Der Hauptfriedhof in Bochum am Nachmittag. Eine Allee säumt die Straße bis zum herrschaftlichen Tor des Friedhofs. Dahinter: ein stiller Ort der Trauer. Und zugleich eine Fläche, die von einer Stadt ganz nüchtern wie Abfall oder Abwasser unter wirtschaftlichen Erwägungen verwaltet wird. Die Stadt steht laut einer regionalen Studie des Bundes für Steuerzahler aktuell mit 4260 Euro für eine Sargbestattung an der Spitze der Friedhofsgebühren in Nordrhein-Westfalen. Solingen liegt bei 1470 Euro, in Berlin sind es gerade mal 1016 Euro für eine Sargbestattung – zum Unverständnis der Bochumer Bürger:
"Die Beerdigungskosten sind im Vergleich zu anderen Städten unglaublich hoch. Aus welchen Gründen, das möchte ich gerne wissen, weiß ich auch nicht. Das wird irgendwie nie gesagt, warum die Kosten sehr hoch sind und dass der größte Teil dazu übergeht, sich verbrennen zu lassen und anonym beerdigen und so weiter. Das ist die Sache, um Kosten zu sparen."
"Das soll mir mal einer plausibel machen. Wir haben Land genug, Fläche genug. Warum? Und jetzt die letzten Gräber sind alles Urnengräber. Die sind ja nur noch die Hälfte vom Grab."
"Bochum liegt da irgendwie leider an der Spitze. Warum das so sein muss, vermag ich nicht einzusehen. Womit sie das begründen, dass das Sterben in Bochum hier so teuer sein muss."
Kalkül bei klammen Kommunen?
Die starken Unterschiede zwischen den Gebühren in einzelnen Städten, lassen sich auf den ersten Blick kaum nachvollziehen. Grundlage in allen Kommunen bildet die Gebührensatzung, die vom Rat beschlossen wird. Der Bund der Steuerzahler vermutet insbesondere bei klammen Kommunen haushaltspolitisches Kalkül. Harald Schledorn:
"Wir werfen den Kommunen zum Teil vor, dass Friedhofsgebühren zur Haushaltssanierung genutzt werden. Also, es ist ja kein Zufall, dass Städte wie Bochum oder Bottrop, Gelsenkirchen und teilweise auch Oberhausen die Gebühren für einzelne Grabarten erhöht haben, während sie andernorts gleich geblieben sind. Es gibt Kommunen, die erhebliche Probleme mit dem Haushaltsausgleich haben. Und da fordern wir, dass man nicht die Friedhofsgebühren dazu nutzt, den Haushaltsausgleich zu bewerkstelligen."
Ein Knackpunkt in vielen Städten in der Bundesrepublik seien die zu großen Friedhöfe. Friedhofsplaner hätten in den letzten Jahrzehnten versäumt, Flächen zu entwidmen, um die Gesamtgebühren zu senken. Der Grund: Es gibt in Deutschland einen Trend zur Urnenbestattung. Und die verbraucht weniger Platz. Die Folge: Die Gebühren steigen, weil ungenutzte Fläche verwaltet werden muss. Ulrich König, bei der Stadtverwaltung Bochum für Finanzen zuständig, erklärt das Problem so:
"Natürlich ist die Fläche erst mal eine wichtige Grundlagezahl für die Gebührenberechnung. Die Fläche kostet auch in der Unterhaltung. Und demnach, je nachdem, wie viel Friedhofsflächen ich unterhalten muss, desto mehr muss ich ja über die Gebühren auch finanzieren. Und es ist ganz klar, Kosten, die auf einem Friedhof entstehen sind einem Friedhofsnutzer in Rechnung zu stellen. 2:22. In Bochum haben wir historisch gewachsen durch das Zustandekommen der Stadt 25 Friedhöfe. Das bedeutet, dass wir Personal für 25 Friedhöfe vorhalten, entsprechende Maschinen und Geräte."
Viele dezentrale Friedhöfe - diese Struktur werde von Bürger derzeit noch gewünscht, sagt König. Und es ist wohl auch eine Frage der Pietät, ob man auf ehemaligen Friedhofsflächen, wie zum Beispiel in Berlin, eine Tannenzucht oder in Bremen einen Golfplatz eröffnet.
Bochum folgt Bonn
Doch rein theoretisch hätten die Städte Handlungsspielraum. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Ein Blick in die Bücher zeigt, so Harald Schledorn vom Bund der Steuerzahler:
"Hier ist es in NRW so, dass die einzelnen Friedhofsverwaltungen und Kämmereien und Steuerämter große Ermessensspielräume haben."
Da würden Maschinen oder Gebäude schon mal nahezu als Neuware kalkuliert und abgeschrieben – und das treibe dann die Friedhofsgebühren in die Höhe. Eine hohe Kalkulation ist in NRW, anders als in Bayern oder Baden-Württemberg, gesetzlich erlaubt. Die Stadt Bochum begründet die Kalkulation so:
"Wir machen das, weil wir uns an die gesetzlichen Vorschriften halten und weil wir auch aufgrund der Haushaltslage alle Möglichkeiten, die dann eben sind, auch ausschöpfen müssen. Das heißt, wir sind gehalten, die betriebswirtschaftlich ansatzfähigen Kosten auch in die Gebührenbedarfsberechnung hineinzustellen."
Auch ein Blick auf den sogenannten "grünpolitischen Wert" gibt Aufschluss. Da Friedhöfe gerade in Ballungsgebieten auch ökologische Funktionen haben, übernimmt die Stadt einen Teil der Kosten und legt sie nicht auf die Gebühren um. In Bochum und anderen Städten ist diese Summe in den letzten Jahren allerdings um rund eine Million Euro und mehr gesunken. Dadurch steigen wiederum die Friedhofsgebühren. Nur der Verkauf von Friedhofsflächen wird die Gebühren langfristig kompensieren können. Die Stadt Bonn, die 2012 den ersten Platz bei den Bestattungsgebühren in NRW einnahm, hat im letzten in diesem Jahr die Preise gesenkt. Diesem Muster folgt Bochum nun 2014 und senkt die Gebühren um 200 Euro.
Mal sehen, wer beim Wirtschaftsraum Friedhof im nächsten Jahr besonders hohe Bestattungsgebühren erzielt.