ZDF-Recherche
"Frontal": Lobbyverein soll Termine bei Minister Wissing verkauft haben

Das Bundesverkehrsministerium hat nach Recherchen des ZDF eine Werbekampagne für den alternativen Dieselkraftstoff HVO100 unterstützt. Ein beteiligter Lobbyverein soll dabei Termine mit Verkehrsminister Volker Wissing verkauft haben.

17.07.2024
    Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, bei einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt.
    Resch wirft dem Verkehrsminister vor, vor der Verhandlung am 16. Mai das Gesetz ändern zu wollen, um die Klage der Deutschen Umwelthilfe zu schwächen (picture alliance / photothek.de / Thomas Trutschel)
    Das ZDF-Magazin "Frontal" zitierte aus einer internen Präsentation der Kampagne "HVO100 goes Germany". Darin wurde dem Bericht zufolge Vertretern aus Industrie und Verbänden die Möglichkeit angeboten, "sich bei einem exklusiven VIP-Meeting mit Minister oder Staatssekretär vorzustellen und auszutauschen".

    ZDF: Lobbyverein verlangte fast 10.000 Euro für Termine mit Wissing

    Für jährlich 9.900 Euro soll eine sogenannte "Premium-Kooperation" in Aussicht gestellt worden sein, bei der es neben Terminen einen "durchgehenden Austausch mit den Entscheidungsträgern" geben sollte. Namentlich genannt wurden laut ZDF unter anderen Minister Wissing, Staatssekretär Luksic und FDP-Chef Christian Lindner. Frontal beruft sich auf Belege von einem Verband und einem Unternehmen, die eine solche "Premium-Kooperation" eingegangen sein sollen.
    Die Kampagne für den alternativen Diesel-Kraftstoff HVO100 wird vom Münchner Automobilclub "Mobil in Deutschland" geführt. Der Verein wies die Vorwürfe zurück. HVO100 ist seit Ende Mai an deutschen Tankstellen erhältlich. Staatssekretär Oliver Luksic hatte sogar die Schirmherrschaft über die Kampagne übernommen.

    Ministerium reagiert: Luksic nicht mehr Schirmherr

    Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) reagierte auf die Berichterstattung. Staatssekretär Luksic habe die Schirmherrschaft für die Kampagne ausgesetzt, teilte das Ministerium mit. "Luksic hat Mobil in Deutschland e. V. schriftlich aufgefordert, die Vorwürfe umfassend aufzuklären. Bis auf Weiteres wurde dem Verein untersagt, mit dem Logo des BMDV und der Schirmherrschaft zu werben". Weiter heißt es: "Das BMDV tritt jeglichen Vorwürfen einer unrechtmäßigen Einflussnahme von Interessengruppen und einer Vermittlung von Terminen mit der Hausleitung gegen Bezahlung mit aller Entschiedenheit entgegen". HVO100 sei ein Teil im notwendigen Technologiemix, man habe "Schirmherrschaften über das gesamte Spektrum klimaneutraler Mobilität" übernommen.

    Lobby Control: "Ziel ist es, Verbrenner-Aus zu kippen"

    Lobby Control, eine Initiative für Transparenz bei Lobbyismus in der Politik, kritisierte den Vorgang. "Es ist nicht die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern, sich für irreführende Lobbykampagnen einspannen zu lassen", teilte Sprecherin Christina Deckwirth mit. "Sie machen damit gemeinsame Sache mit der Verbrenner- und Benzinlobby und bieten deren Anliegen einseitige privilegierte Zugänge. Ziel dahinter ist, das in Brüssel beschlossene Verbrenner-Aus zu kippen. Das widerspricht laut Fachleuten sowohl dem Stand der Forschung als auch klimapolitischen Notwendigkeiten." Deckwirth fordert Aufklärung darüber, "welche Absprachen es gab und welche Gelder geflossen sind".
    Diese Nachricht wurde am 17.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.