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Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Die Sprache des Hasses. Rechtsextremismus und völkische Esoterik

Dass es zwischen Nationalsozialismus und Esoterik nicht wenige Verbindungsstränge gab, ist historisch interessierten Menschen durchaus bekannt - erwähnt seien nur der Runenkult des NS-Regimes oder die Rituale auf den Ordensburgen der SS, deren Chef Heinrich Himmler so etwas wie der Ober-Esoteriker der Nazis war. Weniger bekannt dürfte sein, dass, glaubt man aktuellen Publikationen aus obskuren Verlagen, UFOs mit Hakenkreuzen über uns kreisen und sich ein paar tausend Meter unter uns - in einer sogenannten Parallelwelt - nach 1945 die übrig gebliebene NS-Elite inklusive sonstiger arischer Herrenmenschen verschanzt hat, um das deutsche Blut auch schön rein und erbgesund zu erhalten. Wer glaubt, derartig schwachsinnige Mixturen aus völkischer Esoterik und Science Fiction hätten in unserem aufgeklärten Zeitalter keine Chance auf einen großen Leserkreis, der irrt gewaltig. Denn wir leben in einem Land, in dem beispielsweise das absurde antizionistische Verschwörungsmachwerk eines gelernten Raumausstatters bis zum gerichtlichen Verbot eine fünf- wenn nicht gar sechsstellige Zahl von Käufern finden konnte. Ein Buch aus dem kleinen Stuttgarter Schmetterling-Verlag hat sich nun dem Phänomen Rechtsextremismus und völkische Esoterik angenommen.

Brigitte Baetz |
    In einer Zeitungsanzeige des Internet-Buchhändlers "Buecher.de" aus dem Jahr 1999 nannte der Fußballer Thomas Berthold in einer Art Prominenten-Steckbrief seine Lieblingsbücher. Unter der Rubrik Fachbuch stand Jan van Helsings "Geheimgesellschaften" - ein Werk, das seit 1996 nicht mehr vertrieben werden darf. Es verknüpft auf populäre Weise Weltverschwörungstheorien vergangener Jahrhunderte und Antisemitismus mit esoterischem Gedankengut. Seine Hauptthese: eine jüdisch-freimaurerische Elite strebt nach der Weltherrschaft:

    Wollen die 'Illuminati' also die Weltherrschaft erreichen, ist es der Weg zum Ziel, soviel Zwietracht wie möglich unter den Menschen und Nationen der Erde zu stiften, dass sich diese im Netz der Desinformationen so verheddern, dass sie niemals herausfinden werden, wer die wahren Urheber sind. Als mächtigstes Werkzeug, um die Zwietracht unter den Menschen zu säen, dienen den 'Illuminati' internationale GEHEIMGESELLSCHAFTEN (die wir gleich näher betrachten werden). Gleichzeitig werden die Menschen so lange in Kriege untereinander verwickelt, dass sie irgendwann so des Kämpfens müde sind, dass sie um eine WELTREGIERUNG 'flehen' werden. Die "Illuminati", von denen hier erzählt wird, sind nicht irgendwelche Leute, sondern es sind die reichsten Menschen dieser Welt. Sie tauchen weder im Fernsehen oder in sonstigen Medien auf, da sie nicht nur die Massenmedien, sondern auch alle Nachrichtendienste besitzen und daher kontrollieren. Und falls einmal etwas über diese Personen bekannt werden solle, ist es entweder neutral oder nur Positives.

    Jan van Helsing, geboren als Jan Udo Holey und gelernter Raumausstatter, ist der bekannteste Esoteriker im deutschsprachigen Raum. Bedenklich sind seine Schriften nicht nur deshalb, weil sie schlichten Unsinn verbreiten, sondern weil sie nationalsozialistisches Gedankengut und Symbolik in die Esoterik-Szene getragen haben. Zwar wird man sich fragen, wer z. B. seine waghalsigen Theorien über einen deutschen Weltraumflug im Jahre 1945 zum Sonnensystem Aldabaran nachvollziehen soll, aber, so die Autoren Friedrich Paul Heller und Anton Maegerle:

    "Ihre Gefahr liegt darin, dass die rechtsextreme Esoterik in eine Situation hineinwirkt, in der zwei parallele Tendenzen immer stärker werden und sich gegenseitig aufschaukeln können: Die erste Tendenz ist die Abwendung von der herkömmlichen, von Parteien getragenen Politik, die zweite das zunehmende Interesse an Esoterik. Helsing beackert das Feld, in dem diejenigen Wurzeln zu schlagen suchen, die sich von den dominierenden Institutionen (Parteien, Kirchen) abwenden und ihr Heil in der Esoterik suchen."

    In ihrem Buch "Die Sprache des Hasses" zeigen die Journalisten Heller und Maegerle - die Namen sind Pseudonyme -, wie sich aus der rechtsextremen Szene heraus eine Art neue völkische Bewegung zu etablieren versucht. Eine Szene, die sich aufspaltet in rechtsextreme Parteien, militante Neonazis, eine intellektuelle Neue Rechte, Antisemiten und braune Esoteriker, neuheidnische Sekten und den politisierten Teil der Dark-Wave-Szene. Die Tatsache, dass es keinen wirklichen Kopf der Bewegung gibt und auch keine politische Zentrale, ist, so die These der Autoren, kein Schwachpunkt, im Gegenteil:

    Die Wirkung der Gruppen und Organisationen ist weit größer, als es die Anzahl der Organisierten vermuten lässt. Sie verständigen sich über einen gruppenübergreifenden Code. Sie verfügen über einen Bestand an gemeinsamen Symbolen, der jenseits der Parteienprogramme und Leitartikel seinen Ort hat. Diese Symbole unterlaufen alle parteilichen Demarkationslinien und Streitigkeiten von Parteivorständen, die die Einigkeit der Rechten beschwören, solange sie selbst die alleinigen Führer sind. Die rechtsextreme Symbolik ist der Kitt, der der dumpfen Unzufriedenheit zur Artikulation verhilft.

    Die Schwarze Sonne beispielweise symbolisiert für die Eingeweihten die SS. In den Romanen des Altnazis Wilhelm Landig steht sie für das geheime selbständige Reich der Nationalsozialisten nach 1945. Historisch lässt sie sich auf die esoterischen Neigungen des Reichsführers SS Heinrich Himmler zurückführen. Eher "linke" Gedenktage wie der 1. Mai werden umgewidmet: zum Aufstand deutscher Arbeiter gegen ausländisches Kapital und ausländische Konkurrenz, das demokratische Mittel der Demonstration wird immer mehr zur Spezialität der Rechten. Andere Symbole sind die 88, die - analog der Reihenfolge der Buchstaben des Alphabets - für Heil Hitler steht, oder die Bezeichnung "Ostküste" für die jüdische Elite Amerikas, die angeblich die Welt unter ihre Herrschaft bringen will oder dies schon getan hat. "Ostküste" gehört auch zum Lieblingsvokabular des ehemaligen RAF-Anwalts Horst Mahler, der seinen Antisemitismus und Antiamerikanismus seit geraumer Zeit in der rechten Szene auslebt. Aber - wie Heller und Maegerle ausführen - Mahler ist nicht der neue Chefideologe der Neonazis, wie es häufig zu lesen ist. Seine eitle Selbstdarstellung und verquaste Intellektualität gewinnt ihm nur wenige Anhänger. Er ist nur eine Stimme unter vielen, die Irrationalismus, mythisches Gedankengut und Hass miteinander verbinden. Dabei ist es nicht mehr allein Deutschland, das im Mittelpunkt der Ideologie steht, sondern die "Völker Europas", die sich gegen Überfremdung und Weltherrschaft der Juden zu schützen haben. Jedoch wird in den meisten rechtsextremen Schriften nicht explizit zu Gewalt aufgerufen, doch ihre Notwendigkeit wird als unabdingbares Mittel der Notwehr suggeriert, so dass die Gefolgsleute sagen können: "Wir haben verstanden."

    Die Logik, dass es Schreibtischtäter geben muss, wenn es politische Verbrechen gibt, stimmt im Fall des deutschen Rechtsextremismus nicht. Es gibt keine "terroristischen Apparate" auf der Organisationsseite und ihre "willigen Vollstrecker" auf der Straße. Diese profillose Organisationsweise ist kein Zeichen von Schwäche. Das Konzept heißt "führerloser Widerstand" und "Hammer-Skins". Alle Individuen und Kleingruppen operieren unabhängig voneinander. Sie sind lone wolves, einsame Wölfe. Sie erhalten keine Befehle von oben und erstatten keine Meldung. Öffentliche Treffen und Kundgebungen werden vermieden, um nicht die Aufmerksamkeit der staatlichen Verfolgung zu erregen. Stattdessen werden gewaltbereite Kleinstgruppen gebildet. Diese Gruppen handeln, wenn sie fühlen, dass die Zeit dafür reif ist. Es geht um die Sache, nicht um die Organisation. Es gibt kein Zentrum, das zerschlagen werden könnte, um die Bewegung zu stoppen. Der deutsche Rechtsextremismus verknüpft dieses aus den USA stammende Konzept mit der Werwolf-Tradition.

    Die Vielfalt der Zungen, mit denen am rechten Rand geredet wird, ist gleichzeitig das Manko des vorliegenden Buches, das durchaus aufklärend wirkt, jedoch zu oft im Ungefähren verharrt. Die "Sprache des Hasses" wollen die beiden Autoren beschreiben und verlieren sich doch allzu oft im bloßen Nacherzählen obskurer Werke wie z. B. der Sonnengotttrilogie Jacques de Mahieus - ohne die Bedeutung und Verbreitung solcher Werke in der rechten Szene genauer einzuordnen. Wie ernst werden die Ausführungen des ehemaligen Rassetheoretikers und Mitglieds der SS de Mahieu genommen? Hier in den Worten Hellers und Maegerles:

    Der Wikinger Ullmann und seine Mannen durchzogen Venezuela, Guatemala und Kolumbien und hinterließen gleichsam im Vorbeigehen herrschende, kulturbringende Eliten, darunter einen Ritterorden der weißen Rasse und Runeninschriften. Dann kamen sie nach Peru. Dort gründeten sie ein Großreich. Der Wikingerhaufen, den de Mahieu auf ursprünglich "500 Personen im fortpflanzungsfähigen Alter" schätzt, hatten sich bis 1290 auf 80.000 Wikinger in Lateinamerika vermehrt. 250 Jahre lang herrschten sie über die unterjochten Völker. Im "verhängnisvollen Jahr" 1290 drangen die kriegerischen Araukaner nach Norden in dieses Großreich vor und besiegten zusammen mit anderen aufbegehrenden Völkern die herrschende Elite in mehreren Schlachten. Die Wikinger waren auf militärischen Posten über das ganze Großreich verstreut, so dass das Zentrum der Macht in Peru nur schwach geschützt war. Die letzte Schlacht wurde auf der Sonneninsel im Titicacasee gefochten. Hier führt de Mahieu einen seiner typischen etymologischen Beweise: Die beiden Buchstaben t und i können nur altgermanisch sein. Die Doppelung in Titicaca darf nicht Wunder nehmen: "Gibt es nicht im Schwarzwald einen See, der noch heute Titisee heißt?"

    Bei allem Vergnügen über diese Art von Pseudowissenschaft schwanken Heller und Maegerle bei ihrer Bewertung der neuen "völkischen Bewegung" zwischen Dämonisierung und Abwiegelung. Heißt es im Vorwort noch "Der Rassismus nach Auschwitz erklärt der Gesellschaft den Krieg", so resümiert der Epilog: "Vielleicht sollten die Kritiker der Rechten deren Erscheinungsbild weniger ernst nehmen" und empfiehlt eine Gegenkultur des Spottes. Da bleibt der Leser etwas ratlos zurück. Denn der Glaube, einer auf Aggressivität und Irrationalität gegründeten Subkultur mit Humor beizukommen, dürfte etwas naiv sein, zumindest wenn man gleichzeitig davon spricht, dass von ihr Gefahr für uns alle ausgeht.

    Brigitte Baetz über Friedrich Paul Heller und Anton Maegerle: Die Sprache des Hasses. Rechtsextremismus und völkische Esoterik. Erschienen im Schmetterling Verlag, Stuttgart. Das Buch umfasst 211 Seiten und kostet DM 26,80. Dafür erhält man nebenbei den wohl graphisch misslungensten Bucheinband des Jahres, neben dem selbst das Layout einer drittklassigen Schülerzeitung professionell wirkt.