Dass dies kein gemütliches Advents-Frühstück werden würde, war von vornherein klar: Die Europäische Union erlebte einen selbstbewussten israelischen Regierungschef, als der kurz vor Weihnachten Brüssel besuchte: Gestärkt durch die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen, äußerte Netanjahu vor den EU-Außenministern die Erwartung, dass die Europäer die USA sicher bald kopieren würden:
"Ich glaube, dass alle oder die meisten europäischen Staaten ihre Botschaften nach Jerusalem verlegen werden."
Die Antwort auf diese Prophezeiung ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Die gab die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini:
"Er kann seine Erwartungen an Andere richten. Vonseiten der EU-Staaten wird das nicht passieren."
Enthaltungen von sechs Staaten
Bislang hat Frau Mogherini recht behalten. Doch die EU in der Nahost-Frage zusammen zu halten, ist extrem schwierig. Wie dieses Beispiel zeigt: Am 21. Dezember erklärte die UN-Vollversammlung die Trump-Entscheidung, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, mit überwältigender Mehrheit für "null und nichtig".
Doch gleich sechs EU-Staaten enthielten sich bei der Abstimmung: Ungarn, Polen, Rumänien, Tschechien, Kroatien, Lettland. Es ist nur der jüngste Beweis dafür, welch zerklüftetes Bild die Europäische Union in der Nahost-Frage abgibt. Das weiß auch Palästinenserpräsident Abbas. Der bei seinem Brüssel-Besuch kurz nach Netanjahu die europäischen Gastgeber in eine einigermaßen peinliche Lage brachte:
"Wir betrachten die Europäische Union als einen echten Partner und Freund. Daher rufen wir die Mitgliedsstaaten dazu auf, den 'Staat Palästina' zügig anzuerkennen", forderte Abbas vor laufenden Kameras und neben der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini stehend. Eine unangenehme Situation, wusste Abbas doch, dass ihm dieser Wunsch nicht erfüllt werden würde. Er entblößte damit jedoch, wie gespalten die EU in dieser Frage ist: Einige Einzelstaaten erkennen einen "Staat Palästina" bereits an, andere können sich das durchaus vorstellen. Für die Mehrzahl der EU-Länder – auch für die Bundesregierung - jedoch gehört das Thema derzeit überhaupt nicht auf die Tagesordnung. Weshalb die wichtigste Botschaft der EU-Außenbeauftragten Mogherini an die Adresse von Abbas im Januar auch lautete:
"Ich möchte Präsident Abbas und seiner Delegation vor allem zusichern, dass die EU die 2-Staaten-Lösung voll unterstützt – mit Jerusalem als der gemeinsamen Hauptstadt von zwei Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina."
Forderung nach einer Bündelung der Kräfte
Damit sendete die EU die klare Botschaft aus, dass sie vom Kurs des US-Präsidenten Trump abweicht und sich weiter für einen künftigen palästinensischen Staat stark machen wird. Darauf immerhin kann sie sich einigen: dass sie in der Zwei-Staaten-Lösung den einzig nachhaltigen Weg in Richtung Frieden sieht. Nur scheint diese Lösung derzeit ferner denn je. Weshalb die EU sich verzweifelt darum bemüht, die Nahost-Gespräche überhaupt erst einmal wiederzubeleben. Über eins ist man sich in Europas Hauptstädten völlig im Klaren:
"Es wird nie gelingen, die beiden Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen, wenn nicht die USA Teil der Bemühungen sind. Die USA allein werden es nicht schaffen. Aber auch nicht die internationale Gemeinschaft ohne die USA. Wir müssen unsere Kräfte bündeln."
EU müsste mit einer Stimme sprechen
Immer wieder hat die EU durchblicken lassen, dass sie sich eine gewichtigere Rolle bei den Friedensgesprächen vorstellen kann. Immerhin ist Europa der wichtigste Geldgeber für die Palästinser-Gebiete und überhaupt der Grund dafür, dass sich die Autonomiebehörde finanziell über Wasser halten kann. Doch um eine stärker wahrnehmbare Stimme zu werden, müsste die EU in der Tat deutlicher mit einer Stimme sprechen. Und es müsste überhaupt erst einmal gelingen, den Gesprächsprozess wieder in Gang zu bringen.