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Friedensmarsch in Jerusalem
Angst lähmt Israelis und Palästinenser

Mehrere hundert Israelis sind am Wochenende in Jerusalem zu einem Friedensmarsch zusammengekommen. Nach zwei Wochen andauernder Terrorattacken demonstrieren sie für eine politische Umkehr. Doch das Klima ist beherrscht von Angst und die Hoffnungen auf ein rasches Ende der Gewalt wurden schon oft enttäuscht.

Von Christian Wagner |
    Israelische Juden und Araber bei einem Friedensmarsch in Jerusalem.
    Israelis protestieren in Jerusalem für einen "anderen Weg": "Gemeinsam gegen Rassismus" steht auf den Pappschildern, auf hebräisch und auf arabisch. (AFP / Gali Tibbon)
    Sie wissen, dass sie nicht viele sind. Aber sie wollen sagen: Es gibt einen anderen Weg. Nach zwei Wochen andauernder Terrorattacken sind mehrere hundert Israelis zu einem Friedensmarsch in Jerusalem gekommen. Uri Feldman, Mathematikdozent aus Haifa, saß über zwei Stunden im Bus. Er demonstriert gegen die israelische Besatzung im Westjordanland und die Siedlungspolitik seiner Regierung - dadurch werde ein Ausgleich mit den Palästinensern immer unwahrscheinlicher:
    "Ich bin heute gekommen, um klar zu machen, dass diese israelische Regierung meine Sicherheit gefährdet. Ich glaube, Juden und Araber, Israelis und Palästinenser können zusammenleben. Die Voraussetzung: ein gerechter Frieden, Gleichberechtigung statt Rassismus und Hetze."
    Regierung lässt Betonmauer in Jerusalem errichten
    "Gemeinsam gegen Rassismus" steht auf den Pappschildern, auf hebräisch und auf arabisch. Das mit dem gemeinsam ist allerdings schwierig: Palästinenser, Araber wie sie genannt werden, sind nicht gekommen. Und Alonli Green aus Tel Aviv sagt, seiner Mutter wäre es auch lieber gewesen, wenn er nicht nach Jerusalem gefahren wäre:
    "Wenn du Jude bist, kannst du Opfer eine Messerattacke werden. Wenn du Palästinenser bist und im Bus arabisch redest, kann es sein, dass du von einem Mob geschlagen oder gar gelyncht wirst. Oder selbst wenn du ein Jude orientalischer Herkunft bist und nicht europäisch aussiehst, kann es sein, dass Polizei oder Armee dich erschießen, weil sie dich für einen Terroristen halten."
    Die Angst ist die treibende Kraft in Jerusalem. Am Sonntag lässt die Regierung eine Betonmauer errichten zwischen dem arabischen Stadtteil Jabel Mukaber im Osten und dem jüdischen West-Jerusalemer Wohnviertel Talpiot - um die Bewohner vor Brandsätzen zu schützen, heißt es. Aber es ist auch eine Kapitulation der israelischen Politik – wird sie doch sonst nicht müde, auf der "ewigen und unteilbaren Hauptstadt Jerusalem" zu bestehen. Aber die meisten der jungen Attentäter kamen aus Ostjerusalem. Dass die Armee die Wohnhäuser ihrer Familien einreißt, das sei für andere keine Abschreckung, stellen die israelischen Zeitungen fest.
    Angst als treibende Kraft
    Am Abend dann eine weitere Attacke, zum ersten mal in Beersheva, im abgelegenen Süden Israels. Zum ersten Mal hat ein Attentäter eine Schusswaffe, offenbar einem Soldaten entrissen. Ein Israeli stirbt, acht weitere werden verletzt, der Attentäter erschossen. Die israelische Parlamentsabgeordnete Tamar Zandberg von der linken Meretz-Partei hatte bei der Demonstration in Jerusalem noch gesagt, das alles sei doch absehbar gewesen:
    "Immer dann, wenn es gar keine Hoffnung mehr gibt, und die Menschen keinen Ausweg mehr sehen, dann kommt es zu dieser Gewalt. So war das schon oft und so ist es auch jetzt wieder. Wir hoffen einfach auf eine Lösung dieses Konflikts, denn sonst wird es immer wieder solche Gewalt geben."
    In Jerusalem demonstrieren sie für eine politische Umkehr. In Beersheva rufen geschockte Passanten: "Tod den Arabern". Und wieder werden die Sanitäter vom roten Davids-Stern daran gehindert, einen Verletzten zu versorgen, den die Menge für einen Attentäter hält. Über Terror und seine Ursachen auch nur zu reden, das ist in diesem Klima schwierig, sagt Uri, der Dozent aus Haifa:
    "In den vergangenen Jahren gab es von der Regierung immer mehr Druck auf das Bildungswesen. Lehrer, die im Unterricht über Demokratie und Menschenrechte reden, werden immer wieder als Verräter behandelt. Und manche Lehrer haben deshalb ihren Job verloren. Das heißt: Lehrer haben Angst."
    Die Angst lähmt Israelis wie Palästinenser zusehends. Wer auf ein rasches Ende der Gewalt gehofft hatte, ist bisher immer wieder enttäuscht worden.