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Kommentar zu Friedensgipfel
Die Ukraine versucht das vermeintlich Unmögliche

Russlands Bedingungen für Verhandlungen mit der Ukraine glichen einer Erpressung, kommentiert Gesine Dornblüth. Kiews Idee, einen Friedensgipfel unter dem Dach der Vereinten Nationen abzuhalten - erst einmal ohne Russland - sei daher goldrichtig.

27.12.2022
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bei einem Treffen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationanen am 22. September 2022
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat einen Friedensgipfel ins Gespräch gebracht - Teil einer breit angelegten und klugen diplomatischen Offensive der Ukraine, findet Dlf-Korrespondentin Gesine Dornblüth (picture alliance / Pacific Press / Lev Radin)
Russland fordert, was ihm nicht gehört; es droht denen, die ihm verweigern, was ihm nicht gehört; und es setzt darauf, dass irgendjemand im Westen einknickt und Russland am Ende zumindest einen Teil dessen überlässt, was ihm nicht gehört.
Dieser Taktik folgte schon der langjährige sowjetische Außenminister Andrej Gromyko. Wladimir Putins Sprecher, Dmitrij Peskow, formuliert das heute so: „Wir haben uns nie von Bedingungen leiten lassen, die andere stellen, sondern nur von unseren eigenen.“

Russlands Bedingungen nennt man Erpressung

Die russischen Bedingungen für Verhandlungen lauten derzeit: Die Ukraine soll die vier von Russland mit Gewalt eroberten und unrechtmäßig zu russischem Staatsgebiet erklärten Gebiete als russisch anerkennen – also: Russland geben, was ihm nicht gehört und was es nicht mal vollständig kontrolliert. Russlands Außenminister Sergej Lawrow droht dazu: Diese russischen Vorschläge sollten besser schnell umgesetzt werden, andernfalls werde die russische Armee die Sache klären.
Das nennt man Erpressung, nicht Verhandlungsbereitschaft. Vor diesem Hintergrund ist die Idee der Ukraine, einen Friedensgipfel unter dem Dach der Vereinten Nationen abzuhalten, goldrichtig. Die Ukraine ergreift die Initiative und widerlegt so die russische Behauptung, sie wolle nicht verhandeln.
Bei dem Gipfel soll es zunächst darum gehen, möglichst viele Staaten der Welt zu einen, die dann gemeinsam einen Weg zum Frieden suchen. Das kann erstmal nur ohne Russland funktionieren. Wolodymyr Selenskyi hat über die Feiertage bereits mit dem Premierminister Indiens telefoniert. Indien profitiert vom Krieg: Es kauft billiges russisches Öl und hält sich ansonsten zurück. Die Ukraine muss Staaten wie Indien auf ihre Seite bekommen. Auch dabei kann eine Friedenskonferenz unter dem Dach der Vereinten Nationen helfen.

Ukraine fordert, Russland ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu entziehen

Der Vorschlag einer Friedenskonferenz ist Teil einer breit angelegten und klugen diplomatischen Offensive der Ukraine. Seit Monaten werben ihre Diplomaten und Regierungsvertreter für ein Internationales Sondertribunal für Kriegsverbrecher. Und aktuell fordern sie, Russland seinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu entziehen. Das Vetorecht dort ist das wichtigste außenpolitische Machtmittel Russlands. Die Ukrainer argumentieren, Russland habe den Sitz vor gut dreißig Jahren unrechtmäßig von der Sowjetunion übernommen. Nicht wenige Völkerrechtler halten dieses Argument für schlüssig.
Die Ukraine versucht das vermeintlich Unmögliche: diplomatisch genauso wie militärisch. Sie hat keine andere Chance. Denn Russland wird nur dann verhandeln, wenn der internationale Druck immens steigt – in allen Bereichen.