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Front National zur Wahlniederlage
"Vielleicht wird der Name geändert werden"

Marine Le Pen hat die Präsidentschaftswahl verloren, doch ihre Partei sieht sie dennoch bestätigt. Sie werde selbstverständlich an der Parteispitze bleiben, sagte der Front National Politiker Laurent Gnaedig im DLF. Gnaedig brachte eine Umbenennung der Partei von Front National in "Patriotische Allianz" ins Spiel. Damit wolle man eine größere Wählerschaft erreichen.

Laurent Gnaedig im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Wahlplakate mit den Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl in Frankreich, der Rechtspopulistin Le Pen und dem sozialliberalen Macron.
    Marine Le Pen hat die Wahl verloren: Die Angst vor dem Euro-Austritt habe die Wähler abgehalten, ihre Stimme dem Front National zu geben, sagt FN-Generalsekretär Laurent Gnaedig im Interview. (Kay Nietfeld, dpa)
    Tobias Armbrüster: Überall, auch in den deutschen Tageszeitungen sehen wir heute Morgen die Bilder von einem strahlenden Emmanuel Macron, dem lächelnden Wahlsieger. Geprägt hat diese Wahl in Frankreich aber auch Macrons Kontrahentin Marine Le Pen vom Front National, von den Rechtsextremen. Überall in Europa gab es Sorge, dass sie das Ruder in Frankreich übernehmen könnten. Daraus wird nun nichts. Was sind die Gründe für die Niederlage und wie geht es weiter mit der Partei, mit dem Front National? – Am Telefon ist der Front National Politiker Laurent Gnaedig. Er ist Generalsekretär seiner Partei für die Region Unter-Elsass. Schönen guten Morgen, Herr Gnaedig.
    Laurent Gnaedig: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Gnaedig, diese krachende Niederlage für Frau Le Pen, woran lag das?
    Gnaedig: Na ja. Sie sagen jetzt, krachende Niederlage. Das ist nicht gerade eine Niederlage, denn wir hatten ja zuvor nur 18 Prozent in den beiden Runden. 2002 hatten wir 15 Prozent, waren nicht in der zweiten Runde. Jetzt sind wir wieder in der zweiten Runde und wir hatten jetzt in der ersten Runde 7,6 Millionen Stimmen. Jetzt haben wir in der zweiten Runde elf Millionen Stimmen gekriegt. Wir haben jetzt vier Millionen Stimmen mehr als in der ersten Runde und so langsam werden wir eine Partei, die jetzt auch in der zweiten Runde sehr gut abschneidet. Wir haben noch nicht die Mehrheit, das ist klar, wir haben 35 Prozent der Stimmen. Aber na ja, die Gründe: Es liegt nicht daran, dass die Leute für die multikulturelle Gesellschaft sind; es liegt eher daran, dass die Leute den Ausgang aus dem Euro, die älteren Leute haben den Ausgang aus dem Euro befürchtet und sie haben befürchtet, dass ihr Geld, das sie auf der Bank haben, entwertet wird wegen einer eventuellen Evaluation, die nach dem Ausgang aus dem Euro kommen könnte.
    "Wir sagen patriotisch"
    Armbrüster: Herr Gnaedig, aber wenn ich Sie da kurz unterbrechen darf? Ganz sicher kann man doch sagen, dass eine deutliche Mehrheit der Franzosen gesagt hat, wir wollen keine rechtsextreme Präsidentin.
    Gnaedig: Die Terminologie rechtsextrem, damit sind wir auch nicht einverstanden. Wir sagen patriotisch. Das ist klar, die Mehrheit ist jetzt für Macron. Das ist der spirituelle Sohn von Hollande. Sie waren gegen die Politik von Hollande, aber sie wählen immer noch die Kontinuität, die Kontinuität der gleichen Politik. Sie sind für den Schutz des Arbeiters, aber sie wählen für die Deregulierung. Sie sind für den Schutz des Arbeiters, aber sie wählen für ein anderes Arbeitsgesetzbuch, das wenige Rechte den Arbeitern gibt, und so weiter. Das ist ein bisschen paradox, was die tun.
    Armbrüster: Herr Gnaedig, gibt das Ihrer Partei oder sollte das Ihrer Partei nicht zu denken geben, dass sich eine deutliche Mehrheit der Franzosen für einen Mann ausspricht, der noch nicht mal eine politische Partei hinter sich hat, der nur eine Bewegung gegründet hat vor gar nicht allzu langer Zeit, gegen eine Politikerin wie Marine Le Pen, die ja nun schon seit einigen Jahren auf der politischen Bühne präsent ist, die durchaus bekannt ist, und – ich sage es noch mal – die vor allen Dingen mit rechtsextremen Positionen auf sich aufmerksam gemacht hat wie zum Beispiel mit Hass gegen Muslime und mit einer deutlichen antieuropäischen Politik.
    Gnaedig: Hass gegen Muslime würde ich jetzt nicht sagen. Es ist eher so: Man versteht, dass die multikulturelle Gesellschaft nicht funktioniert. Es ist eher das. Von Hass würde ich jetzt nicht sprechen.
    "Eine Frau, die überhaupt kein extremistisches Programm hat"
    Armbrüster: Multikulturelle Gesellschaft – Moment! Herr Macron hat sich deutlich dafür ausgesprochen. Er ist ein Mann, der sich immer deutlich für Europa ausspricht, für das Zusammengehen mit anderen europäischen Ländern, auch für das Zusammengehen mit Deutschland. Das werden ja die Wähler von Ihnen nicht übersehen haben.
    Gnaedig: Das ist ja klar. Aber na ja, ich würde sagen, 40 Prozent der Franzosen sind gegen die kulturelle Gesellschaft und 70 Prozent der Franzosen denken, dass zu viele Ausländer in Frankreich leben. Die haben aber wegen wirtschaftlichen Gründen den Macron gewählt, weil sie noch Angst haben, dass der Austritt aus dem Euro Probleme bringen könnte, eben wirtschaftliche Probleme. Sie sind immer noch gegen wirtschaftlichen Protektionismus. Sie denken, dass Frankreich vielleicht nicht mit dem Protektionismus eine bessere Politik hätte, und sie glauben immer noch, dass die Globalisierung vielleicht eine Chance wäre für Frankreich, aber das wird in den nächsten Jahren sich herausstellen, dass die Globalisierung keine Chance für Frankreich ist. Die Globalisierung ist vielleicht gut für Deutschland, aber für Frankreich ist sie nicht sehr gut – der Euro auch nicht.
    Armbrüster: Das sehen Sie jetzt so, das sieht der Front National so. Wir können festhalten an diesem Montagmorgen, eine Mehrheit der Franzosen, eine deutliche Mehrheit hat es nicht so gesehen. Wenn wir uns jetzt mal die Reaktionen auf diese Wahlen in Europa anschauen. Da gab es vor allem ein Gefühl, nämlich das Gefühl der Erleichterung, dass es Marine Le Pen nicht geschafft hat. Was sagt Ihnen das?
    Gnaedig: Na ja. Man sieht die Marine Le Pen als einen kleinen Teufel an in vielen Kreisen und mit der Zeit muss man verstehen, dass es eine Frau ist, die überhaupt kein extremistisches Programm hat und die an die eigenen Staatsbürger denkt.
    "Der Hass ist eher gegen eine ungewählte Europäische Kommission"
    Armbrüster: Was ist denn mit dem Hass, den sie schürt gegenüber Ausländern oder gegenüber anderen europäischen Staaten?
    Gnaedig: Gegenüber anderen europäischen Staaten besteht überhaupt kein Hass. Marine Le Pen ist für Europa, aber ein anderes Europa, ein Europa von freien Völkern und ein Europa mit Respekt und gegen die EU. Der Hass ist eher gegen eine ungewählte Europäische Kommission, die alles tut, was sie will.
    Armbrüster: Also auch ein Europa, in dem es wieder Grenzen gibt?
    Gnaedig: Europa mit Grenzen, die Konzeption von Grenzen. Das Wort Grenze ist ein gutes Wort für uns, es ist kein schlechtes Wort. Eine Grenze ist wie ein Filter. Man filtert, man blockiert, was nicht gut ist, und man lässt rein, was gut ist. Deswegen muss man die Grenzen wieder einführen.
    "Vielleicht werden manche wirtschaftlichen Programmartikel geändert werden"
    Armbrüster: Herr Gnaedig, ganz kurz noch. Wir haben noch etwa eine Minute Zeit. Wie soll es denn weitergehen mit Marine Le Pen?
    Gnaedig: Na ja, sie wird selbstverständlich jetzt an der Parteispitze bleiben und dann gibt es einen Kongress oder einen Parteitag Ende des Jahres. Da wird diskutiert. Vielleicht wird der Name geändert werden, das ist eine Möglichkeit. Der Front National wird später vielleicht Patriotische Allianz heißen. Es ist eine andere Partei auch hinzugekommen und vielleicht werden manche wirtschaftlichen Programmartikel geändert werden, zum Beispiel der Ausgang aus dem Euro, der den Leuten Angst gemacht hat. Das könnte sich ändern und Sie werden sehen, wenn manche Änderungen geschehen, dann werden die Stimmen auch wieder in die Höhe schnellen und die 50 Prozent Marke wird sicherlich eines Tages erreicht werden.
    Armbrüster: Wir werden das genau verfolgen, auch hier im Deutschlandfunk. – Laurent Gnaedig war das, der Front National Politiker, Generalsekretär seiner Partei für die Region Unter-Elsass. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
    Gnaedig: Danke schön! – Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.