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Friedensschluss mit der Farc
"Kolumbien kann das Problem nur gemeinsam lösen"

Die Regierung und die Farc-Rebellen in Kolumbien wollen heute einen Friedensvertrag unterzeichnen. Das sei ein guter Anfang, der hoffentlich zu einem dauerhaften Frieden führe, sagte Hubert Gehring von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Deutschlandfunk. Es komme jetzt darauf an, dass alle politischen Kräfte zusammenarbeiteten.

Hubert Gehring im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Frauen und Kinder malen ein Wandbild mit einer Taube an der Straße nach Planadas in Kolumbien.
    Frauen und Kinder malen ein Wandbild mit einer Taube an der Straße nach Planadas in Kolumbien. (AFP/ Guillermo Legaria)
    Gehring warnte, die internationale Gemeinschaft dürfe Kolumbien nach den Friedensfeiern nicht alleine lassen. Das Land benötige weiterhin Hilfe. Dabei gehe es nicht unbedingt um finanzielle Mittel, sondern um gemeinsame Projekte beispielsweise für die Infrastruktur oder die Diversifizierung vom Rohöl.
    Die Unterzeichnung des Vertrags sei ein wichtiger Schritt, betonte Gehring. Für einen dauerhaften Frieden müsse die Politik aber gemeinsam versuchen, in Richtung Zukunft zu gehen. Es müssten notwendige strukturelle Reformen angegangen werden, unter anderem für die Dezentralisierung und in den Bereichen Rechtssicherheit und Bildung.
    Wichtig sei zudem, dass der Staat auch in ländliche Regionen komme. "Es wird wirklich darauf ankommen, dass die Politik in Kolumbien gemeinschaftlich versucht, diesen Weg zu gehen und dadurch der Gesellschaft ein Beispiel gibt, dass man das Problem nur gemeinsam dauerhaft lösen kann."

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Mario Dobovisek: Am Telefon in Bogota begrüße ich Hubert Gehring. Er leitet dort das Kolumbien-Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Guten Morgen, Herr Gehring.
    Hubert Gehring: Guten Morgen, Herr Dobovisek.
    Dobovisek: Die Friedensglocken läuten, sagt Kolumbiens Staatspräsident Santos. Doch irgendwann hören Glocken meist ja auf zu läuten und der Klang verhallt dann recht schnell. Hat Kolumbien eine Chance auf dauerhaften Frieden?
    Gehring: Ja, auf jeden Fall ist das jetzt erst einmal ein guter Anfang, die Unterzeichnung dieses Friedensabkommens, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass Kolumbien das zunächst mal ohne fremde Hilfe wie zum Beispiel der UN angegangen hat.
    Dobovisek: Ist das tatsächlich ein Schlussstrich, den wir dort erkennen können?
    Gehring: Ja, es ist der Schlussstrich eines Verhandlungsprozesses, aber natürlich der Beginn einer hoffentlich dauerhaften Entwicklung hinsichtlich eines dauerhaften Friedens. Insofern kann man sagen, es ist einerseits das Ende, vor allem aber ein Anfang in Richtung eines friedlichen Zusammenlebens und einer nachhaltigen Entwicklung in diesem Land.
    Dobovisek: Was gehört alles noch dazu, damit dieser Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung, zu einem dauerhaften Frieden tatsächlich nicht irgendwann auf der Strecke bleibt?
    Gehring: Für einen dauerhaften Frieden gehört zuerst einmal, dass die Politik gemeinsam versucht, in Richtung Zukunft zu gehen, gemeinsam dann auch notwendige strukturelle Reformen versucht, anzugehen, zum Beispiel in den Bereichen Infrastruktur, Dezentralisierung, aber auch hinsichtlich der Bereiche einfach Rechtssicherheit und Bildung und Gesundheit. Das sind ganz, ganz wichtige Themenbereiche, die gemeinsam angegangen werden müssen.
    Dobovisek: Hat die Regierung die Kraft dafür, all das in die Region zu bringen, in der die Regierung in den letzten Jahrzehnten sehr schwach war und die FARC dominiert hat?
    Gehring: Das wird natürlich der ganz entscheidende Punkt sein, nicht nur in Bogota oder den großen Städten wie Medellín und Cartagena Initiativen auf den Weg zu bringen. Was wichtig ist in Kolumbien ist, dass die ländlichen Regionen, die dünn besiedelten ländlichen Regionen, dass der Staat in diese Regionen kommt. Und da bleibt nur zu hoffen, dass die politischen Eliten gemeinsam, also nicht nur die Regierung, sondern auch die Parteien im Kongress an einem Strang ziehen werden.
    Dobovisek: ist das erkennbar?
    Gehring: Einen Tag vor der Unterzeichnung dieses Abkommens gibt es natürlich eine relativ große Mehrheit, die diese Thematik gemeinsam angehen möchte. Es darf jedoch auch nicht verschwiegen werden, dass es auch sehr, sehr skeptische Stimmen gibt, was dieses Friedensabkommen betrifft, zum Beispiel bezüglich zweier Punkte. Einmal der doch relativ weitgehenden Straflosigkeit für dann die ehemaligen FARC-Rebellen oder zum Beispiel die Ermöglichung von politischen Ämtern dann für die Ex-Guerilla. Das hat nicht nur Freunde.
    Dobovisek: Nun hat die FARC ja angekündigt, ganz offen den Kampf weiter fortsetzen zu wollen, allerdings ohne Waffen. Und zwar genau so, wie Sie es ansprechen: in der Politik. Das müsste doch dann zumindest ein Kompromiss sein, mit dem alle etablierten Politiker leben können, wenn dann die Waffen schweigen?
    Gehring: Ja. Im Endeffekt zählt im Moment wirklich das Motto, nicht die Vergangenheit zählt, sondern man sollte gemeinsam in Richtung der Zukunft schauen. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Es wird wirklich darauf ankommen, dass die Politik in Kolumbien gemeinschaftlich versucht, diesen Weg zu gehen. Und dadurch dann natürlich auch der Gesellschaft ein Beispiel gibt, dass man wirklich nur gemeinsam dieses Problem dauerhaft lösen kann.
    Dobovisek: Vor welchen großen Herausforderungen steht Kolumbien insgesamt?
    Gehring: Große Ungleichheit in Kolumbien
    Gehring: Die größte Herausforderung insgesamt wird sein, in den nächsten Jahren einfach die immer noch herrschende sehr, sehr große Ungleichheit zumindest zu reduzieren. In Kolumbien hat immer noch das reichste Zehntel der Gesellschaft einen Einkommensanteil von 42 Prozent. Das ist, was Lateinamerika betrifft, wirklich noch das extremste Land, das ungleichste Land überhaupt.
    Dobovisek: Die Wirtschaft, die wächst. Das kann man sehen auch mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt, im vergangenen Jahr plus drei Prozent. Wird der Frieden mit der FARC auch wirtschaftliche Stabilität bringen?
    Gehring: Ja, das bleibt zu hoffen. Es gibt Experten, die sagen, dass alleine schon durch diesen Friedensschluss und die Post-Konflikt-Phase dann das Bruttosozialprodukt noch mal um ein Prozent als Friedensdividende wachsen wird.
    Dobovisek: Investitionen zum Beispiel auch aus Deutschland?
    Gehring: Ja, das ist natürlich ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den Sie da ansprechen. Man darf jetzt nach den Friedensfeiern, die ab morgen dann stattfinden werden, das Land nicht allein lassen. Kolumbien benötigt auch weiterhin internationale Hilfe. Und zwar Hilfe nicht nur jetzt in Form von finanziellen Zuschüssen, sondern vor allem in Form von gemeinsamen Projekten, im Rahmen derer man einige Punkte wie zum Beispiel Infrastruktur, aber auch Investitionen in etwas mehr Diversifizierung vom Rohöl oder von reinen Agrarprodukten angehen kann.
    Dobovisek: Hubert Gehring von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kolumbien. Ich danke Ihnen für das Interview.
    Gehring: Ja, herzlichen Dank! Viele Grüße nach Deutschland.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.