"Ich habe Armin Laschet im Januar meine Unterstützung zugesagt. Ich bin vielleicht altmodisch, aber wenn ich sowas zusage, stehe ich dazu. Ich stehe auch in kritischen Tagen dazu, wenn der Wind mal von vorne kommt", sagte Friedrich Merz im Dlf. Laschet sei in NRW ein guter und erfolgreicher Ministerpräsident und es gebe klare Entscheidungen der Repräsentanten der CDU für ihren Parteichef. Zudem fahre Laschet in der Coronakrise einen guten Kurs: "NRW hat niedrigere Infektionszahlen als Bayern".
Er sei gegen eine Abstimmung der Basis. "Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie", so Merz. Bei der Unions-Fraktionssitzung am 13. März hatte sich die Mehrzahl für CSU-Chef Markus Soeder als Kanzlerkandidat ausgesprochen.
Die Frage nach dem Unions-Kanzlerkandidaten müsse nun vor allem schnell entschieden werden. Bis zur Bundestagswahl im September sei es nicht mehr weit und der prozentuale Abstand zu den Grünen in Umfragen sehr gering.
"Wir sind noch ganze drei Prozentpunkte von einer Bundeskanzlerin Annalena Baerbock entfernt. Wir drei runter, die Grünen drei hoch – dann ist die Bundestagswahl 2021 gelaufen", so Merz. Er sei sich sehr sicher, dass die Grünen Baerbock zu ihrer Kanzlerkandidatin machen werden. Die Entscheidung ist allerdings noch offen – die Grünen wollen die "K-Frage" am 19. April klären.
In Anbetracht dessen müsse die CDU nun auch ihr Profil schärfen und sich von Grünen und AfD stärker abgrenzen. Die Christdemokraten seien weder eine weniger radikale AfD, noch eine bessere Grünen-Partei. "Ich wünschte mir manchmal etwas weniger Anbiederung an den Zeitgeist und etwas mehr Prinzipientreue", so der CDU-Politiker.
Das Interview in voller Länge:
Philipp May: Sie haben sich dieses Mal nicht auf die Seite der Basis geschlagen und sich in einem Brief an alle Unions-Abgeordneten für Laschet ausgesprochen. Warum?
Friedrich Merz: Herr May, ich habe gestern eine E-Mail an die Mitglieder der CDU im Hochsauerlandkreis geschrieben. Ich habe weder Markus Söder einen Brief geschrieben, noch an die Mitglieder der Bundestagsfraktion, sondern ich habe hier im Hochsauerlandkreis, in dem ich wohne und in dem ich mich wieder um ein Bundestagsmandat bewerbe, meine Meinung zu dieser Personalfrage geäußert, und dazu stehe ich. Wir haben im Januar einen Beschluss des Bundesparteitages der CDU getroffen mit Armin Laschet als Parteivorsitzendem. Das war auch das Votum der CDU für ihren Kanzlerkandidaten. So haben wir das immer interpretiert, Armin Laschet, Norbert Röttgen und ich. Das war immer klar. Und ich stehe zu unseren Entscheidungen und auch meiner Zusage, die ich gegeben habe auf diesem Bundesparteitag, Armin Laschet zu unterstützen, und das tue ich bis heute.
"Armin Laschet in NRW erfolgreicher Ministerpräsident"
May: Dennoch: Den Wähler interessiert am Ende doch wahrscheinlich eher, wer hat die meisten Chancen. Ist das nicht dann doch das wichtigste Argument auch für die Union, dass man tatsächlich den wählt, der an der Basis, bei den Wählern an der Wahlurne am besten ankommt?
Merz: Ja, und da vergleiche ich gerne die Lage bei den letzten Landtagswahlen. Wenn Sie mal die Landtagswahlen in Bayern 2018 nehmen: Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat die CSU damals das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte in Bayern erzielt. Und ich vergleiche es mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ein Jahr vorher.
May: War aber immer noch besser als bei der Bundestagswahl.
Merz: Das war immer Gott sei Dank besser. Gott sei Dank hat die CSU immer bessere Ergebnisse erzielt bei Bundestagswahlen als viele CDU-Landesverbände. Trotzdem ist richtig, dass Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen erfolgreicher Ministerpräsident ist, und ich erlaube mir auch den Hinweis, Herr May, wir haben in Nordrhein-Westfalen niedrigere Infektionszahlen als in Bayern. Wir wollen mal unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Die Bayern sind immer sehr selbstbewusst. Wir sind manchmal vielleicht ein bisschen zu bescheiden. Die Lage in Nordrhein-Westfalen ist, wie überall in Deutschland, kritisch, aber sie ist immerhin noch etwas besser als in Bayern. Von daher habe ich eine klare Meinung geäußert, wie gesagt an meine Basis zuhause im Hochsauerlandkreis.
"Führung der CDU klar hinter Armin Laschet"
May: Jetzt haben Sie es klar gesagt. Wir leben beide in Nordrhein-Westfalen, ich ja auch hier in Köln. Wir haben es beide damals miterlebt, diese Wahl 2017 von Armin Laschet. Die hat ja in Wirklichkeit eher Rot-Grün verloren als Armin Laschet gewonnen. Diesmal ist es aber anders herum: die Union hat Gegenwind.
Merz: Das ist immer so oder fast immer so. Wahlen werden von der Opposition nicht gewonnen, sondern in der Regel von der Regierung verloren. Das ist das, was mich in diesen Tagen besonders beschäftigt. Wir sind noch ganze drei Prozentpunkte von einer Bundeskanzlerin Annalena Baerbock entfernt. Wir drei runter, die Grünen drei hoch …
May: Davon gehen Sie fest aus, dass es Baerbock wird?
Merz:! …, dann ist die Bundestagswahl 2021 gelaufen. – Ja, ich gehe davon aus, dass die Grünen sich so entscheiden, und das wird die größte Herausforderung für uns. Die CDU und die CSU müssen jetzt ganz schnell eine Einigung herbeiführen. Wir wissen ja übrigens erst seit letztem Sonntag, dass Markus Söder nun tatsächlich auch sich bewirbt um das Amt des Kanzlerkandidaten der Union. Bis dahin hat er immer gesagt, mein Platz ist in Bayern. Davon bin ich auch bisher immer ausgegangen. Aber nun gut, das ist anders seit Sonntag. Aber er hat auch klar gesagt, dass er ein Votum der CDU akzeptiert. Dieses Votum gibt es. Am Montagmorgen haben sich die Führungsgremien der CDU klar und eindeutig einstimmig hinter Armin Laschet gestellt, und das war nicht irgendein Hinterzimmer, sondern das ist das Führungsgremium der CDU. In dem sitzt die Bundeskanzlerin, in dem sitzt der Bundestagspräsident, in dem sitzen alle Ministerpräsidenten der unionsgeführten Bundesländer, in dem sitzen die gewählten Repräsentanten der CDU Deutschlands aus 15 Bundesländern, und ich finde, das hat Gewicht, und ich finde, das sollte auch die CSU akzeptieren.
May: Aber, Herr Merz, ist das nicht auch ein bisschen ein formalistisches Argument? Wenn wir den Fraktionsangehörigen zugehört haben, dann sagen sie, dass die Stimmung an der Basis eine ganz andere ist. Sie waren immer bei Ihren Wahlkämpfen um den CDU-Vorsitz der Kandidat der Basis. Kann man die Basis und den Willen der Basis in diesem Moment wirklich ignorieren?
Merz: Es gibt eine Stimmungslage in der Bundestagsfraktion. Das habe ich gestern auch so mitbekommen. Aber es gibt klare Entscheidungen der Repräsentanten der Basis der CDU auf zwei Parteitagen, auf dem letzten Parteitag in Berlin. Armin Laschet ist der gewählte Vorsitzende, mit 83,3 Prozent der Stimmen bestätigt nach den digitalen Wahlen.
May: Aber da stand er alleine auf dem Wahlzettel.
Merz: Na ja! Aber er war derjenige, der zuvor die Abstimmung gewonnen hat, und er ist derjenige, der anschließend in der eigentlich erst tatsächlich stattgefundenen, nach dem Parteienrecht richtigen Wahl 83,3 Prozent der Stimmen der CDU Deutschlands bekommen hat. Auf diesem Bundesparteitag saßen auch viele Abgeordnete aus der Bundestagsfraktion und sie haben ganz offensichtlich überwiegend auch Armin Laschet gewählt.
Nun kann man immer noch sagen, wir hätten das gerne anders. Das ist auch in Ordnung. Es kann natürlich auch in der Union – wir haben eine komplizierte Gemengelage in dieser Union – immer einen Kandidaten der CSU geben. Das Problem, das wir haben, Herr May, ist: Wir haben für eine solche Lage kein Gremium beider Parteien. Da kann man sagen, da ist die Bundestagsfraktion. Das ist richtig, das sind die Abgeordneten. Aber die repräsentieren nicht die Partei. Die Parteien von CDU und CSU haben kein gemeinsames Gremium. Vielleicht muss man eines Tages darüber mal nachdenken, denn da könnten ja auch andere Personalfragen noch einmal eine Rolle spielen in diesem Zusammenhang. Aber jetzt müssen die beiden – und das ist mein Punkt – sich zusammenraufen und sie müssen in dieser Woche der Bundestagsfraktion und auch beiden Parteipräsidien einen gemeinsamen Vorschlag machen.
"Wir sollten zu getroffenen Entscheidungen stehen"
May: Herr Merz, ich will noch mal ganz kurz bei der Basis bleiben. Sie haben es selbst schon erwähnt: Sie sind gerade auch im Prinzip im Wahlkampf. Sie wollen die CDU-Nominierung fürs Direktmandat in Ihrem alten Wahlkreis im Hochsauerland gegen den derzeitigen Amtsinhaber, Ihrem Nachfolger Patrick Sensburg. Am Samstag fällt bei Ihnen die Entscheidung. Was sagt eigentlich Ihre Basis, wenn Sie mit den Leuten sprechen? Haben die keine Vorbehalte gegen Laschet? Sind die für Laschet?
Merz: Es gibt nicht nur bei mir, sondern in ganz Deutschland natürlich auch kritische Stimmen. Das ist völlig klar. Aber wir werden hier im Hochsauerlandkreis auch eine Entscheidung durch Delegierte treffen. Wir haben einen Delegiertenschlüssel von 1:10. Wir haben im Hochsauerlandkreis immer noch knapp 5.000 CDU-Mitglieder. Wir werden rund 480 Delegierte haben, die auf dieser Kreisdelegiertenversammlung am kommenden Samstag entscheiden, und das sind die Repräsentanten der CDU-Basis, genauso wie die tausend Delegierten der CDU auf dem Parteitag in Berlin die Repräsentanten der CDU-Basis sind. Ich habe deswegen immer mich auch gegen Abstimmungen der Basis, der Mitglieder ausgesprochen. Man kann sie befragen. Aber wir leben in einer repräsentativen Demokratie. Das gilt für das Parlament genauso wie für die Parteien. Die Parteien sind in ihren Entscheidungsgremien zusammengesetzt aus Delegierten und aus gewählten Vorstandsmitgliedern.
May: Aber Sie machen sich keine Sorgen, dass das für die möglicherweise nicht in Ordnung ist oder dass es auf Sie zurückfällt, wenn sie jetzt Partei für Laschet ergreifen und nicht für Söder, auch im Hinblick auf Samstag?
Merz: Das weiß ich nicht, Herr May. Das kann sein, dass es den einen oder anderen gibt, dem das vielleicht nicht gefallen hat, was ich gestern geschrieben habe. Aber ich finde, dass wir in dieser Partei auch zu getroffenen Entscheidungen stehen sollten, und ich habe im Januar Armin Laschet meine Unterstützung zugesagt und ich bin da vielleicht etwas altmodisch, aber wenn ich so etwas zusage, dann stehe ich dazu. Und ich stehe auch in kritischen Tagen dazu, wenn der Wind mal von vorne kommt.
May: Wie eng ist denn zurzeit Ihr Kontakt zu Armin Laschet?
Merz: Wir sind natürlich im Gespräch miteinander. Er fragt mich hin und wieder auch um Rat und meine Einschätzung. Die gebe ich ihm gerne. Ansonsten halte ich mich zurück.
May: Und Markus Söder?
Merz: Ebenfalls gut. Wir haben auch regelmäßig Kontakt miteinander. Auch ihm habe ich meine Meinung gesagt. Er kennt sie.
May: Sie haben jetzt viel gesagt, was für Armin Laschet spricht. Das verstehe ich. Was spricht gegen Söder?
Merz: Es spricht gar nichts gegen Markus Söder. Wir müssen abwägen. Wir sind in der eigentlich glücklichen Lage, zwei wirklich ganz hervorragende Bewerber zu haben, zwei Ministerpräsidenten, die zwei große Bundesländer in Deutschland führen. Es war ja auch nicht immer so, dass wir sowohl in Bayern als auch in Nordrhein-Westfalen den Ministerpräsidenten gestellt haben. In der glücklichen Lage sind wir seit einigen Jahren und Armin Laschet ist ein guter und erfolgreicher Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Markus Söder ist ein guter und erfolgreicher Ministerpräsident des Freistaates Bayern. Wir müssen eine Entscheidung treffen. Wir haben die Qual der Wahl. Wir sollten schnell zu Ergebnissen kommen, denn die Bundestagswahl ist in fünf Monaten und ich habe auch in meinem Brief darauf hingewiesen, die Briefwahlen fangen schon in weniger als vier Monaten an. Es wird jetzt wirklich Zeit.
"Wir sind weder eine weniger radikale AfD, noch eine bessere grüne Partei"
May: Die Kritik aus dem Laschet-Lager an Söder, die jetzt immer ein bisschen gestreut wird zwischen den Zeilen, dass Söder Montags Rechte umgarnt und Dienstags Bäume umarmt, diese Prinzipienlosigkeit, die würden Sie sich nicht zu eigen machen?
Merz: Na ja. Ich sage mal so: Ich würde es nicht so weit formulieren. Ich habe allerdings sowohl 2018 bei der Landtagswahl etwas Bedenken gehabt gegen das sehr starke Blinken nach rechts. Das Wahlergebnis in Bayern war miserabel schlecht mit 36,7 Prozent. Ich habe jetzt meine Vorbehalte gegen den sehr starken Kurs nach grün oder in die grüne Richtung. Wir sind weder eine weniger radikale AfD, noch eine bessere grüne Partei. Wir sind die Christdemokraten und die Christlich-Soziale Union und wir müssen ein eigenes Profil haben in allen diesen Fragen, sowohl in der inneren Sicherheit als auch in der Umweltpolitik, und da wünschte ich mir manchmal etwas weniger – wie soll ich das sagen – Anbiederung an den Zeitgeist und etwas mehr Prinzipientreue.
May: Herr Merz, wie kommen Söder und vor allem Laschet denn da jetzt ohne Gesichtsverlust wieder raus?
Merz: Indem sie sich möglichst schnell, am besten heute und morgen zusammensetzen und bis zum Wochenende eine gemeinsame Entscheidung treffen und einen gemeinsamen Vorschlag machen.
"Raus aus dem Modus innerparteilicher Auseinandersetzung"
May: Aber der Flurschaden ist da? Wenn es Laschet wird, wissen alle, eigentlich wollten ihn noch nicht mal seine eigenen Abgeordneten, zumindest ein großer Teil?
Merz: Ja, der Flurschaden droht einzutreten, wenn jetzt nicht in dieser Woche eine Entscheidung getroffen wird. Dann haben beide zugesagt, geschlossen hinter der jeweiligen Entscheidung zu stehen, und davon gehen wir ja nun auch alle aus. Wir wollen die Wahlkreise gewinnen. Wir wollen die Bundestagswahl gewinnen und dafür wird es jetzt höchste Zeit. Im Übrigen hat dieses Land auch noch ein paar andere Probleme als die Kanzlerkandidatur der Union. Wir stehen mitten in einer wirklich tiefen Krise der Pandemie. Wir werden im Herbst und im Frühjahr nächsten Jahres sehen, welche Spätfolgen es auch in der Wirtschaft in Deutschland hat. Also wir müssen jetzt an die Arbeit und müssen raus aus diesem Modus einer innerparteilichen Auseinandersetzung.
May: Herr Merz, eine halbe Minute haben wir noch. Eine letzte Frage habe ich. Wenn Laschet Kanzler wird, bieten Sie ihm dann wieder an, in die Bundesregierung einzutreten?
Merz: Das ist eine Entscheidung, die er dann ganz alleine trifft, auch schon vorher, wen er in seine Mannschaft, in sein Kompetenzteam aufnimmt. Ich bewerbe mich um das Mandat im Hochsauerlandkreis. Meine Baustelle ist der Hochsauerlandkreis.
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