner betonen, es könne keinen Frieden geben, ohne dass die Regierung Gerechtigkeit garantiert und für Gleichheit sorgt – eine klare Botschaft an den nigrischen Justizminister Marou Amadou, der zugleich Regierungssprecher ist. Er sitzt am Kopfende des Hangars, den Teilnehmern zugewandt.
"Damit kann ich etwas anfangen – das ist ja tatsächlich so. Auch auf der Ebene der Nationen, der Kontinente und der Welt haben die Probleme einen gemeinsamen Kern: die Ungerechtigkeit. Damit sind nicht nur ungerechte Gerichtsverfahren gemeint, sondern Ungleichheit, Ausbeutung. Aus Sicht der Jugend bedeutet Ungerechtigkeit Arbeitslosigkeit. Denn ohne Arbeit können die Jungen ihre Träume nicht realisieren."
Migrationsgeschäft offiziell verboten
Die Teilnehmer nutzen die seltene Gelegenheit, reden Klartext mit den Regierungsvertretern. Sorgen haben sie reichlich: Niger ist laut dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen das weltweit ärmste Land. Die Nomaden haben einen Großteil ihrer Herden durch schwere Dürren verloren. Der Tourismus, zeitweilig ein wichtiger Wirtschaftszweig war, kam zum Erliegen. Grund sind die bewaffneten Islamisten in der Region, die sich auch durch das Kidnapping von Ausländern und das Erpressen von Lösegeldern finanzieren.
Mano Aghali, Chef der Nichtregierungsorganisation HED Tamat, die das Forum organisiert, ergänzt: "Dann kam das Geschäft mit der Migration. Damit haben sehr viele Menschen ihr Geld verdient."
Das hat sich geändert: Auf Wunsch Europas hat die nigrische Regierung 2015 ein Gesetz verabschiedet, das Ausländern die Durchreise nach Norden verbietet. Seitdem wurden über 200 Menschen verhaftet und mehr als 300 Pickups beschlagnahmt. Zwischen 2016 und 2017 ging die Transitmigration durch die Region Agadez, im Norden Nigers, um etwa 75 Prozent zurück, seitdem sind die Zahlen weiter gesunken. Vor allem junge Leute, die mit der Migration Geld verdient haben, haben ihre Arbeit verloren. Inzwischen hat das Migrations-Geschäft einen völlig anderen Charakter: Es ist härter und gefährlicher geworden.
Mano Aghali, Chef der Nichtregierungsorganisation HED Tamat, die das Forum organisiert, ergänzt: "Dann kam das Geschäft mit der Migration. Damit haben sehr viele Menschen ihr Geld verdient."
Das hat sich geändert: Auf Wunsch Europas hat die nigrische Regierung 2015 ein Gesetz verabschiedet, das Ausländern die Durchreise nach Norden verbietet. Seitdem wurden über 200 Menschen verhaftet und mehr als 300 Pickups beschlagnahmt. Zwischen 2016 und 2017 ging die Transitmigration durch die Region Agadez, im Norden Nigers, um etwa 75 Prozent zurück, seitdem sind die Zahlen weiter gesunken. Vor allem junge Leute, die mit der Migration Geld verdient haben, haben ihre Arbeit verloren. Inzwischen hat das Migrations-Geschäft einen völlig anderen Charakter: Es ist härter und gefährlicher geworden.
Und noch eine lukrative Einnahmequelle gibt es nicht mehr: Im März 2017 hat die nigrische Regierung die Goldminen der Region geschlossen – aus Sicherheitsgründen. "Die jungen Leute wissen nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Vom Krieg in Libyen geht eine Sogwirkung aus. Im Tschad wird auch gekämpft. An Waffen kommt man ganz leicht. Etliche bewaffnete Gruppen rekrutieren junge Leute, für sie ist die Versuchung groß. Andere machen mit illegalen Sachen weiter, schmuggeln Drogen. Manche bringen weiter Migranten nach Libyen, auch wenn das jetzt illegal ist. Oder schürfen heimlich Gold. Bis sie von der Armee oder der Polizei festgenommen und inhaftiert werden.
Etliche Teilnehmer des Forums fordern von der Regierung, die Wirtschaft in der Region zu fördern. Die beschlagnahmten Autos herauszugeben. Die Goldminen wieder zu öffnen.
Während des Forums spricht kein Teilnehmer von Europa. Niemand erwähnt irgendeine Form der finanziellen Unterstützung, die von dort gekommen sei. Dabei haben Niger und die Europäische Union eine so genannte Migrationspatenschaft vereinbart.
Der Deal: Migrationsbekämpfung gegen Entwicklungshilfe. Der Wüstenstaat bekommt pro Kopf mit am meisten Entwicklungshilfe weltweit: über eine Milliarde Euro für die Zeit von 2014 bis 2020. Hinzu kommen fast 250 Millionen Euro aus einem EU-Treuhandfonds für Afrika. Dessen Ziel: Die bessere Sicherung der Grenzen und der Schutz der Migranten. Die Europäische Union versprach auch Mittel für die berufliche Neuorientierung von ehemaligen Schleppern.
Der Deal: Migrationsbekämpfung gegen Entwicklungshilfe. Der Wüstenstaat bekommt pro Kopf mit am meisten Entwicklungshilfe weltweit: über eine Milliarde Euro für die Zeit von 2014 bis 2020. Hinzu kommen fast 250 Millionen Euro aus einem EU-Treuhandfonds für Afrika. Dessen Ziel: Die bessere Sicherung der Grenzen und der Schutz der Migranten. Die Europäische Union versprach auch Mittel für die berufliche Neuorientierung von ehemaligen Schleppern.
In der Region ist von den zugesagten Mitteln aber erst ein Bruchteil angekommen. Dazu der Gouverneur von Agadez, Sadou Soloké. "Wir sind nur in einem sehr bescheidenen Ausmaß dabei unterstützt worden, den jungen Leuten, die jetzt arbeitslos sind, eine andere berufliche Orientierung zu bieten. Aber wir sind zuversichtlich, dass unsere Appelle um mehr finanzielle Unterstützung auf nationaler Ebene und von unseren internationalen Partnern gehört werden. Wir sind zuversichtlich, dass sie mehr Mittel freigeben, damit diese Maßnahmen für die jungen Menschen mehr bewirken können."
Einfluss der Stammeschefs ist nicht zu unterschätzen
Der Verlust der Migration als lukrativer Einnahmequelle trifft viele Menschen hart. Trotzdem haben auch viele der Teilnehmer des Forums ein Interesse daran, die massenhafte Einwanderung nach Libyen zu beenden. Das gilt vor allem für die libysche Delegation.
Nach Dirkou zum Friedensforum gekommen sind der Sultan von Südlibyen, der Bürgermeister von Ghat und sein Kollege aus der kleinen Oase Gatrun, Ali Sidi Wardabo. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie die Migration in ihr Land als Problem empfinden. "Die Migration bringt viel Geld nach Südlibyen, sie macht unseren jungen Leuten aber auch viele Probleme – und wir müssen mit allem selbst klarkommen. Die jungen Leute wollen nicht mehr in die Schule gehen, nichts mehr lernen, nicht mehr arbeiten, weil nichts so viel Geld bringt, wie das Geschäft mit den Migranten. Und dann gibt es noch ein Problem: Die Tatsache, dass so viele Migranten im Meer ertrinken, dass sie leiden und sterben. Auch deshalb wollen wir das beenden."
In Libyen sind schon tausende Migranten in die Hände krimineller Banden gefallen, die sie in so genannten "Warenhäusern" gefangen halten, misshandeln und foltern. Wenn ihre Opfer vor Schmerzen schreien, rufen sie deren Verwandte an, um Lösegeld zu erpressen. Die Routen quer durch Libyen sind in Abschnitte aufgeteilt, die von Banden der verschiedenen Ethnien kontrolliert werden. Im Süden Libyens sind das Tubu oder Tuareg. Bürgermeister Ahmed Mohamed Kilikili bestätigt das:
"Bei uns gibt es viele Leute, die mit den Migranten viel Geld verdienen. Aber die Migration ist mit etlichen Dingen verbunden ist, die wir auf keinen Fall wollen: Bewaffnete Konflikte, bewaffnete Überfälle, Drogenschmuggel, Waffenschmuggel – das ist von dem Geschäft mit der Migration nicht zu trennen. Wegen des vielen Geldes ist es einerseits verführerisch und kann die ganze Bevölkerung mit hineinziehen. Andererseits liegt darin keine Zukunft. Für unsere jungen Leute wünschen wir uns Einnahmequellen, die stabiler sind, damit sie zu Hause bleiben und bei sich Arbeit finden. Ich glaube, dass auch die afrikanischen Migranten in ihrer Heimat bleiben sollten, statt sich auf diese Reisen einzulassen. Dabei sterben zu viele Menschen. Wir wollen, dass das aufhört."
Der Bürgermeister erzählt, dass es auch in seiner Gemeinde Ghat eine Bande gibt, die Migranten kidnappt und Lösegeld erpresst. Er sei dort und in anderen Gegenden immer wieder in Verhandlungen um die Freilassung von Gefangenen involviert – oft erfolgreich. Wie er sagt, ist er auch deshalb zum Friedensforum nach Dirkou gekommen: Er will seine Erfahrungen an andere weitergeben. Und er ist davon überzeugt: ohne die Stammeschefs sei das Problem nicht zu lösen. Sie haben weit verzweigte Verbindungen, werden gehört, haben auch heute noch Einfluss.
Nach Dirkou zum Friedensforum gekommen sind der Sultan von Südlibyen, der Bürgermeister von Ghat und sein Kollege aus der kleinen Oase Gatrun, Ali Sidi Wardabo. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie die Migration in ihr Land als Problem empfinden. "Die Migration bringt viel Geld nach Südlibyen, sie macht unseren jungen Leuten aber auch viele Probleme – und wir müssen mit allem selbst klarkommen. Die jungen Leute wollen nicht mehr in die Schule gehen, nichts mehr lernen, nicht mehr arbeiten, weil nichts so viel Geld bringt, wie das Geschäft mit den Migranten. Und dann gibt es noch ein Problem: Die Tatsache, dass so viele Migranten im Meer ertrinken, dass sie leiden und sterben. Auch deshalb wollen wir das beenden."
In Libyen sind schon tausende Migranten in die Hände krimineller Banden gefallen, die sie in so genannten "Warenhäusern" gefangen halten, misshandeln und foltern. Wenn ihre Opfer vor Schmerzen schreien, rufen sie deren Verwandte an, um Lösegeld zu erpressen. Die Routen quer durch Libyen sind in Abschnitte aufgeteilt, die von Banden der verschiedenen Ethnien kontrolliert werden. Im Süden Libyens sind das Tubu oder Tuareg. Bürgermeister Ahmed Mohamed Kilikili bestätigt das:
"Bei uns gibt es viele Leute, die mit den Migranten viel Geld verdienen. Aber die Migration ist mit etlichen Dingen verbunden ist, die wir auf keinen Fall wollen: Bewaffnete Konflikte, bewaffnete Überfälle, Drogenschmuggel, Waffenschmuggel – das ist von dem Geschäft mit der Migration nicht zu trennen. Wegen des vielen Geldes ist es einerseits verführerisch und kann die ganze Bevölkerung mit hineinziehen. Andererseits liegt darin keine Zukunft. Für unsere jungen Leute wünschen wir uns Einnahmequellen, die stabiler sind, damit sie zu Hause bleiben und bei sich Arbeit finden. Ich glaube, dass auch die afrikanischen Migranten in ihrer Heimat bleiben sollten, statt sich auf diese Reisen einzulassen. Dabei sterben zu viele Menschen. Wir wollen, dass das aufhört."
Der Bürgermeister erzählt, dass es auch in seiner Gemeinde Ghat eine Bande gibt, die Migranten kidnappt und Lösegeld erpresst. Er sei dort und in anderen Gegenden immer wieder in Verhandlungen um die Freilassung von Gefangenen involviert – oft erfolgreich. Wie er sagt, ist er auch deshalb zum Friedensforum nach Dirkou gekommen: Er will seine Erfahrungen an andere weitergeben. Und er ist davon überzeugt: ohne die Stammeschefs sei das Problem nicht zu lösen. Sie haben weit verzweigte Verbindungen, werden gehört, haben auch heute noch Einfluss.
Kein Frieden, solange Jugend weder Arbeit hat noch Hoffnung
Nach zwei Verhandlungstagen tragen die Teilnehmer Lösungsvorschläge und Empfehlungen vor. Dazu gehört, dass die nigrische Regierung den Einfluss der Stammeschefs stärken soll, außerdem soll sie Arbeitsplätze schaffen, die Vermarktung von lokalen Produkten wie Salz und Datteln stärken, die Bevölkerung effektiver vor Kriminalität schützen und anderes mehr.
Der Justizminister des Niger, Marou Amadou: "Wir werden diese Forderungen nicht alle schon morgen erfüllen können. Zu den kurzfristigen Forderungen gehören der bessere Schutz der Bevölkerung in der Region und der engere soziale Zusammenhalt. Ich bin sicher, dass die Regierung sich dessen bald annehmen wird."
Die wichtigste Forderung des Forums werde sich aber nicht so schnell umsetzen lassen: Investitionen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Obwohl der Minister sie für wichtig hält. "Eine der Lehren aus diesem Forum ist, dass es keinen Frieden gibt, solange die Jungend weder Arbeit hat noch Hoffnung."
Der tagelange Gedankenaustausch ist eine traditionelle Art, den gesellschaftlichen Frieden zu fördern und zu erhalten. Dass ein Vertreter der Regierung den angereisten Stammesführern und Lokalpolitikern lange zugehört hat, kann die Gemüter tatsächlich besänftigen. Aber wenn sich die Situation der Bevölkerung im Dreiländereck zwischen Niger, Libyen und dem Tschad nicht verbessert, kann die Enttäuschung darüber zu noch mehr Gewalt führen.