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Frühwarnsystem für schlechtes Betriebsklima

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz lassen die Kreativität der Mitarbeiter sinken. Eine Entwicklung von Arbeitswissenschaftlern der Ruhr-Uni Bochum soll helfen, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen: das Kreativ-Barometer.

Von Dirk Biernoth |
    Wenn die Mitarbeiter der IKU GmbH in Dortmund ihren PC hochgefahren haben, können sie nicht sofort mit der Arbeit loslegen. Sie müssen erst einmal drei bis vier persönliche Fragen beantworten. Zum Beispiel, ob sie in den letzten Tagen das Gefühl hatten, etwas Wichtiges getan zu haben oder ob sie in letzter Zeit oft harte Kritik erfahren haben. All diese Fragen sind Bestandteil des Kreativ-Barometers, das Thomas Herrmann und sein Team vom Institut für Arbeitsforschung an der Ruhr-Uni Bochum entwickelt haben. Die Forscher haben nämlich herausgefunden, dass psychische Belastungen die kreative Leistung sinken lässt – bis hin zum Burnout-Syndrom im schlimmsten Fall. Das Kreativ-Barometer hilft nach den Worten von Thomas Herrmann dabei, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen.

    "Das Schöne ist, dass sie dann nach einer gewissen Zeit sehen können, wie sich Ihre Antworten entwickelt haben. Und auch, was im Durchschnitt ihre Kollegen in der Abteilung dazu antworten. Der Chef sieht dann auch anonym die durchschnittlichen Ergebnisse und kann sich entscheiden, ob er etwas tun sollte, den Mitarbeitern mehr Kreativität zu ermöglichen"

    Die Ergebnisse sind ungeschönt für alle jederzeit einsehbar. Das heißt, sowohl die Mitarbeiter können einzeln oder geschlossen zum Chef gehen, wenn sie sehen, dass sich das Betriebsklima verschlechtert hat. Aber auch der Chef kann frühzeitig gegensteuern, wenn er merkt, dass die Motivation seines Teams sinkt. Das ist auch der Grund, warum der Chef der IKU GmbH in Dortmund, Markus Bloser, am Kreativ-Barometer teilnimmt. Seine Mitarbeiter müssen täglich kreativ sein. Sie organisieren und moderieren Beteiligungsprojekte, sorgen also dafür, dass bei Großprojekten die Öffentlichkeit mit in die Diskussion einbezogen wird.
    Kreativität kann sich nur entwickeln, wenn auch das Betriebsklima stimmt – da ist sich IKU-Chef Bloser sicher.

    "Wo Sie das immer sehr schnell merken ist auch, wenn Sie Veränderungen im Team haben zum Beispiel. Oder es kommen dann für uns auch neue Projekte. Wir arbeiten ja nicht kontinuierlich, sondern sehr stark projektbezogen. Und da merkt man dann eben schon: Wie kommen so die einzelnen Projekte bei den Mitarbeitern an? Wie motiviert fühlen die sich? Wie engagiert sind die, ist das eher Routine-Arbeit? Und das dann noch mal so gespiegelt zu kriegen, ist dann für uns auch ne Chance für die Ausrichtung unserer zukünftigen Geschäftsfelder."

    Das heißt, künftige Projekte können auch danach ausgesucht werden, ob sie den Mitarbeitern Spaß machen. Das Wichtige sei eben, dass man die Ergebnisse der Befragungen auswertet und seine Konsequenzen daraus zieht, sagt IKU-Chef Bloser. Nur so könne das Betriebsklima dauerhaft verbessert und damit auch die Kreativität gesteigert werden.

    "Sie müssen natürlich nicht nur beobachten das Barometer, sondern Sie müssen auch wirklich die Ergebnisse ernst nehmen und gemeinsam im Team reflektieren. Und dann ist das schon ein schönes Instrument, um auch gemeinschaftlich Ursachenanalyse zu betreiben und dann auch zu überlegen, können wir da was verändern, wollen wir das verändern? Das muss man dann aber auch ernst nehmen."

    Insgesamt 25 Fragen werden im Laufe einer Woche den Mitarbeitern gestellt. Den Arbeitsablauf stört das kaum, da es immer nur einige wenige Fragen pro Tag sind. Wenn die Befragungen allerdings über einen zu langen Zeitraum gehen, besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter gelangweilt oder genervt sind.

    "Wenn Sie eine Phase haben, wo Sie auch eine größere Kontinuität in der Arbeit haben, also wenig Veränderungen eigentlich in der Organisation, dann spiegelt sich das in dem Barometer, passiert nicht viel. Und dann kommt natürlich wirklich die Frage auf: Ja, Mensch, die Ergebnisse sind eigentlich jede Woche oder jeden Monat gleich."

    Deshalb will IKU-Chef Markus Bloser das Kreativ-Barometer künftig vor allem dann einsetzen, wenn neue Projekte reinkommen oder sich das Team verändert hat.

    "Es hängt also auch immer ein bisschen davon ab, was tut sich gerade in der Firma, im Team und in den Projekten. Von daher ist dann auch immer die Teilnahmebereitschaft unterschiedlich groß."

    Unternehmen, die Interesse daran haben, das Kreativ-Barometer selbst einmal auszuprobieren, können sich übrigens bei der Ruhr-Universität in Bochum melden.


    Zur Webseite der Ruhr-Universität Bochum