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Friedrich-Naumann-Stiftung: Kim Jong-Un will seine Position festigen

Der Ausrufung des Kriegszustand durch Kim Jong-Un könnte eine Kompensation für fehlende Lebens- und Politikerfahrung sein, meint Lars-André Richter. Der Chef der Friedrich-Naumann-Stiftung in Südkorea ergänzt, dass Nordkoreas jungen Herrscher jedoch gleichzeitig damit ein Zeichen der Stärke gegenüber den USA und Südkorea setzen wolle.

Lars-André Richter im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: In Seoul begrüße ich nun Lars-André Richter, er leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in der südkoreanischen Hauptstadt. Guten Tag, Herr Richter!

    Lars-André Richter: Guten Tag, Herr Meurer!

    Meurer: Nehmen Sie die Kriegsrhetorik Nordkoreas ernst?

    Richter: Na ja, also die Situation hier war sicher mal entspannter. Schön ist das nicht, wenn man das Wort Krieg hört, allerdings muss man vielleicht auch so ein bisschen genauer hingucken nach der ersten Erregung. Es gab eigentlich, und es gibt ja bekanntermaßen eben keinen Friedensvertrag, hier ist nie einer geschlossen worden nach 1953, das heißt, man hat sich ja eigentlich immer irgendwo zwischen Krieg und Frieden bewegt. Die Rhetorik in den letzten Tagen ist verschärft worden, Nordkorea scheint eben die Spielräume, die es protokollarisch und auch begrifflich hat, auszunutzen. Das ist jetzt sicher eine neue Steigerung, aber es kann ja noch nicht von einer Kriegserklärung die Rede sein, sondern zunächst mal ist von einem Kriegszustand gesprochen worden. Das mag eine Feinheit sein, aber sie ist sicher nicht ganz unbedeutend.

    Meurer: Wie erleben Sie die Stimmung in der Bevölkerung oder in den Medien, Herr Richter? Empfindet man das auch so, dass das im Prinzip eine Umschreibung des faktischen diplomatischen Zustandes ist?

    Richter: Also das Leben hier in Seoul ist - ich war heute draußen unterwegs, hier ist ja schon Abend, wir sind Ihnen ja acht Stunden voraus -, das Leben ist hier, läuft hier, nach allem, was man sehen kann, relativ normal. Wir sind ja nun eben wirklich auch in Grenznähe, man kann ja von Seoul also fast mit dem Fahrrad an die innerkoreanische Grenze fahren, ganz so weit weg ist es nicht. Hier leben 20 Millionen Menschen im Großraum Seoul, aber wie gesagt, es scheint im Moment noch alles ganz normal zu gehen, und auch, was man eben an politischen offiziellen Statements hört, die sind ja eigentlich auch eher auf Beschwichtigungen aus. Man versucht also wirklich die Lage, sozusagen den Deckel eben draufzuhalten und die Lage ruhig zu halten.

    Meurer: Peter Kujath hat eben in Krieg des Wortes (MP3-Audio) seinem Beitrag eine Erklärung beigesteuert, die da lautet, Kim Jong-Un, der junge Führer, will sozusagen den Militärs gegenüber etwas beweisen, denen etwas demonstrieren mit seinen militärischen Drohungen gegen den Süden. Glauben Sie, dass das der Grund ist?

    Richter: Also mit Sicherheit, natürlich, völlig klar. Kim Jong-Un ist etwa ein Jahr an der Macht und muss seine Position eben auch noch festigen. Er ist relativ jung, das spielt natürlich gerade hier in einem konfuzianischen Kulturkreis eine herausragende Rolle, und muss sich dann natürlich eben einfach beweisen, muss ein bisschen auch kompensieren, was ihm an Lebenserfahrung und an politischer Erfahrung fehlt, deswegen ist das natürlich noch immer ein Zeichen nach innen, aber genauso ein Zeichen der Stärke nach außen, Richtung Südkorea, aber auch Richtung USA.

    Meurer: Wie finden Sie denn die Maßnahme der USA, zwei Tarnkappenbomber zu schicken? Die beiden Bomber nehmen an einem gemeinsamen Manöver mit Südkorea teil. Hat das zu einer Eskalation beigetragen, war das hilfreich?

    Richter: Na ja, schwierig zu sagen, also natürlich kann Nordkorea jetzt sagen, ihr provoziert und wir reagieren nur, das ist ja so etwas, was man so schon kennt. Die USA haben natürlich eben auch einfach Stärke demonstrieren wollen. Ich denke mir, dass die USA kein großes Interesse eben einfach an einer Eskalation des Konfliktes hier im pazifischen und nordpazifischen Raum, im ostasiatischen Raum haben. Sie wissen, es gibt im Moment das gemeinsame Manöver Südkorea/USA, das ist alle Jahre wieder im Spätwinter, frühen Frühling - das ist also dieses Jahr von März bis Ende April, so lange dauert das noch, so lange werden wir möglicherweise noch weitere Steigerungsformen eben einfach erleben. Diese beiden Bomber sind sicher eben auch ein Signal der Stärke, aber möglicherweise auch ein Signal an Südkorea, schaut her, wenn es brenzlig wird, wir sind bei euch und stehen euch bei.

    Meurer: Sie sind, Herr Richter, letzte Woche in Nordkorea gewesen. Was haben Sie dort gesehen und erlebt?

    Richter: Viel Militär! Wenn auch im Moment vor allen Dingen eingesetzt zu Grabungsarbeiten und Pflanzarbeiten, wobei man sich natürlich auch darüber nicht täuschen sollte, denn natürlich sind diese Militärs immer auch sehr schnell mobilisierbar. Aber auch in Pjöngjang ist das Leben eigentlich relativ - so weit man das sagen kann - relativ normal gewesen. Was ich interessant fand, war, dass in den Gesprächen, die ich geführt habe, keine explizite Kritik an der neuen Präsidentin Frau Park gab. Sie ist ja noch relativ jung im Amt, aber durchaus eben auch schon eine bekannte politische Größe. Ich weiß, dass der Vorgänger sehr, sehr stark kritisiert wurde jedes Mal. Bei Frau Park ist es noch nicht so, ich sehe da so ein bisschen raus, dass man sich vielleicht doch noch Türen für Verhandlungen eben einfach offen lassen möchte, das fand ich ganz bemerkenswert.

    Meurer: Frau Park ist die neue Präsidentin von Südkorea. Herr Richter, ist es möglich überhaupt, in Nordkorea, in Pjöngjang, konnten Sie da mehr oder weniger offen über die Dinge reden, über die wir uns jetzt unterhalten, über Kriegsdrohungen, über Angriffsszenarien gegen Südkorea?

    Richter: Also natürlich nicht im Detail. Natürlich deutet man das an, natürlich spricht man auch darüber, natürlich gibt auch die nordkoreanische Seite eben zu verstehen, wie sie die Lage sieht, warum sie so handelt, wie sie handelt, aber ins Detail kann man natürlich nicht gehen. Also der Tenor der nordkoreanischen Seite ist eben, niemand will Krieg, wir reagieren nur, aber eine Eskalation der Situation, daran sind wir nicht interessiert.

    Meurer: Lars-André Richter, der Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Danke schön und auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.