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Front National im Umfragehoch

Frankreichs Front National schwimmt auf einer Erfolgswelle: Die rechtsextreme Partei fährt die besten Wahlergebnisse ihrer Geschichte ein, ihr Einfluss nimmt zu. Nun droht Parteichefin Le Pen wegen islamfeindlicher Äußerungen eine Gefängnisstrafe - und selbst davon profitieren die Rechten.

Von Christiane Kaess |
    Ein Jahr Gefängnis und eine Geldstrafe von 45.000 Euro drohen Marine Le Pen sollte sie verurteilt werden. Dass das Europaparlament ihre Immunität wegen islamfeindlicher Äußerungen aufgehoben hat und damit den Weg freigemacht hat für ein Strafverfahren, kümmert die Chefin des rechtsextremen Front National wenig. Sie stilisiert sich als Opfer der Redefreiheit. Sie steht zu ihren Worten und nutzt weiterhin jede Gelegenheit, ihre Ideologie los zu werden. Gefragt nach der aktuellen politischen Lage in Ägypten sagt sie:

    "Die französischen Verantwortlichen müssen vor allem verhindern, dass wir hier in Frankreich eines Tages die gleiche Situation haben wie in Ägypten. Das kann passieren: Wenn wir den Forderungen der Islamisten in Frankreich nicht sofort Einhalt gebieten, können auch wir uns zwischen zwei gesellschaftlichen Projekten wieder finden, die nicht zusammenpassen und die - genauso wie jetzt in Ägypten - diese Konflikte herauf beschwören."

    Die Front National schwimmt auf einer Erfolgswelle: das beste Ergebnis der Partei seit ihrer Gründung bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr und wachsender Einfluss: Unter ihrem Druck wurde in den letzten Jahren den Muslimen verboten, öffentlich auf der Straße zu beten oder muslimischen Frauen, sich zu verschleiern. Magali Balent, Politikwissenschaftlerin der Robert Schuhmann Stiftung und des Instituts für Internationale und strategische Beziehungen sieht mehrere Gründe für die anhaltenden Beliebtheit der Partei – allen voran:

    Magali Balent: "Die wirtschaftliche und soziale Krise. Sie hat die Bevölkerung ärmer gemacht, Spannungen provoziert, sie ist eine Art von Herabstufung – viele haben Angst vor der Zukunft. Und die derzeitige Regierung ist in ihren Augen nicht fähig, die Probleme zu lösen."

    Hinzu kommen die Ursachen, die die Front National groß gemacht haben: die Immigration, das Verschwinden der Grenzen in Europa, eine stärker werdende Europäischen Union – schlussendlich die Frage: Wer sind wir? Diese Themen greift die Front National stärker auf alle anderen Parteien. Die ruinieren zudem ihren Ruf mit Affären um Korruption. Bei der konservativen UMP würde man am liebsten Ex-Präsident Sarkozy zurückholen – amüsiert sich Marine Le Pen:

    "Das ist doch ein Versteckspiel. Seit Monaten sagt Sarkozy: Ich komme zurück, nein doch nicht, nein doch. Ein Mann, der seine eigene Instabilität begründet. Seine Partei schwankt auch deshalb so stark. Von der UMP fühle ich mich nicht bedroht. Dort ist man nur mit sich selbst beschäftigt, anstatt sich um Frankreich zu kümmern."

    Das hat man bei der UMP längst erkannt. Anfang der Woche - nach der ersten Rede Sarkozys in der Parteizentrale seit dessen Wahlniederlage - ermahnt Parteichef Jean-Francois Copé eine Partei, die vom Zerfall bedroht ist:

    "Alle haben verstanden, dass es weiter gehen muss mit der politischen Rechten. Wenn es die UMP nicht mehr gäbe, würde die politische Diskussion beschlagnahmt von der Linken, die alle Macht hat – und vom rechtsextremen Front National."

    Internes Krisenmanagement dominiert auch bei den regierenden Sozialisten. Neben der katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung im Land und einer drastisch gesunkenen Beliebtheit bei den Wählern, müssen sie auch noch um die Treue des grünen Koalitionspartners fürchten. Bei den Wahlen im kommenden Frühjahr wollen die Grünen lieber eigene Listen aufstellen als gemeinsame mit den Sozialisten. All dies könnte der Front National bei den Kommunalwahlen und vor allem bei den Europawahlen 2014 etliche Wählerstimmen einbringen – laut Umfragen sogar mehr als der Sozialistischen Partei. Und noch etwas zeigen jüngste Erhebungen: Marine Le Pen ist es gelungen, den Rechtsextremen ein anderes Image zu verpassen. Das meint auch die Politologin Balent:
    "Die Front National wird nicht mehr als gefährlich angesehen. Für die Hälfte der Befragten ist sie eine Partei wie alle anderen. Das ist neu. Als die Partei noch von Jean-Marie Le Pen geführt wurde, war das gar nicht so."

    Magali Balent sieht die Volksparteien deshalb in einem Dilemma im Umgang mit der Front Nationale.

    "Entweder sehen sie die Front National weiter als faschistische Partei an, die man unter allen Umständen von Wahlsiegen abhalten muss oder sie sagen, vielleicht ist das jetzt eine republikanische Partei. Wir schauen mal, ob wir damit umgehen können. Sowohl bei den Sozialisten als auch in der UMP ist man sich darüber nicht einig."