Nihon Hidankyo geehrt
Friedensnobelpreis für japanische Anti-Atomwaffenorganisation

Der Friedensnobelpreis 2024 geht an die japanische Anti-Atomwaffenorganisation Nihon Hidankyo. Die Gruppe kämpft für die Rechte der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki und setzt sich für eine atomwaffenfreie Welt ein.

    Illustration eines aus Papier gefalteten Origami-Kranichs.
    Die japanische Organisation Nihon Hidankyo wurde 1956 gegründet. (Niklas Elmehed © Nobel Prize Outreach )
    Eine Gruppe von Überlebenden der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 bekommt den diesjährigen Friedensnobelpreis. Die Organisation Nihon Hidankyo werde für ihren Kampf für eine atomwaffenfreie Welt ausgezeichnet, verkündete das Nobelkomitee in Oslo.
    Mit ihren Augenzeugenberichten verbreiteten die Überlebenden die Botschaft, „dass Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen“, hieß es zur Begründung. Umso „alarmierender“ sei es, dass das Tabu eines neuerlichen Atomwaffeneinsatzes nun „unter Druck geraten“ sei, erklärte der Komitee-Vorsitzende Jørgen Watne Frydnes.
    „In diesem Moment der Menschheitsgeschichte lohnt es sich, uns daran zu erinnern, was Atomwaffen sind: die zerstörerischste Waffe, die die Welt je gesehen hat“, so Frydnes. Die heutigen Atomwaffen hätten eine noch viel größere Zerstörungskraft als die, die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. „Sie können Millionen töten und hätten katastrophale Auswirkungen auf das Klima. Ein Atomkrieg könnte unsere Zivilisation zerstören“, warnte Frydnes.

    Mehr als 270.000 Menschen starben durch Atombomben

    Am 6. August 1945 hatte die US-Armee eine Atombombe über Hiroshima abgeworfen. Unmittelbar danach und in den folgenden Jahren starben etwa 200.000 Menschen. Drei Tage nach dem Abwurf über Hiroshima tötete der Abwurf einer zweiten US-Atombombe auf die japanische Stadt Nagasaki mehr als 70.000 weitere Menschen.
    Bis heute sind es die einzigen Einsätze von Atomwaffen in einem Krieg gewesen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte Kreml-Chef Putin jedoch immer wieder gedroht, dass Atomwaffen Verwendung finden könnten. Auch Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un drohte Anfang September, sein Land werde Atomwaffen "ohne Zögern" einsetzen, wenn es von Südkorea oder den USA angegriffen werde.
    Die Entscheidung für Nihon Hidankyo dürfte unter anderem vor diesem Hintergrund gefallen sein. Nach Ansicht von Beobachtern steht sie aber auch in Zusammenhang mit aktuellen Debatten um eine mögliche atomare Aufrüstung in Demokratien: Sowohl in Europa als auch in Japan wird darüber diskutiert.
    Mit der Auszeichnung von Nihon Hidankyo rückt das Komitee das Thema Atomwaffen erneut in den Blickpunkt: Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen erhielt den Friedenspreis 2017. Im Jahr 1995 wurden Joseph Rotblat und die Pugwash-Konferenzen in Kanada für ihre Bemühungen ausgezeichnet, „die Rolle der Atomwaffen in der internationalen Politik zu verringern" und sie langfristig abzuschaffen.
    Nach Angaben von Friedensforschern sind die Atommächte der Erde seit längerem dabei, ihre Atomwaffenarsenale zu modernisieren und aufzurüsten. Die Gesamtzahl der Atomwaffen sinkt weltweit zwar, weil die USA und Russland nach und nach alte Sprengköpfe aus der Zeit des Kalten Kriegs abbauen. Dafür beschleunigt sich nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri aber der Trend, dass Atomsprengköpfe einsatzbereit gehalten werden.

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    Der Gesamtbestand betrug nach Sipri-Angaben Anfang des Jahres schätzungsweise 12.121 atomare Sprengköpfe, von denen sich etwa 9.585 in militärischen Lagerbeständen für den potenziellen Einsatz befanden. Rund 3.904 dieser Sprengköpfe waren auf Raketen und Flugzeugen befestigt – 60 mehr als ein Jahr zuvor.

    Japans Regierung unter Druck  

    Nihon Hidankyo wurde 1956 gegründet. Ziel der landesweiten Organisation war es, Druck auf die japanische Regierung auszuüben, um die Opfer von Hiroshima und Nagasaki besser zu unterstützen. Zum anderen setzen sich die Überlebenden, die sogenannten Hibakusha, seit Gründung der Organisation für die Abschaffung aller Atomwaffen in der Welt ein.
    Bis zur Gründung von Nihon Hidankyo lebten die Überlebenden der Atombombenabwürfe weitgehend im Stillen und hatten mit gesundheitlichen Problemen, Armut und sozialer Diskriminierung in Japan zu kämpfen. Durch die Organisation wurden sie ermutigt, für ihre Rechte einzutreten, als sich in den 50er-Jahren die Anti-Atom-Stimmung in der Öffentlichkeit breit machte. Grund war ein US-Wasserstoffbombentest auf dem Bikini-Atoll im Jahr 1954. Dabei waren die örtliche Bevölkerung und die Besatzungsmitglieder eines japanischen Thunfischfängers radioaktiver Strahlung ausgesetzt worden.

    Menschenrechtler statt Friedensstifter

    Das Nobelkomitee hat in den vergangenen Jahren mehrmals Menschenrechtler statt klassische Friedensstifter mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. 2023 etwa hatte den Preis die inhaftierte iranische Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi erhalten. Sie wurde „für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle“ geehrt. Mohammadi sitzt seit 2021 im berüchtigten Teheraner Ewin-Gefängnis in Haft.

    Kein klarer Favorit dieses Jahr

    Nihon Hidankyo war in der Vergangenheit zwar häufiger als Kandidat für den Friedenspreis gehandelt worden. Ein klarer Favorit hatte sich aufgrund der vielen Konflikte auf der Welt vor Preisbekanntgabe dennoch nicht abgezeichnet. Nominiert wurden diesmal insgesamt 286 Kandidaten, unter ihnen 197 Persönlichkeiten und 89 Organisationen – deutlich weniger als in den Vorjahren. Die Namen der Nominierten werden von den Nobel-Institutionen traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten.
    Der Friedensnobelpreis ist mit elf Millionen Schwedischen Kronen (rund 967.000 Euro) dotiert. Überreicht wird die Auszeichnung bei einer Zeremonie in Oslo am 10. Dezember.

    Bisher 105 Friedensnobelpreise verliehen

    Seit 1901 wurden 105 Friedensnobelpreise an 142 Preisträger verliehen, darunter 111 Personen und 31 Organisationen. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat den Preis dreimal erhalten (1917, 1944 und 1963), der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zweimal (1954 und 1981). Insofern sind es eigentlich 111 Personen und 28 Organisationen.
    70 Friedensnobelpreise gingen an einen Preisträger, 31 Preise an zwei und in drei Fällen wurde die Auszeichnung an drei Preisträger verliehen. Die Preisverleihung wurde mehrmals ausgesetzt, unter anderem in den Jahren 1914 bis 1916 und 1939 bis 1943.
    Die jüngste Preisträgerin war 2014 mit 17 Jahren die pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai, der älteste mit 87 Jahren Jozef Rotblat. Bislang haben 19 Frauen den Friedensnobelpreis erhalten. Die erste war im Jahr 1905 Bertha von Suttner, die bislang letzte im vergangenen Jahr die iranische Menschenrechtlerin Narges Mohammadi.
    Fünf Preisträger saßen zur Zeit ihrer Auszeichnung im Gefängnis oder Hausarrest. Neben Narges Mohammadi sind das Ales Bialiatski (2022), Liu Xiabo (2010), Aung San Suu Kyi (1991) und Carl von Ossietzky (1935).

    tmk