Es waren Ärzte, Rechtsanwälte, Hochschullehrer, nationalkonservative Aristokraten unter jenen 35 Abgeordneten des Front national, die vor 30 Jahren ins Parlament gewählt wurden, und sie verliehen ihrer Partei zunächst ein durchaus respektables Äußeres. 9,6% der Stimmen hatte sie bei den Parlamentswahlen bekommen, erst wenige Monate zuvor hatte Präsident Francois Mitterand das Verhältniswahlrecht durchgesetzt – so kam es zu vergleichsweise vielen Sitzen.
Doch zwei Jahre später, 1988, kehrte man zum Mehrheitswahlrecht zurück: bei den Parlamentswahlen noch im selben Jahr verlor der Front national alle Sitze wieder – bis auf einen einzigen. Während dieser zwei Jahre brachte der Front national 63 Gesetzesvorschläge ein, darunter die Forderungen, die Todesstrafe wieder einzuführen und die "préférence nationale" zum Gesetz zu machen: wonach - zum Beispiel – Arbeitsplätze bevorzugt, Sozialhilfen indes ausschließlich an französische Staatsbürger vergeben werden sollten. 1972 war die Partei gegründet worden, u.a. von Jean-Marie Le Pen.
"Ich sage nicht, dass die Gaskammern nicht existiert haben. Ich habe sie nicht selber sehen können, ich habe zu dieser Frage keine Studien angestellt - aber ich glaube: diese Frage ist nur ein Detail der Geschichte des 2. Weltkriegs."
Antisemitische Parolen wie diese von 1987 bildeten einen scharfen Kontrast zu dem "durchaus respektablen Äußeren" der Gruppe der 35 Abgeordneten, viele gingen schon bald – desillusioniert - auf Abstand zu ihrem Parteivorsitzenden. 25 von ihnen sollten später ganz mit ihrer Partei brechen, nur zwei von ihnen sind heute noch aktiv. Die Entwicklung der Partei vollzog sich krisengeschüttelt und eruptiv: Hatte man zunächst noch Selbstständige und Mittelständler umworben, suchte Jean-Marie Le Pen seine Wähler bald gezielt unter den Arbeitern und Arbeitslosen im Norden und Osten Frankreichs.
Marine Le Pen gibt der Partei ein neues Image
Auch die Spaltung der Partei 1998 konnte Jean-Marie Le Pen nichts anhaben, 2002 schaffte er - Höhepunkt seiner Karriere - den überraschenden Einzug in die Endrunde der französischen Präsidentschaftswahl gegen Jacques Chirac. Seine Tochter Marine Le Pen übernahm 2011 das Amt der Parteivorsitzenden – nach heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen mit Bruno Gollnisch, der einer jener 35 Abgeordneten in der Nationalversammlung gewesen war. Jenseits antisemitischer Parolen versucht Marine Le Pen dem Front national ein neues Image zu geben.
Nicht von einer rechtsextremen Partei sei sie, sondern: die Repräsentantin einer patriotischen und einer nationalen Partei. Gegen das System sei sie und daher auch die Kandidatin der jungen Leute. Grenzen müssten wieder gezogen werden, nationale Grenzen, um einen "intelligenten Protektionismus" ins Werk zu setzen. Gegen den Euro und gegen die europäische Einigung, die Flüchtlingsbewegung nennt Marine Le Pen eine "Invasion". Diese Haltung kommt an. Bei Europa- und Regionalwahlen wurde der Front National schon die drittstärkste politische Kraft in Frankreich, die auch dabei ist, sich – wie vor 30 Jahren – wieder ein "durchaus respektables Äußeres" zu geben: mit gebildeten, elegant gekleideten, souverän auftretenden Herren in wichtigen Parteiämtern. Generalsekretär Nicholas Bay etwa, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der AfD zum Wahlerfolg gratulierte.
"Ich hoffe, dass die AfD weiter so erfolgreich ist! Ihr Erfolg zeigt, dass es ein Aufwachen der europäischen Völker gibt: in Deutschland, in Ungarn, in Polen, wir erleben das in Großbritannien, in Frankreich insbesondere – überall revoltieren die Bürger gegen das Diktat von Brüssel, gegen die Überflutung durch Einwanderer – und ich glaube, das ist eine klare Botschaft an Frau Merkel, die verantwortlich ist für diese Überflutung. Eine Million illegal eingereister Arbeiter – die Deutschen haben dagegen demonstriert, man hat nicht darauf gehört, die Konsequenzen haben wir in Köln zu Beginn des Jahres gesehen."
Umfragen sehen Marine Le Pen derzeit übrigens sicher in der Stichwahl zur nächsten französischen Präsidentschaft, 2017.