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Friedenspreis für Margaret Atwood
"Eine ausgezeichnete Wahl"

PEN-Präsidentin Regula Venske begrüßte die Entscheidung, die kanadische Autorin Margart Atwood mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zu ehren. Atwood engagiere sich seit Jahrzehnten für Umweltschutz und Menschenrechte. Zuletzt habe sie sich gemeinsam mit Salman Rushdie für das PEN-Projekt "Räume schaffen" eingesetzt, um verfolgten Autoren zu helfen.

Regula Venske im Gespräch mit Henning Hübert |
    Regula Venske, die neue Präsidentin der Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum.
    PEN-Präsidentin Regula Venske: Bei dem Engagement Atwoods für verfolgte Autoren gehe es auch um gegenseitiges Kennenlernen: "Was bringen die mit, was lernen wir aus deren Literatur?" (imago / Rüdiger Wölk)
    Henning Hübert: Zur Entscheidung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, den diesjährigen Friedenspreis an die wohl wichtigste und erfolgreichste Autorin Kanadas zu vergeben. Zumindest ist Margaret Atwood, Jahrgang 1939, neben der Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro die bekannteste und produktivste Schriftstellerin ihres Landes: Mit einem Werk von mehr als 50 Büchern – etwa "Report der Magd", "Katzenauge" oder "Die Geschichte von Zeb". Jahrelang galt auch sie als Anwärterin für den Literaturnobelpreis. Jetzt also wird sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen – nach Navid Kermani und Carolin Emcke mal wieder eine Auszeichnung eher fürs literarische als publizistische Werk?
    In der Begründung des Stiftungsrats liest man: Die kanadische Schriftstellerin, Essayistin und Dichterin zeigt in ihren Romanen und Sachbüchern immer wieder ihr politisches Gespür und ihre Hellhörigkeit für gefährliche unterschwellige Entwicklungen und Strömungen."
    Kurz vor der Sendung haben wir die Präsidentin des deutschen PEN-Zentrums erreicht, die Schriftstellerin Regula Venske, und sie gefragt: Worin erkennen Sie denn in Atwoods Wirken dieses immer wieder zutage tretende politische Gespür?
    "Eine sehr engagierte Umweltaktivistin und Menschenrechtsaktivistin"
    Regula Venske: Ich habe sie schon geschätzt als Autorin, seit ich angefangen habe, mich speziell auch für die Literatur von Frauen zu interessieren, also seit Mitte der 70er-Jahre, als einem aufging, dass man sich bis dahin immer literarisch nur mit Männern identifiziert hatte, von Hamlet bis hin zu Stiller. Da war Margaret Atwood sehr wichtig ganz für mich persönlich. Und jetzt natürlich, wenn man sich ihr Lebenswerk ansieht, für das sie übrigens im Oktober auch noch einen anderen Preis erhalten wird, nämlich den Lifetime-Achievement-Honoree-Preis des PEN Center USA, dann kommen ja verschiedene Facetten zusammen: Sie ist eine sehr engagierte Umweltaktivistin, und sie ist eine engagierte Menschenrechtsaktivistin, hat das kanadische PEN-Zentrum mit aufgebaut und sich da 30 Jahre lang wirklich unermüdlich eingesetzt, zuletzt auch in der großen Kampagne des internationalen PEN, "Make Space". In dieser Kampagne werden wir jetzt drei Jahre lang mindestens auf die Situation von Flüchtlingen weltweit und speziell eben verfolgten Autoren hinweisen. Und da ist sie, zusammen mit Salman Rushdie, federführend in dieser Kampagne. Für sie selbst sind ja diese Themen Umweltschutz und eben aber auch Menschenrechte sehr eng miteinander verbunden, weil ja sozusagen mit der Zerstörung der Umwelt und der Zerstörung der Lebensgrundlagen dann auch die politische Situation entsprechend sich verschärft. Sie sieht das in einem Zusammenhang, und ich finde, das ist eine ausgezeichnete Wahl.
    "Verfolgte Autoren zu Gehör zu bringen"
    Henning Hübert: Wenn das jetzt startet, dieses Projekt "Räume schaffen" des PEN, was ist denn da komprimiert die Rolle der Literatur, die Atwood da ihr zuschreibt für die Weltbewältigung?
    Venske: Es geht natürlich auch darum, die verfolgten Autoren zu Gehör zu bringen, denn deren Stimmen werden ja erst im eigenen Land mundtot gemacht durch Regime oder durch fanatische politische oder religiöse Gruppen. Es sind ja nicht mehr nur Regierungen, die unterdrücken, sondern es sind eben auch Gruppierungen wie der Islamische Staat, oder es sind Mafia und organisiertes Verbrechen, wie zum Beispiel in Mexiko, wo dann Journalisten gleich ermordet werden. Zum einen geht es natürlich darum, diesen verfolgten Autoren selbst zu einer Stimme zu verhelfen, aber dann auch wieder, zu sehen, was lernen wir aus deren Literatur, was bringen die mit, was beeinflusst dann vielleicht auch das Leben und die Literatur in unserem Land und bereichert uns. Und da geht es natürlich immer auch um Gespräche, Kommunikation, gegenseitiges Kennenlernen. Und da ist die Rolle der Literatur natürlich ganz wichtig, denn das ist ja das, was uns Menschen eben auch ausmacht, die Sprache, die Sprachen und die Vielfalt auch, die sozusagen in verschiedenen Sprachen auch die Weltsicht zum Ausdruck bringt.
    Das Future Library Project in Norwegen
    Hübert: Machen, wenn Sie ihre Werke lesen, die Zeilen, die Sie lesen, die düsteren Themen Ihnen trotzdem irgendwie Hoffnung?
    Venske: Was Hoffnung macht bei Margaret Atwood, ist ja zum Beispiel ihr Engagement mit den Norwegern in diesem "Future Library Project", wo Bücher, die noch in der Zukunft gelesen werden sollen, sozusagen für die Nachwelt bewahrt werden. Und gleichzeitig werden Bäume gepflanzt. Und sie hat dazu selbst gesagt, was dann Hoffnung macht, oder die Hoffnung ist da, dass dann noch Bäume wachsen und dass es dann noch Bibliotheken geben wird im Jahr zweitausendeinhundert-noch-was, wann das angesiedelt ist. Und diese Hoffnungen bestehen. Ob die Bücher selbst Hoffnungen machen – "The Handmaid's Tale", wenn ich mich daran erinnere – das ist nun lange her, dass ich es gelesen habe, aber das war ja doch eine sehr düstere Geschichte und eigentlich kaum auszuhalten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.