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Friedrich: Wir brauchen mehr Gesetze im Anti-Terror-Kampf

In Berlin nimmt eine Regierungskommission zur Überprüfung der Anti-Terror-Gesetze ihre Arbeit auf. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) plädiert für eine Ausweitung der Gesetzgebung. Beispielsweise müssten die Ausweisungsgesetze insbesondere für Salafisten verschärft werden.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: 2011 verständigten sich Union und FDP darauf, die meisten der Anti-Terror-Gesetze zu verlängern, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geschaffen worden waren. Dazu zählt, dass Sicherheitsbehörden bei einem Terrorverdacht leichter Informationen über Telefondaten, Fluggäste oder Bankverbindungen einholen können. Die FDP hatte damals nur unter der Bedingung zugestimmt, dass eine Regierungskommission die Regelungen überprüft, und die tagt mit gewaltiger Verspätung erst heute.

    Am Telefon ist nun der Bundesinnenminister von der CSU. Guten Morgen, Hans-Peter Friedrich.

    Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen!

    Engels: Warum tagt denn diese Kommission erst jetzt das erste Mal, wo sie doch schon im Herbst 2011 beschlossen war?

    Friedrich: Na ja, wir haben gesagt, wir machen eine Kommission, die über Legislaturperioden, über Wahltage hinaus mal eine Gesamtbestandsaufnahme der Gesetzgebung der letzten 13, 14 Jahre vornimmt. Und deswegen ist es richtig, die auch mit Professoren, mit Sachverständigen einzusetzen. Wichtig ist, dass wir jetzt auch einbeziehen das, was sich in der Zwischenzeit im rechtsextremistischen Bereich getan hat, also NSU-Untersuchungsausschuss, diese Ergebnisse einzubeziehen. Aber auch die Bund-Länder-Kommission, die ja in dem Vorbericht angesprochen wurde, wird im Juni, Mai/Juni, ihren Abschlussbericht abgeben, auch der wird einbezogen, so dass wir am Ende eine Gesamtschau haben.

    Engels: Aber warum nun noch eine Extrakommission? Hätte man das nicht im Zusammenhang mit dem NSU-Untersuchungsausschuss und der Bund-Länder-Kommission zusammenfassen können?

    Friedrich: Na ja, der NSU-Untersuchungsausschuss beleuchtet diesen speziellen Bereich Rechtsextremismus. Und die Zusammenarbeit von Bund und Länderbehörden wird von der Bund-Länder-Kommission betrachtet. Und wir als Regierung müssen natürlich ein Gesamtbild über das Phänomen des Rechtsextremismus hinaus - auch Linksextremismus, auch Ausländerterrorismus, PKK - machen. Und dieses Gesamtbild herzustellen, das ist die Aufgabe der Regierungskommission.

    Engels: Aber wenn Sie im Mai erst aus anderen Kommissionen Abschlussberichte vorgelegt bekommen, was kann denn dann noch erreicht werden, denn im Herbst ist ja Bundestagswahl?

    Friedrich: Also noch mal: Es geht um eine Gesamtbestandsaufnahme dessen, was in den letzten Jahren an Gesetzgebung vorliegt. Dann müssen wir das verknüpfen sozusagen über die einzelnen Phänomene - Links-, Rechts-, Ausländerterrorismus - hinaus. Und dann müssen wir eine rechtliche und eine rechtspolitische Bewertung vornehmen. Das wird sich alles bis Juli machen lassen. Und die Empfehlungen an den Gesetzgeber, die könnten dann auch einfließen in Koalitionsverhandlungen im Herbst zum Beispiel.

    Engels: Dann versuchen wir es mal konkret. Welche Gesetze aus dem Anti-Terror-Katalog könnten denn Ihrer Ansicht nach wegfallen?

    Friedrich: Na ja, also ich glaube, dass die Bedrohungslage in den letzten zwei Jahren sich so entwickelt hat, dass man weiß, dass man eher mehr Gesetze braucht, um dieser internationalen Lage gerecht zu werden. Denken Sie jetzt an Mali, denken Sie an die Ausreise von vielen Salafisten nach Ägypten zur Weiterreise in die Ausbildungslager, die natürlich auch zurückkommen wollen. Denken Sie daran, dass wir in der Zwischenzeit einen islamistischen Anschlag in Frankfurt am Flughafen hatten. All diese Dinge müssen natürlich berücksichtigt werden. Die Sicherheitslage ist angespannt und deswegen muss man überlegen, wie kann man die Gesetzgebung der letzten Jahre so systematisch auf alle Phänomenbereiche ausweiten, damit wir da eine gute Sicherheitslage unseren Bürgern auch bieten können.

    Engels: Welches neue Gesetz wollen Sie konkret?

    Friedrich: Na ja, nun wissen Sie zum Beispiel, dass wir ja die Videoüberwachung ausweiten wollen. Ich denke daran, dass wir beispielsweise die Rechtsextremismusdatei im rechtsextremistischen Bereich haben. Man müsste darüber reden, ob wir auch eine Verknüpfung im linksextremistischen Bereich, im ausländerterroristischen Bereich, im Spionagebereich machen. Das wäre ebenfalls zu überlegen. Eine breitere Basis für diese neuen elektronischen Medien. Das ist wichtig. Und ich würde gerne und ich glaube, auch mit Übereinstimmung des Generalbundesanwaltes, dass die Stellung des Generalbundesanwaltes gestärkt wird. Wir sind dabei, ja die Zentralstellenfunktion des Bundesverfassungsschutzes auch in Bezug auf die Länder zu stärken, und ich denke, auch der Generalbundesanwalt muss eine stärkere Zentralstellenfunktion haben als bisher.

    Engels: Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will dagegen eher abbauen. Sie will gegen Überschneidungen und Mehrfachzuständigkeiten vorgehen. Können Sie ihr da entgegenkommen?

    Friedrich: Na gut, also natürlich wird man sich anschauen, gibt es Überschneidungen, gibt es Zuständigkeiten, gibt es mehr Effizienzmöglichkeiten. Das ist immer richtig. Ich bin allerdings dagegen, Mammutbehörden zu schaffen, also zum Beispiel zu sagen, wir fusionieren jetzt den Verfassungsschutz mit dem MAD. Der MAD hat ja sehr spezifische militärische Aufgaben. Jetzt Mammut-Behörden quer durch die Republik zu errichten, davon halte ich wenig, sondern ich halte etwas von leistungsfähigen kleinen Einheiten, die aber vernetzt sind, so dass man mit den elektronischen Möglichkeiten auch eine schlagkräftige Abwehrsituation hat.

    Engels: Da zeigt sich, dass Sie in vielen Situationen doch natürlich einen anderen Kurs vertreten als die FDP. Nun haben Sie sich auch in der "Augsburger Allgemeinen" zum alt bekannten Zankapfel Vorratsdatenspeicherung geäußert. Sie sagten dort, es gebe ein Versäumnis, das man der FDP nicht durchgehen lassen könne. Denken Sie, harsche Kritik am Gesprächspartner im Vorfeld führt zu besseren Ergebnissen?

    Friedrich: Na ja, man wird ja mal sagen dürfen, was wahr ist. Tatsache ist, dass unsere Sicherheitsbehörden dringend die Möglichkeit brauchen, auf Daten zurückzugreifen, die zu einer besseren Verfolgung, Strafverfolgung, aber auch im präventiven Bereich möglicherweise sinnvoll sind. Wir stellen momentan fest, dass Cyber Crime, dass also die Kriminalität im Netz zunimmt, wir aber mehr Instrumente brauchen für unsere Polizeikräfte, für unsere Sicherheitsbehörden, um die Bürger auch effizient zu schützen. Und auch darüber muss man in der Kommission reden. Das machen wir ohne Schaum vorm Mund, aber mit deutlicher Sprache. Das ist überhaupt keine Frage

    Engels: Die FDP lehnt das ab, das ist bekannt. Wie wollen Sie denn dem Eindruck entgegentreten, diese Kommission sei nur ein Vehikel für die gegensätzlichen Wahlkampfargumente von Union und FDP zur inneren Sicherheit?

    Friedrich: Also es gibt natürlich immer auch verschiedene Auffassungen, was das Thema innere Sicherheit angeht und die Instrumente, die rechtlichen Instrumente, die politischen Instrumente. Und deswegen ist es richtig, auch diese Auseinandersetzung zu führen, auch mit Experten, auch mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung. Man kann es nicht alles immer hinter verschlossenen Türen machen. Und ich denke, dass das richtig ist, dass wir diese Arbeit beginnen. Wie gesagt: über den Wahltag hinaus. Das endet nicht am Wahltag, sondern das ist eine grundlegende Arbeit, die auch in der nächsten Wahlperiode von Interesse sein wird.

    Engels: Klingt aber trotzdem so, als passe Ihnen das sehr gut in den Wahlkampf?

    Friedrich: Ja gut, also seine Position darzustellen, das ist ja auch durchaus sinnvoll im Wahlkampf, damit die Bürger wissen, was sie wählen sollen.

    Engels: Dann schauen wir noch kurz auf ein anderes Thema, das am Wochenende Schlagzeilen machte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich besorgt darüber geäußert, dass viele Islamisten aus Deutschland nach Ägypten ausgereist sind. Sie haben es eben auch angesprochen. Von dort reisten sie dann in andere arabische Länder in Ausbildungscamps und kehrten dann womöglich nach Deutschland zurück. Was können deutsche Behörden tun?

    Friedrich: Nun gut, also man versucht natürlich, im Vorfeld mit den Restriktionen, die möglich sind, also Passentzug, um sie überhaupt an der Ausreise zu hindern, zu agieren. Ich will gerne verschärfen die Ausweisungsgesetze für Gewalttätige und Salafisten, die zu Gewalt aufrufen. Das werde ich der Innenministerkonferenz im Mai vorlegen, Verschärfung der Ausweisungsgesetze. Aber wir müssen natürlich vor allem wachsam sein, wenn es um die Wiedereinreise dieser Menschen geht, denn die haben überwiegend ein Ziel, nämlich in Deutschland, in Europa Anschläge zu planen, auszuführen. Und das muss gemeinsam von den europäischen Behörden - und wir sind da in gutem Kontakt mit unseren europäischen und auch amerikanischen Freunden -, das müssen wir gemeinsam verhindern.

    Engels: Muss man auch die Reisebestimmungen mit Ägypten verschärfen? Dorthin kann man ja derzeit als Deutscher einfach mit dem Personalausweis reisen.

    Friedrich: Wir werden sehen, was wir da an Möglichkeiten der Beschränkung generell haben. Ich sehe das mit großer Sorge, was in Ägypten passiert, was auch an Machtvakuum an der einen oder anderen Stelle besteht. Es entsteht dort eine Infrastruktur, eine Art Plattform, wo gewaltbereite Salafisten sozusagen anreisen und von dort aus weitergeschleust werden nach Somalia, möglicherweise auch nach Mali in diese Krisenregion jetzt. Insofern sind wir dabei, alle Möglichkeiten, die wir jetzt schon haben, zu nutzen und darüber hinaus zu prüfen, welche zusätzlichen Beschränkungen - auch das, was Sie angesprochen haben - es gibt. Es ist immer auch in dieser Frage auf der einen Seite das große Ziel der Reisefreiheit, auf der anderen Seite aber darf es keinen Kontrollverlust der freien Staaten geben, weil wir sonst ausgeliefert sind. Und diesen Spagat muss man bewältigen.

    Engels: Die Vorstellungen zur inneren Sicherheit besprachen wir mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Vielen Dank für das Gespräch.

    Friedrich: Gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.