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Frühes Christentum nördlich der Alpen

Nachdem das Christentum im Jahr 313 durch Kaiser Konstantin neben den anderen Kulten erstmals als Religion anerkannt wurde, etablierte es sich auch in der Rheinregion. Früheste archäologische Funde stammen aus dem 4. Jahrhundert.

Von Alfried Schmitz | 06.03.2013
    "Das ist eine meiner Lieblingsvitrinen. Die ist sehr unscheinbar. Jemand, der davor steht, kann gar nicht diese Brisanz erfassen, die hier liegt. Eine fränkische Adlige, das sehen wir an dem reichhaltigen Schmuck, die in einer Kirche bestattet wurde – in einer der frühesten Kirchen im Rheinland – und dieses Goldblattkreuz auf ihrem Totengewandt aufgenäht hatte. Ein eindeutiges Bekenntnis zum Christentum. Obwohl sie, wie in den heidnischen Jahrhunderten zuvor, auch immer noch Beigaben mit ins Grab bekommen hat."

    Dr. Susanne Willer ist Archäologin. Sie hat sich bei ihren Grabungen intensiv mit dem frühen Christentum im Rheinland beschäftigt. Sie ist wissenschaftliche Referentin für provinzialrömische Archäologie beim Rheinischen Landesmuseum in Bonn. Die historische Schnittstelle zwischen Römerzeit, Christentum und Frankenherrschaft ist ihr Spezialgebiet.

    "Es gibt einzelne Schriftquellen, die schon Ende des 3. Jahrhunderts sagen, dass es christliche Gemeinschaften gab, die sich aber noch sehr zurückgehalten haben. Die haben auch keine Kirchen gebaut. Es gab Gemeinden, die sich in einem Haus versammelt haben. Aber wir müssen uns das so vorstellen, dass hier jahrhundertelang sehr viele Kulte nebeneinander existierten. Es gibt Matronen-Heiligtümer in der Eifel, die werden noch bis ins 5. Jahrhundert genutzt."

    Römische Religionskultur, keltische und germanische Gottheiten, Heidentum und Christentum. Die Verschiedenartigkeit der Religionen lag in den von den Römern besetzten Gebieten dicht beieinander, wurde parallel gelebt und zuweilen sogar mit einander vermischt. Bis sich der christliche Monotheismus in den römischen Provinzen fern von Rom durchgesetzt hatte, vergingen über dreihundert Jahre.

    "Es gibt seit dem 4. Jahrhundert entsprechende Funde. Bestimmte Kreuzdarstellungen, christliche Motive, biblische Szenen, es gibt die spätantike Symbolik. Wenn man zu den frühen christlichen Grabsteinen des 5. Und 6. Jahrhunderts geht, da ist dann das Christogramm oder das Alpha und Omega, daneben Weinranken oder eine Taubendarstellung. Also, das sind christliche Symbole, wie man sie sucht."

    Dr. Marcus Trier ist Direktor des Römisch-Germanischen Museums in Köln. Auch er ist Archäologe und auch er hat sich eingehend mit dem frühen Christentum im Rheinland beschäftigt.

    Als der Vormarsch der Franken im Jahr 457 die 500-jährige römische Besatzung des Rheinlandes beendete, fegten die neuen Herrscher die religiöse Hinterlassenschaft ihrer Vorgänger nicht beiseite, sondern freundeten sich mit dem Christentum an.

    "Das fränkische Großreich unter Chlodwig dem Großen, der sich ja dem Christentum zugewandt hat, der sich als erster Frankenkönig hat taufen lassen, dieser Chlodwig, seine Söhne und Enkel, die bauen ein Reich auf, das von Thüringen im Osten bis nach Spanien im Südwesten reicht. Und das Christentum war natürlich eine der tragenden Säulen des fränkischen Großreiches, das da entstanden ist."

    Der kluge fränkische Staatslenker Chlodwig sah im Christentum die Möglichkeit, es als integratives Werkzeug einzusetzen, mit dem er die verschiedenen Volks- und Religionsgruppen in seinem riesigen Reich einen konnte. Sein Plan ging auf. Das Christentum verbreitete sich sehr schnell und viele Angehörige der Führungsschicht ließen sich als Zeichen ihrer Verbundenheit mit der neuen Religion, in Kirchen beisetzen.

    "Die Franken, die hier in der Stadt leben, in einem romanischen Umfeld leben, die bestatten ad sanctos ad martyros, bei den Heiligen und den Märtyrern ihre Toten."

    In Köln sind das die Grabstellen der Märtyrer St. Ursula und St. Gereon und der heiliggesprochenen frühen Kölner Bischöfe St. Severin und St. Kunibert.

    Köln als frühe Bischofstadt war eine wichtige Keimzelle des Christentums im Rheinland. Schon 313, im Jahr des Mailänder Edikts also, trat der erste Kölner Bischof sein Amt an. Der Beginn einer ersten klerikalen Organisationstruktur.

    "Für Köln als Bischofsstadt haben wir eine historische Überlieferung. Wir haben mit Maternus den ersten Bischof, dessen Existenz steht auch nicht in Frage. Dann geht es bis zu Severin, dem dritten Bischof und dann gibt es die Lücke bis ins sechste Jahrhundert. Darum gibt es eine lange Diskussion, aber die ist für mich historisch beendet. Werner Eck, der berühmte Althistoriker, hat ganz klar hervorgehoben: Die Unterbrechung in der Bischofsliste ist nicht mit einem Hiatus im Bistum gleichzusetzen, sondern auf Quellenverluste zurückzuführen."

    Hatten sich die frühen Christen in unscheinbaren und schmucklosen Räumen getroffen, deren Überreste von den Archäologen heute nicht mehr als Versammlungsräume zu identifizieren sind, begann man ab dem vierten Jahrhundert mit dem Bau von Steinkirchen. Die waren weit mehr als nur Versammlungsorte sondern sichtbarer Ausdruck und Manifestation des christlichen Glaubens.

    "Das Christentum ist die Grundstruktur und die setzt sich auch durch. Wenn man frühe Kirchenbauten kartiert, die liegen erst in den urbanen Zentren, also in festen Orten des frühen Mittelalters. Und die gehen dann nach und nach in die ländlichen Strukturen rein. Das können Eigenkirchen sein, adlige Eigenkirchen, die sich dann zu Pfarrkirchen entwickeln. Oder es gibt auch frühe Klosteranlagen. Klosteranlangen gibt es schon bei den Merowingern. Das weiß man aus Schriftquellen, man kann sie aber auch archäologisch nachweisen."