Ins Leben gerufen wurde der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1950, nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – und zwar nicht ausschließlich als Preis für Schriftstellerinnen oder Schriftsteller, sondern, so heißt es im offiziellen Stiftungsstatut:
Gewürdigt werden solle eine "Persönlichkeit, die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat".
Diese Leistung hat der Stiftungsrat in diesem Jahr dem Wirtschaftsphilosophen Amartya Sen attestiert, der sich seit Jahrzehnten für globale Gerechtigkeit und gegen soziale Ungleichheit einsetzt. Sen reiht sich damit ein in die Liste prominenter Preisträgerinnen und Preisträger. Darunter Albert Schweitzer und Hermann Hesse, Nelly Sachs und Ernst Bloch, Teddy Kollek und Václav Havel, Fritz Stern und Susan Sontag.
Kein Staatspreis
Der Friedenspreis, der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehen wird, sei kein Staatspreis, der von offizieller Stelle vergeben werde, betonte Martin Schult im Dlf. Seit 2004 leitet er die Geschäftsstelle des Friedenspreises. Auch die politischen Gäste, die zur Verleihung in der Paulskirche kämen, kämen einfach nur als Gäste. Mehrfach seien auch Bundespräsidenten dagewesen - und zwar in der Rolle als "oberste Bürger".
"Wir sehen uns als Bestandteil der Gesellschaft – somit wollen wir auch niemanden ehren allein für getane Leistungen."
Bloße Sonntagsreden habe es in 70 Jahren nicht gegeben
Mit den Reden seien die Preisträgerinnen und Preisträger vielfach angeeckt, so Schult. Prominentestes Beispiel ist sicherlich der Schriftsteller Martin Walser, dem 1998 der Friedenspreis verliehen wurde: Walser hatte in seiner Dankesrede davor gewarnt, den Deutschen ihre nationalsozialistische Vergangenheit immer wieder vorzuhalten. Er sagte, Auschwitz eigne sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Schult ist sich rückblickend sicher:
"Hätte Walser diesen Satz in einem anderen Kontext gesagt, hätte ihm jeder zugestimmt, dass man Auschwitz nicht missbrauchen darf." Walser habe keine Sonntagsrede halten wollen, sondern eine provokante Rede.
Reaktionen auf Walser-Rede
In den Folgejahren haben mehrere Preisträger auf die Walser-Rede Bezug genommen. Am eindrücklichsten hat das wohl 2007 Saul Friedländer getan. Martin Schult erinnert sich:
"Saul Friedländer rief mich an einem Tag an und erzählte mir, er habe vor, keine Rede zu halten, sondern er würde lieber die letzten Briefe seiner Verwandten vorlesen, die danach in Konzentrationslagern umgebracht wurden."
Der ganze Saal habe geweint, so Schult. Es sei eine bedrückende, aber zugleich eine befreiende Geschichte gewesen, "weil damit deutlich wurde: Das ist wirklich geschehen!"
Martin Schult sieht den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels als "kleinen Stein in der Entwicklung unserer Gesellschaft". Auch in 70 Jahren werde er sicherlich noch verliehen werden. Denn:
"Das Zusammenleben auf dieser Welt wird immer kompliziert sein, weil es Menschen sind, die hier zusammenleben, weil sie sich in Systeme begeben, die oft nicht zueinander passen, die sich beißen, die sich reiben. Wir müssen diskutieren, wir müssen über das Zusammenleben reden."