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Frischzellenkur für Wien

Ab 2014 wird Markus Hinterhäuser, bisher Chef der Salzburger Festspiele, die Leitung der Wiener Festwochen übernehmen. Zusammen mit Shermin Langhoff, der bisherigen Leiterin des Berliner Theaters "Ballhaus Naunynstraße". Eine gute Wahl.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Nicht immer sind kulturpolitische Entscheidungen so weise wie die Berufung Markus Hinterhäusers als Chef der traditionsreichen Wiener Festwochen ab 2014. In Salzburg küsste der auch als Pianist sehr erfolgreiche Wahlösterreicher das Festspielpublikum wach - mit ungewöhnlichen Spielorten, eigenwilligen Interpreten und jeder Menge, bisher an der Salzach unerhörter Musik.

    Manche Küsse wurden freilich auch zu Bissen, wer leichte Konzert-Kost will, der ist bei Hinterhäuser fehl am Platz. Fehl am Platz sind aber auch jene Klangtüftler, denen es nur um den sogenannten Materialfortschritt geht, die mit und durch ihre Musik nichts Existentielles, Authentisches oder Spirituelles vermitteln wollen. Besonders gern hat Hinterhäuser die etwas skurrilen Schöpfer neuer Tonwelten: John Cage, Luigi Nono oder Salvatore Sciarrino zählen zu seinen Heroen.

    In diesem Sommer ist er nach einigen Jahren als Konzertchef für eine Saison Intendant der Salzburger Festspiele, und gleich zu Beginn wird die ganze Stadt eingeladen, Musik zu machen. Ob Geigen, Flöten, die eigene Stimme oder Müllautos und Straßenlärm, alles soll hier klingen und schwingen - die Idee geht zurück auf den von John Cage konzipierten "Music Circus".

    Wenn Hinterhäuser 2014 dann gemeinsam mit der Berliner Theaterfrau Shermin Langhoff die Wiener Festwochen übernimmt, dürfte sich auch dort das Klima ändern. Momentan sorgt Intendant Luc Bondy für reichlich Retrostimmung, und Musikchef Stéphane Lissner bietet alljährlich ein Konzertprogramm, das mit dem Begriff "uninspiriertes Recycling" noch freundlich beschrieben ist.

    Bondy wird bald Chef des Pariser Théâtre de l'Odéon, wo er den sehr experimentierfreudigen Olivier Py vertreibt. Und auch die Salzburger Festspiele könnten ab 2012 unter ihrem neuen Chef Alexander Pereira wieder mehr alt-gieriges Publikum anlocken. Pereira hat nämlich ein großes Herz für die konservativen, Rampentheater-orientierten Regisseure.

    So könnten sich bald die Gewichte verschieben: In Wien, wo an diversen Spielstätten (Staatsoper, Volksoper, Volkstheater, Theater in der Josefstadt) heute pures Theatermuseum herrscht, kann das neue Festwochen-Team für frischen Wind sorgen. In Salzburg dagegen wird sich vielleicht wieder das Starkarussell wie zu Karajans Zeiten drehen.

    Die Entscheidung für Markus Hinterhäuser dürfte den verantwortlichen Kulturpolitikern übrigens aus einem eher simplen Grund nicht schwer gefallen sein: Die Auslastung in Salzburg ist nämlich unter Hinterhäuser sogar noch gestiegen. Mutig ist die Wahl also nicht unbedingt, aber richtig und wichtig.