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Fritz Goergen: Skandal FDP. Selbstdarsteller und Geschäftemacher zerstören eine politische Idee.

Zu unserer nächsten Neuerscheinung: Fritz Goergen heißt der Mann, der Guido Westerwelle im letzten Bundestagswahlkampf beraten hat. Manche nennen ihn gar den "geistigen Vater" der berühmt-berüchtigten "Strategie 18". Durch einen Imagewandel wollte er die FDP damals von dem Ruf befreien, "Partei der Besserverdienenden" zu sein. Die Liberalen sollten zur Partei fürs ganze Volk werden. Als seine Strategie dann spätestens im Schatten der hausgemachten Antisemitismusaffäre zur Farce verkümmerte, trat Goergen aus der Freien Demokratischen Partei aus – nach mehr als 30 Jahren. Jetzt hat er ein Buch über sein politisches Leben geschrieben und rollt auf knapp 300 Seiten die Geschichte der FDP seit ihrer Gründung nochmals auf – aus einer Perspektive, die seine Parteifreunde von einst nicht gerade begeistern dürfte. Eine Rezension von Mandy Schielke..

Von Mandy Schielke |
    Frühling 2000 – noch gut zwei Jahre bis zur Bundestagswahl. Die FDP erprobt in Nordrhein-Westfalen ein neues Wahlkampfkonzept – mit Fallschirmsprüngen und provokanten Plakaten. Jürgen Möllemann landet ein Superergebnis. Der '18 Prozent’ -Rausch der Freien Demokraten beginnt. Fritz Goergen war damals Berater von Möllemann. Er sorgte für spektakuläre Fernsehbilder. Stolz erzählt er in seinem Buch von diesen - schönen Tagen - in der FDP.

    Den Landeswahlparteitag 2000 inszenierten wir vor einer Kulisse von richtig großen Bildern. Dieses Mal nicht in einem klaustrophoben Saal wie im letzten Jahr in Düsseldorf, sondern in der eigentlich viel zu großen Essener Gruga-Halle. Das hatte die FDP noch nicht getan. Westerwelle kam, sah sich um und sagte zu mir: 'Ja Fritz, das ist der Auftritt einer großen Partei.

    Die FDP ist eine kleine Partei geblieben. Nach Meinung des Autors ist daran nicht Jürgen Möllemann Schuld, nicht seine verbale Attacke auf Michel Friedmann und auch nicht der Stil des letzten FDP Wahlkampfes, formerly known als "Spaßwahlkampf". Die FDP sei an sich selbst gescheitert, schreibt Goergen - an ihrer Arroganz und an ihrer Machtgier. Westerwelle und Co hätten das eigentliche inhaltliche Fundament der Strategie ignoriert.

    Das was eigentlich gewollt war, war eine Strategie der Eigenständigkeit, die FDP aus ihrer Rolle des ewigen Mehrheitsbeschaffers, des Wurmfortsatzes zu befreien und auf diese Idee bin ich nicht als erster gekommen. Ich beschreibe und erzähle das in meinem Buch auch. Das haben auch früher Leute, wie der einzige wirkliche Generalsekretär, Karl Flach, schon versucht und das haben andere vorher schon aufgeschrieben und auch versucht. Das war die erneute, vielleicht letzte Möglichkeit, die FDP in eine Strategie der Eigenständigkeit zu führen, sozusagen von einer Partei der zweiten Wahl zu einer Partei der ersten Wahl.

    Eine vertane Chance. Fazit Goergen zieht das Fazit: Deutschland braucht die FDP nicht mehr. Sie habe keine inhaltliche Notwendigkeit und auch als Mehrheitsbeschaffer für Regierungsbildungen werde sie nicht mehr benötigt. Aber der Autor Fritz Goergen ist kein Politikwissenschaftler, kein nüchterner Analytiker des bundesdeutschen Parteinsystems. Ihm fehlt die Distanz zu der Partei, über die er schreibt. Sein Schicksal ist eng mit dem der Liberalen verwoben. Seit den späten 60ern war der gebürtige Österreicher Parteimitglied, dann Bundesgeschäftsführer unter Hans-Dietrich Genscher. Und das macht es schwer, seine harten Worte gegen die Parteispitzen von heute und damals zu schlucken. Ein Beispiel:

    Mancher sprach nach Rexrodts tragischem Tod vom Verlust eines persönlichen Freundes. Rexrodt hatte unter den FDP-Oberen keinen Freund. In diesen Kreisen ist jeder jedes Feind.

    Goergen hingegen sieht sich als Idealist. Das wird in seinem Buch an vielen Stellen deutlich. Er kommt aus der sozialliberalen Ecke der FDP. Dort versammelten sich früher auch Günther Verheugen und Ralf Dahrendorf. Seine ehemaligen Weggefährten haben schon lange nichts mehr mit der FDP am Hut. Goergen hingegen hat über Jahre hinweg für die liberale, die sozialliberale Sache der FDP gekämpft – letztlich erfolglos. Dass das an ihm zehrt, verrät sein Buch nur allzu deutlich. Wenigstens hier will er das letzte Wort haben.

    Als Partei existieren, mag die FDP noch länger, mal in mehreren Ländern gar nicht im Parlament, oder im Parlament aber nicht in der Regierung. Im Bund jetzt schon lange nicht mehr in der Regierung und vielleicht noch länger nicht. Aber dann dieser Auszehrungsprozess, der setzt sich ja fort, je länger das andauert. Und dann ist die FDP vielleicht physisch als Parteiorganisation immer noch da aber wird weder für den Liberalismus, für die liberale Idee gebraucht, noch für Mehrheitsbildungen in Regierungen.

    Die Rolle des Mehrheitsbeschaffers für die SPD haben die Grünen der FDP abspenstig gemacht. Die Liberalen können nicht mehr wie früher von einer Koalition zur anderen hüpfen, hin und her zwischen Sozialdemokraten und Union. Spätestens seit der ersten Rot-Grünen Bundesregierung ist das vorbei. Die Oppositionszeit hätte die FDP-Spitze deshalb nutzen müssen, um sich wieder auf ein inhaltliches Programm zu konzentrieren. Aber eben das habe Westerwelle nicht getan, lautet Goergens Vorwurf. Auch die wirtschafts-– und bildungspolitischen Vorschläge, die in der 'Strategie 18’ steckten, habe die FDP-Führung nicht ernst genug genommen. Und das Wichtigste: die FDP habe es nicht geschafft, Wirtschaftsliberale und Sozialliberale zu versöhnen. Deshalb habe die Partei ihre eigene politische Identität auch nicht gefunden. Eine Kritik, die der Autor mehrmals wiederholt.

    Spaß macht das Buch, wenn Goergen von den detaillierten, manchmal ermüdenden Darstellungen der Verwicklungen und Intrigen ablässt und sein Insider-Wissen dazu nutzt, zu beschreiben - wenn Goergen beispielsweise aus den achtziger Jahren erzählt, von Hans Dietrich Genscher, von dessen Körpersprache und Harmonie-streben oder wenn er beschreibt wie es war, als Politik noch in Bonn gemacht wurde und die FDP-Bundesgeschäftsstelle wenig pompös neben einer Tankstelle lag. Aber das sind Nebenschauplätze. Darum geht es Goergen nicht. Er will parteiinterne Machtspiele offen legen. Und er will sein Bild in der Presse gerade rücken. Denn auch von Journalisten fühlt er sich missverstanden und hintergangen. Besonders intensiv beschäftigt sich der Autor dabei mit der Wochenzeitung Die Zeit. Von ihr fühlt er sich verleumdet, denn im Sommer 2002 erschien ein Portrait über ihn mit dem Titel "Der Anstifter".

    Alle wörtlichen Zitate erschienen entgegen der Absprache unabgestimmt. Die Botschaft lautete böse und primitiv: Gemeinsam mit Möllemann ziele ich mit der Strategie 18 auf antisemitische Wähler, auf nackten Rechtspopulismus. Eine Woche vorher hatte sich Lambsdorff noch im Spiegel mit der Bemerkung zitieren lassen, ich hätte Möllemann dringend geraten, die Operation Karsli zu beenden. Jetzt ließ er die Lüge in der Zeit undementiert, ich hätte Mitte der neunziger Jahre offen Sympathien für Haider gezeigt und ihn der FDP Führung empfohlen, weswegen er, Lambsdorff sich geweigert habe, mit mir zusammenzuarbeiten.

    Goergen behauptet, dass ihn die Antisemitismusaffäre und die darauf folgenden presserechtlichen Auseinandersetzungen ruiniert hätten – auch finanziell. Otto Graf Lambsdorff habe Goergen durch seine öffentlichen Bemerkungen noch mehr in die Bredouille gebracht. Auch deshalb scheint der Autor besonders hart mit dem ehemaligen Parteikollegen ins Gericht zu gehen. Dafür nutzt er die ausführlichen Passagen des Buches über die finanziellen Machenschaften der FDP. Bekanntlich war auch Lambsdorff einmal FDP-Schatzmeister.

    Wer in all den Jahrzehnten den Führungsgremien der FDP angehörte, wusste, dass es bei den Finanzen regelmäßig nicht legal zuging. Auf die Schatzmeister blickten deshalb auch viele mit einer Mischung von Dankbarkeit, Misstrauen und Respekt. Dankbarkeit, dass einer das Geld besorgte, ohne die anderen mit dem Wissen des Wie zu belasten. Misstrauen, wie viel Einfluss so einer wohl nimmt. Und Respekt vor dem Risiko, das so einer auf sich lud.
    Auch die FDP nahe Friedrich-Naumann Stiftung sei für illegale Finanzierungen missbraucht worden, berichtet der Autor. Seine eigene Rolle dabei lässt Goergen offen. Immerhin war er dreizehn Jahre lang selbst Vorsitzender der Stiftung. Und es ist bekannt, dass auch gegen Goergen ermittelt wird, weil er vor knapp drei Jahren für Möllemann eine Million Euro aus Luxemburg geholt haben soll. Dennoch Goergen will offensichtlich zum weiteren Nachforschen anregen. Seine Zeilen scheinen für ihn einen kathartischen Effekt zu haben. Und auch der Eindruck, Goergen gehe es in seinem Buch nicht nur um Aufklärung, sondern auch um Rache lässt sich nur schwer unterdrücken, wenngleich der Autor dies bestreitet.

    Ich schreibe über die FDP, weil das die Partei ist, in der ich über dreißig Jahre gelebt habe. Aber ich schreibe in einem Gutteil über alle deutschen Parteien, denn es geht über weite Strecken in allen deutschen Parteien so zu. Überall wird Karriere auf diese Weise verfolgt überall ist Partei zum Beruf heruntergekommen und hat sich von der ursprünglichen Berufung entfernt. Insofern kann jeder, der das Buch liest fasst genauso viel über die anderen Parteien erfahren, wie über die Partei selbst.

    Also keine Abrechnung.

    Und wenn es dann eine Abrechnung ist, dann ist es eine Abrechnung mit mir selbst.

    Mandy Schielke über Fritz Goergen: Skandal FDP. Selbstdarsteller und Geschäftemacher zerstören ein politische Idee. Erschienen bei der Brunomedia Verlags GmbH Köln, das Buch ist 286 Seiten stark und kostet 19 Euro und 80 Cent.