Unterwegs im Militärabschnitt Khaser. An der Frontlinie zum sogenannten Islamischen Staat. 30 Kilometer westlich von Erbil. Die Peschmergas, zu Deutsch 'die dem Tod Geweihten', kämpfen hier gegen Daesh, den IS. Hauptmann Herki leitet hier einen Trupp aus zwei Dutzend Soldaten an. Von einer Anhöhe schaut er in die staubige Ebene:
"Wir sind auf der Hut vor dem IS. Gestern kam ein Selbstmord-Attentäter mit dem Auto bis zu einem unserer Vorposten. Wir haben drei Mann verloren. Heute früh gab es Gefechte mit Kleinkalibern, im vorgelagerten Verteidigungsring, ein paar hundert Meter von hier."
Militär-Standards nach westlichem Verständnis erbärmlich
Es ist ein Stellungskrieg. Ohne Großoffensiven in diesen Tagen. Der Vorposten, den Hauptmann Herki befehligt, ist einer von 20 aufgeschütteten Hügeln entlang des Frontabschnitts. Spartanisch geht es hier zu, für westliche Militär-Standards erbärmlich.
"Die Peshmerga kämpfen hier für den Rest der Welt. Die Front mit dem IS im Irak ist rund 1.000 Kilometer lang, 40 Kilometer allein an unserem Abschnitt. Wir brauchen mehr Hilfe aus dem Ausland. Mehr Munition und Unterstützung aus der Luft."
Peschmerga als Vorhut der 50-Nationen starken Anti-IS-Koalition
Aufgeschichtete Sandsäcke dienen den Peschmerga als Schutz vor Geschossen. In den Berg sind provisorische Unterkünfte gegraben zum Schlafen. Überdacht mit Holzplatten und Geröll. Junge und ältere Männer mit Stoppelbart schieben Wache bei 50 Grad in der Sonne und einem Schilfdach zum Schutz über dem Kopf. Sieht so die Vorhut der mehr als 50-Nationen starken, vom Westen geführten Anti-IS-Koalition aus?
"Unsere Waffen sind noch aus der Zeit von Saddam Hussein," so dieser Offizier. "Veraltet also. Unsere Pick-Up-Fahrzeuge sind oft nicht ausreichend gepanzert." Deutsche Waffen stehen bei den Peschmerga deshalb hoch im Kurs.
"Die beste Waffe ist die deutsche Milan Anti-Panzerrakete. Sie kann über mehrere Kilometer zielgenau Fahrzeuge zerstören. Das können nicht viele von unseren Waffen."
Über 500 Milan-Raketen hat Deutschland der Regierung von Präsident Barzani seit 2014 geliefert. Tückische Waffen: denn beim Aufprall verstreuen die Milan-Raketen radioaktiv und toxisch wirkenden Staub der gesundheitliche Schäden hinterlässt. Saman Sorani, Berater der Regierung in Erbil, ist gleichwohl überzeugt:
"Von Deutschland wünschen wir uns mehr militärische Unterstützung. Frau von der Leyen war zweimal hier. Sie weiß genau, welcher Mangel an modernen Geräten besteht, die wir noch nicht bekommen haben in der Auseinandersetzung gegen Daesh."
Bundesregierung will kurdische Peschmergas effektiver trainieren
Letzte Woche erst hat die Bundesregierung zugesagt, die kurdischen Peschmergas effektiver trainieren zu wollen. Und das kurdische Militär auf die Rückeroberung von Mossul mit vorzubereiten. Mossul ist die letzte Millionen-Stadt im Irak, die noch in den Händen des IS ist. Ein Symbol, weiß auch Kemal Kirkuki. Der ältere Herr gehört zur politischen Führung Kurdistans und zeigt mir stolz ein Fluggerät von etwa zwei Metern Spannweite. Eine Drohne, die man vom IS abgefangen habe.
"Daesh ist immer gefährlich. Das ist eine große Organisation. Meisten waren sie früher mit Saddam Hussein. Dann mit Al Kaida. Dann sind sie zu Daesh geworden. Nach ihnen mögen andere Organisationen kommen. Dann werden sie dabei sein. Wir dürfen Daesh nicht erlauben, dass sie unsere Dörfer wegnehmen. Wir müssen einen guten Plan haben."
Einen guten Plan für die Rückeroberung von Mossul. Wenn Vorhersagen stimmen, soll sie bald erfolgen, spätestens Anfang nächsten Jahres.
"Man möchte nicht, dass so viele Flüchtlinge herkommen. Man will auch nicht so viele zivile Opfer. Mosul hat fast 4 Millionen Einwohner. Es muss Bodentruppen geben zur Befreiung. Mossul ist zur Zeit von drei Seiten von den Kurden umzingelt. Aber die Innenstadt ist in der Hand von Daesh."
Riesige Flüchtlingslager um Erbil und Duhok
Erbil und Duhok, zwei der kurdischen Großstädte nahe der Frontlinie, sind schon jetzt umgeben von vielen riesigen Flüchtlingslagern, jedes für sich eine Kleinstadt dicht gedrängt Zelt an Zelt. In Duhok kommen auf rund 500.000 Einwohner ebenso viele Flüchtlinge. Kae Bahar ist kurdischer Filmemacher und dokumentiert das Lagerleben:
"Im Sharia-Flüchtlingslager haben anfangs 20.000 Jesiden gelebt. Jetzt sind es noch 10.000. Viele sind nach Deutschland gegangen. Es ist unwürdig hier. Nach Shingal und ins Sindshar Gebirge, wo sie herkommen, können die Menschen noch nicht zurück. Teilweise ist der IS dort noch aktiv."
Als der IS nach Shingal kam, hat sich ein Teil der arabischen Bevölkerung ihm angeschlossen. Freiwillig oder gezwungen. Jesiden und Kurden wurden von den eigenen Nachbarn getötet. So ist jegliches Vertrauen erloschen, in die Heimatdörfer zurückzugehen. Die Menschen in den Lagern hier wollen, dass die internationale Anti-IS-Koalition die Bedingungen schafft dafür, dass sie zurückgehen können.